Tuska Open Air Festival 2019
28.-30. Juni 2019, Suvilahti, Helsinki, Finnland – FOTOGALERIE HIER
Totgesagte leben länger! In den vergangenen Jahren hatten Rock / Heavy Metal-lastige Clubs und Veranstaltungen mit Publikumsschwund und daraus resultierenden finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Das betraf auch Tuska – jedoch scheinen diese harte Zeiten vorbei zu sein: Im 22. Jahr Besucherrekord mit 43.000 Leuten an drei Tagen, und das bei Kaiserwetter (nicht zu heiß, überwiegend sonnig). Wie immer verlief alles friedlich ohne Zwischenfälle – mitten in der Hauptstadt, nicht fernab irgendwo inner Pampa, wie bei Metal-Festivals dieser Größenordnung eigentlich üblich…
Einige Neuerungen – wie etwa Zugang vom REDI Einkaufszentrum / Metro-Station Kalasatama – wurden mit Sicherheit weniger revolutionär empfunden wie die K18 Beschränkung, also kein Zutritt mehr für Minderjährige. Zumal der Anteil dieser Altersgruppe beim Tuska verschwindend gering gewesen war (angeblich nicht mal 100 Leute letztes Jahr). So konnten sich die Erwachsenen mit ihrem alkoholischen Getränk frei am Gelände bewegen, es gab keine strikt eingezäunten Barzonen mehr. Wir Journalisten kriegten am ersten Tag den Nachteil davon zu spüren – es war viel schwieriger, sich durch die allgegenwärtigen Menschenmassen von A nach B zu bewegen. Und in die Clubstage kam man auch bei zeitgerechter Ankunft zum Knipsen entweder nicht mehr rein – oder wenn man früher drin war, nicht mehr raus… Und egal ob Journaille oder als zahlender Gast, bei drei Bühnen und 46 Bands (plus Expo, Vorträge, Sauna etc.) muss man leider Prioritäten setzen und Entscheidungen treffen …
Da ich mich am FREITAG hinsichtlich Anreise und Zutrittskontrollen etwas verkalkuliert hatte, kriegte ich von Medeia nur noch die letzten paar Songs mit. Das Zelt war schon ordentlich voll, der Großteil der Leute sollte aber erst noch eintrudeln…
Arion eröffneten die Hauptbühne, nunja, mit sicherheitsoptimierten, fotografenfreundlichen, allerdings bescheiden wirkenden Effekten. Vielleicht hätte man da lieber die klasse Musik und die sympathische Ausstrahlung der Band alleine wirken lassen sollen…
Viele der kraftvollen Epic Power Metal Songs (Seven, The Last Sacrifice, Out of the Ashes) sind ebenso eingängig wie Pop-Songs, der große Durchbruch dieser Band ist also längst überfällig! Diesen haben die nächsten auf der Hauptbühne ja mit ähnlichem Sound bereits geschafft: Battle Beast. Von deren eindrucksvoller Show kriegte ich wegen dem Interviewtermin mit Alien Weaponry allerdings nicht viel mit…
Während das Doom-Duo Goatburner und die finnische Kult-Thrash-Truppe Pahan Ikoni eher auf Brutalität setzten, hat das Soloalbum von Marko Hietala (Tarot, Nightwish) sowas wie Lagerfeuer-Romantik. Sehr melodisch und eingängig, mit finnischen Texten (wofür sich Marko auch beim internationalen Publikum im Zelt entschuldigte). Der Mann hat ne Super-Stimme, Texte sind da eh nebensächlich … Nach dem Interview schaffte ich es gerade noch zum Knipsen der agilen Punk/Thrasher Power Trip und zog dann erstmal die klasse Epic Metal Show von Brymir vor (deren japanischer Fanclub war auch anwesend – siehe FOTOGALERIE). Hier wirkten die identischen Effekte, die Arion genutzt hatten, gleich etwas besser…
Warum es mir nicht gelang, mehr als den Schluß von Anthrax mit „Antisocial“ und „Indians“ mitzukriegen und wenigstens etwas zu knipsen, habe ich ja schon erwähnt … (aber Kollege Sander war da, siehe Fotogalerie) … ärgerlich, aber das war ja nicht der erste Gig der legendären Thrasher beim Tuska und sicherlich nicht der letzte. Hätte ich geahnt, dass man beim Anneke von Giersbergen Soloauftritt Klaustrophobieattacken kriegt (ich hielt in dieser „Konservendose“ gerade einen Song aus – Kollege Sander schaffte es nach weiter vorne), wäre ich gleich bei Cult of Luna im Zelt geblieben – klasse Brutalo-Post-Metal Sound, klasser Gig! Das gilt auch für den nächsten Act auf der Hauptbühne.
