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Sólstafir – Endless Twilight of Codependent Love

Label: Season of Mist     VÖ: 6. November 2020

Vor einem Vierteljahrhundert gründete der Sänger/Gitarrist Aðalbjörn „Addi“ Tryggvason das atmosphärische isländische Metal-Quartett Sólstafir und setzte seine musikalische Reise mit seinen Bandkollegen fort – dem Bassisten Svavar „Svabbi“ Austmann, dem Gitarristen Sæþór Maríus „Pjúddi“ Sæþórsson und dem neueren Schlagzeuger Hallgrímur Jón „Grimsi“ Hallgrímsson, der auch einige Texte beisteuerte. Nach all dieser Zeit schafft es diese Band, frisch und aufregend und gleichzeitig ihrer Philosophie treu zu bleiben. Ganz einfach, denn ihre Grundregel lautet, dass es keine Regeln gibt – es kann Post Rock, Black Metal oder eine atmosphärische Klanglandschaft sein, oder alles gleichzeitig. Mastermind Tryggvason genießt diesen Faktor des Unbekannten, der die Dinge spannend hält. „Bandmagie kann man nie vorhersehen. Der ganze Zweck besteht darin, Magie zu kochen. Und wenn man mit vier oder fünf Verrückten zaubert, kann man nie vorhersehen, was passieren wird. Das kann man nicht kaufen. Man muss es leben oder wachsen lassen.“

Das neue Album „Endless Twilight of Codependent Love“ ist in gewisser Weise genau das, was man von dieser Band erwarten würde, und bietet dennoch viel Unerwartetes zu entdecken. Im Grunde laden die 4 isländischen Gandalfs uns Bilbos ein, uns auf ein Abenteuer einzulassen, eine Reise in eine musikalische Wildnis, die so vielfältig, seltsam, geheimnisvoll, rau und schön ist wie die isländische Landschaft. Und ja, du kannst da auch Drachen begegnen.

Es liegt jedoch an eurem persönlichen Geschmack, ob ihr die Drachen in extremen, von Blast-Beat getriebenen Ausbrüchen, in Vollgas Rock’n’Roll-Energie oder in leicht unheimlichen, melancholischen Elegien entdecken, oder in diesen leidenschaftlichen, intensiven isländischen Texten, in denen es um Themen wie die spirituelle Verbindung mit der Natur, aber auch um psychische Störungen und Depressionen geht. „Her Fall From Grace“ ist das einzige Stück in englischer Sprache, das den Schmerz beschreibt, wenn man zusieht, wie ein geliebter Mensch einer psychischen Krankheit erliegt.
Trotz dieser Vielfalt – oder gerade deswegen? – passt alles gut zusammen als ein kohärentes und eigentlich erfreuliches Hörerlebnis wahrer Kunst. Schau dir einfach den Videoclip unten an, um einen Vorgeschmack auf dieses Abenteuer zu bekommen, das dich erwartet. Und all diejenigen, die diese Band kennen und bereits mögen, können sicher sein, dass sie an diesem Album mindestens genauso viel Freude haben werden wie an den Vorgängern.

PS: Das Cover passt sehr gut, sowohl in Motiv als auch in seiner mysteriösen Geschichte: Das Aquarell von Johann Baptist Zwecker aus dem Jahr 1864 „Die Herrin des Berges“ ist die weibliche Personifizierung Islands. Es wurde zuerst in einem Buch mit isländischen Volksmärchen veröffentlicht, aber nie öffentlich gezeigt. Eine schwarz-weiße Holzschnittkopie des Künstlers ist alles, was die Isländer bis vor kurzem kannten. Dann entdeckten zwei Leute das Original in einer walisischen Museumsgalerie, wo es ein Jahrhundert lang aufbewahrt worden war. Jetzt ist es wieder zu Hause und schmückt das Cover des neuen Sólstafir-Albums.

Tracklist:
1. Akkeri (10:10)
2. Drýsill (08:52)
3. Rökkur (07:06)
4. Her Fall From Grace (06:36)
5. Dionysus (05:31)
6. Til Moldar (04:29)
7. Alda Syndanna (04:30)
8. Or (06:58)
9. Úlfur (08:49)

https://www.solstafir.net

SÓLSTAFIR - Drýsill (Official Animated Video)

  • 9.5/10
    Bewertung / rating - 9.5/10
9.5/10

Klaudia Weber

Rücksichts- und gnadenlose Diktatorin, kniet vor mir! Anders gesagt: Chefredakteurin, Übersetzerin, Webseiten- und Anzeigenverwaltung, also "Mädchen für alles" - - - Schwerstens abhängig von Büchern (so ziemlich alles zwischen Herr der Ringe und Quantenphysik) und Musik, besonders von Metal finnischer Prägung. Weiters Malen, Zeichnen, Film, Theater... also könnt ihr mit einer vielseitigen Website rechnen. Mag.phil., zwei in 5 Jahren parallel abgeschlossene Vollstudien (English & American studies, Medienkommunikation) und stolz darauf, denn als Mädel aus einer Arbeiterfamilie in einem erzkonservativ-katholischen Land ging das nur dank Stipendium und etwas später im Leben als andere....