Ich hätte mir auch gerne mehr von Dimmu Borgir angesehen – ich hörte später, mein Fave „Mourning Palace“ war ebenfalls im Programm – aber ich wollte unbedingt rechtzeitig für den nächsten Act zur Club-Bühne. Das bedeutete, nicht nur auf den halben Gig der Norweger, sondern auch auf Swallow The Sun verzichten.
Denn sonst hätte ich mir den Gig von Alien Weaponry nicht in voller Länge ansehen können – denn von allen anderen hatte ich maximal 3 Songs beim Knipsen mitgekriegt… Die Neuseeländer lockten erwartungsgemäß eine gewaltige Fanschar an – am Bühnenrand vorne war wenigstens Luft und keine Gefahr, versehentlich im Mega-Moshpit zu landen. Nachteil, die Sicht auf die Bühne war doch etwas eingeschränkt…
Jedoch kriegte ich von diesem Platz aus besser mit, wie sehr die Meute den gesamten Gig über abging und sogar eine Wall of Death probierte – aber es gab dafür schlicht und ergreifend zuwenig Platz! Klar, diese urigen Rhythmen und die Texte a la Maori-Haka (der neue Song Ahi Kā) regen irgendwie Urinstinkte an – viel mehr als die AW Songs mit englischen Texten, seltsamerweise. Und diese Teenager wissen auch, wie man live Laune macht! Danke, sehr gerne wieder!
Ich hörte später, dass dieser Gig als einer der besten vom gesamten Festival gehandelt wurde…. dazu kann ich nur sagen: Vor dem Gig war ich fix und fertig, müde, hungrig, durstig, den ganzen Tag nur rumgerannt und geknipst … nach dem Gig war ich auf 180, hyper-fit und grinste von einem Ohr zum anderen…
Den Status „bester Gig des Tages“ kann dennoch wohl keiner den Headlinern Amorphis streitig machen. Erstens, deren Musik alleine, zweitens die massive Show auf der Hauptbühne, drittens, der Spezialgig mit dem gesamten „Queen of Time“ Album in einem durch, viertens Anneke als Gastsängerin, auch bei dem selten live gespielten „Her Alone“ – Gänsehaut pur, sensationell gut, egal wie oft du diese Band schon gesehen hast. Fantastischer – aber anstrengender – erster Festivaltag!
Für den SAMSTAG gab es einige Verbesserungen – die Social Media-hellhörigen Veranstalter hatten schnell reagiert: Da die massive Merchandise-Schlange den gesamten Tag über für einen Flaschenhals-Effekt an der Hauptbühne gesorgt hatte, wurde der Merch-Zugang auf die andere Seite hin verlegt – der Effekt war unmittelbar wahrnehmbar, es gab mehr WCs und Abfalleimer sowie zusätzliches Security/Barpersonal. Die 15.000 Leute an diesem Tag verteilten sich tatsächlich viel besser am Gelände und das Durchkommen war einfacher – nunja, zumindest bis zum Headliner. Und obwohl die Fotopits dieses Jahr richtig schön geräumig waren – DANKE! – gab es an diesem Tag gefühlte 3x mehr Fotografen, also war es ein Geschubse und Gedrängel wie jedes Jahr… Für die nächsten Festivaltage hatte ich mir vorgenommen, zwischendurch mich auch mal in Ruhe hinzusetzen, was zu essen und zu trinken und dafür lieber auf ein paar Fotos zu verzichten …
Der Industrial Metal Flohzirkus Fear of Domination und der Glam Rock’n’Roll Zirkus Wake up Frankie weckten die Lebensgeister der bereits Anwesenden, ebenso die Thrasher Lost Society. Die Jungs freuten sich wie die Schneekönige, dass sie es endlich auf die Tuska-Hauptbühne geschafft hatten – und lösten gleich das angeblich größte Moshpit des gesamten Festivals aus. Für mich schwer zu beurteilen, da ich davon stets Sicherheitsabstand halte. Der Suomi Pop / Rock von Maj Karma kontrastierte mit dem Black Metal von Mustan Kuun Lapset, ehe Stam1na die Massen vor die Hauptbühne lockten.
Hier fiel mir auf, dass auch Fans aus Mexiko perfekt die Lyrics von „Viisi laukausta päähän“ mitgrölen konnten?? Stam1na boten ebenfalls einen Spezialgig mit Gastsängerin Anna Eriksson bei „Gaian Lapsi“.
Hoch-Oktan Flohzirkus mit akrobatischen Einlagen sollten wir anschließend von Kvelertak im Zelt sehen. Zwar vermisste ich die Uhu-Maske, dafür legten die Norweger puncto Durchgeknalltheit noch einiges drauf. Stagediven mitten unter die Fotografen? Da schätzte ich mich glücklich, eher an den Rand gedrängelt worden zu sein… und konnte ein paar Schnappschüsse davon machen (siehe FOTOGALERIE). Kvelertak bestätigten einmal mehr ihre Klasse – sie sind eine meiner Lieblingsbands, immer gerne wieder!
Nach so viel Action hatte ich null Bock auf Hardcore von und mit Sick Of It All – außerdem liegt die Club-Stage näher an der Zeltbühne (das heißt weniger durch Menschenmassen quetschen müssen). Daher lieber chillen bei den sympathischen Österreichern / Italienern / Franzosen Visions of Atlantis (geknipst vom Kollegen Sander). Deren episch-symphonischer Metal hat hohen Ohrwurmfaktor – und hätten sie es nicht verkündet, keiner hätte gemerkt, dass sie hier mit geborgtem „Not-Equipment“ ihren Premieregig beim Tuska spielten. Lob und Dank auch im Namen der Stalker-Crew an Warkings und Wake Up Frankie für die Kameradschaft, MitmusikerInnen in Not auszuhelfen!
Und obwohl Delain im Zelt sicher wieder ein Ohren- und Augenschmaus waren (siehe Fotos vom Kollegen Sander), sparte ich mir das Gehetze für zwei, drei Songs und wartete lieber ein wenig im Clubgebäude auf die nächste Band De Lirium’s Order. Deren tollen akustischen Gig hatte ich ja schon gesehen – und meine Fresse, die Strom-Version des aktuellen Albums „Singularity“ war absolute erste Sahne! Kompliment an alle Beteiligten, diesen filigranen technischen Death Metal live so sauber hinzukriegen!
Leider konnte ich mir nicht den vollen Gig ansehen, denn auf der Hauptbühne legten Opeth los. Komplex, unterhaltsam (auch die Ansagen und kleinen Geschichten) mit Best-Of-Setlist, oder besser, nur einer Handvoll Best-Of-Songs, denn bei deren epischer Länge passt nicht mehr ins Programm: Sorceress, Ghost of Perdition, The Devil’s Orchard, Cusp of Eternity, In My Time of Need, The Drapery Falls, Deliverance.
Da ich zu den japanischen Metal-Veteranen Loudness nicht mal mehr unter die ersten 5 Reihen kam (Kollege Sander hatte da mehr Glück, siehe Fotos), die sich bereits VOR der Clubbühne drängelten (das heißt, du konntest nicht mal HÖREN, was sich drin abspielt), sah ich mir Heilung an.
(Es war zwar niemandem gestattet, im Fotograben zu knipsen, Kollege Sander konnte aber vom Publikum aus ein paar Schnappschüsse machen.) Und war erstmal hin und weg: Eine Band oder eine Ansammlung prähistorischer Schamanen, die hier mit rein akustischen Instrumenten (so schien es) und Stimmen ein Ritual feiern? Toll, nur leider konnte ich mir auch nur einen Teil davon ansehen, denn für den Headliner begab ich mich lieber zeitgerecht zur Hauptbühne …
SLAYER. Kompromisslos. Gnadenlos. Nahezu pausen- und ansagenlos (zwischendrin kurz und trocken ein Song angekündigt, ich glaube Payback… ) Mitreißend. Geniale Licht- und Flammenshow. Geniales Best-Of Programm – incl. South of Heaven, darauf hatte ich mich schon gefreut – und der allerletzte Auftritt in Finnland auf der Farewell-Tour der Band. Am Schluss minutenlanges Genießen des Jubels, war da auch ne Träne im Knopfloch beim Frontmann? Auf alle Fälle offensichtlich ein sehr emotionaler Moment für Tom Araya. Seine abschließenden Worte (auch auf Video): „Thank you. I’ll miss you guys, good night and good bye“.
Wir werden euch auch vermissen, Slayer.
Meine Füße…. deswegen heißt das Festival wohl auch Tuska (Schmerz) … Nach den ersten zwei Tagen wirkte der SONNTAG mit später los, früher Schluss und weniger Bands im Vergleich total gemütlich. Und richtig „leer“, es waren ja „nur“ 13.000 Leute da …
Schon wer rechtzeitig zu den Metal-Ohrwürmern von und mit Leverage eintrudelte, wunderte sich wohl – bedeutet K-18 neuerdings „18 Monate“? Kinderwägen statt Motorräder – denn erstmals war das Spezial-Event „Pikku-Tuska“ (Klein-Tuska) für den Metal-Nachwuchs (incl. Basteln, Face-Painting und Gratisverpflegung) angesagt. Etwa 500 Mini-Metalheads im Alter von 0–10 Jahren und deren Eltern kamen zu Hevisaurus, woran ja auch Erwachsene einen Heidenspaß haben! Und ja, diese wortwörtlichen Metal-Dinosaurier haben einige hartnäckige Ohrwürmer (neuerdings ja auch auf Deutsch: siehe Heavysaurus)!
Etwas Metalcore-derber ging es da bei I Revolt auf der Clubstage zu, ehe die Punk-Rocker Frank Carter & The Rattlesnakes für Überraschungen sorgten. Erstens für den geilen Abrock-Sound, zweitens wurde sogar die Hauptbühne zu klein und mitten im Publikum gemosht – es gab sogar ein Spezial-Moshpit ausschließlich für die Mädels!
Dominierend dann auch die Mädels auf der Bühne – zunächst bei den Goth-angehauchten Dark Sarah, dann bei den derben Jinjer mit Death&Prog&Core Metal aus der Ukraine. Waaaaahnsinn! Noch schnell ein Prog-Trio Palehorse, ehe eine Naturgewalt namens Halestorm die Zeltbühne aus den Fugen brachte. Lzzy Hale, die selbsternannte Verrückte, eine geborene Performerin, im neuen Look a la Joan Jett, rockte schon alleine alles in Grund und Boden, dann auch noch ihre solide und dennoch hyperaktive Band – WOW! Der erste Auftritt von Halestorm beim Tuska war hoffentlich nicht der letzte – die gehören auf die Hauptbühne!
Stichwort Wahnsinn – so lassen sich auch Behemoth beschreiben, die mit ihren Flammen Slayer Konkurrenz machen und dem Headliner des Tages die Show stehlen wollten… Trotz der Entfernung schmolz mir fast Gesicht und Kamera weg – bin dann einfach geflüchtet und habe den Rest der Show aus sicherer Entfernung genossen. Auch Kollege Sander knipste das lieber aus einem gewissen Abstand…
Grundsätzlich tut mir jede Band leid, die nach Slayer und besonders nach dieser Show als Headliner gebucht sind… Zusätzlich gab es an dem Tag gleich mehrere hochkarätige Highlights.
Es mögen sich die Geister und Musikgeschmäcker scheiden, ob an diesem Tag Halestorm oder Behemoth oder eben die Headliner The Hellacopters die imposanteste Show abgeliefert haben. Fest steht, dass The Hellacopters als Rock’n’Roll Veteranen und unzähligen Hits im Gepäck leichtes Spiel hatten, die Tuska-Meute in Nullkommanix in Partylaune zu bringen.
Von daher ein würdiger Abschluss eines weiteren erfolgreichen Tuska-Tages und des Tuska Open Air 2019!
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Danke, nächstes Jahr gerne wieder: TUSKA 26.-28.6.2020.
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