Interviews

Vanishing Point: „Die Fans ließen mich durchhalten“

Nach mehr als sechs Jahren seit der Veröffentlichung von „Distant Is The Sun“ sind Vanishing Point wieder da, mit ihrem sechsten Album „Dead Elysium“ (unsere Review hier). Und wieder einmal beeindruckten die australischen Prog-Rocker die Kritiker weltweit mit ihren Melodic Metal und epischen Arrangements, gekrönt von Silvio Massaros einzigartiger Stimme. Wir bombardierten ihn … äh… schickten ihm einige Fragen … Hier erfährt ihr mehr über die neuen Jungs in der Band, die Herausforderungen, die Silvio zu bewältigen hatte, und – Pizza:

Warum hat es so lange gedauert, was ist in diesen 6 Jahren passiert?

Nun, es gab viele Faktoren, welche die Veröffentlichung dieses Albums verzögert haben.
Ich persönlich hatte einige gesundheitliche Probleme, die mich für einige Zeit ins Krankenhaus brachten… Ich leide an Morbus Crohn. Es ist ein andauernder Kampf mit Ärzten und Krankenhäusern usw… Ich habe zu viel Zeit verpasst, was das Schreiben von Musik betrifft. Und dann…

Vor etwa vier Jahren erfuhren wir, dass mein Vater aufgrund einiger gesundheitlicher Komplikationen im Sterben liegt… es gab viele schwierige Monate, mit denen meine Familie und ich zu kämpfen hatten, bis er schließlich verstarb.

Dann litt ich an einem Stimmbandgranulom, das mich fast 14 Monate lang am Singen hinderte. Das war sehr schwierig, denn ich musste meine Stimme neu trainieren und die Kraft zurückgewinnen, die ich hatte, bevor ich krank wurde…
Und dann, fast ein Jahr nach dem Tod meines Vaters, starb meine Mutter an Krebs.

Wie du siehst, es kam für mich Schlag auf Schlag, aber das hat mich nicht davon abgehalten, meine Fans oder gar die Musik völlig aufzugeben… es sind die Fans, die mich durchhalten ließen, und wenn meine Bandkollegen nicht so geduldig gewesen wären, wäre es nicht möglich gewesen, dieses Album zu veröffentlichen.

Silvio

… und warum die Verzögerung mit den physischen CDs & Merch? Ich dachte, nur in den USA ist der Postdienstist ein totales Chaos 😉 …

Ich habe keine Informationen darüber, warum es eine Verzögerung gab, aber ich bin ziemlich sicher, dass alles inzwischen verfügbar ist. Ich werde dem Ganzen für dich nachgehen 😉 aber ich weiß, dass es wegen Covid zu erheblichen Lieferverzögerungen kam. (Nun ist alles verfügbar, checkt die Website der Band, Anm. d. Red.)

Kannst du die neuen Jungs vorstellen, den Bassisten Gaston Chin und den Schlagzeuger Damien Hall – wie habt ihr sie gefunden, hat es sofort „geklickt“ (bei dir & den Gitarristen Chris Porcianko & James “Bushy” Maier)? Was hat sich geändert, wenn man frisches Blut in der Band hat?

JA! GASTON CHIN – BASS und DAMIEN HALL – DRUMS. Diese neuen Jungs betrachte ich als unsere Retter! Wir haben definitiv von dem Moment an „Klick“ gemacht, als wir diese Jungs eingeholt haben. Ich denke, wenn man sein eigenes musikalisches Zuhause für neue Leute öffnet, ist man es immer leid, wie die Leute sein werden. Manchmal sind ihre musikalischen Talente die zweite Wahl, weil man immer das Gefühl hat, dass die Persönlichkeit meiner Meinung nach manchmal wichtiger ist. Aber wir haben großes Glück und freuen uns sehr, dass wir mit diesen Jungs beides richtig gemacht haben. Nicht nur wirklich coole Jungs, sondern es war schon bei der ersten Probe klar, dass sie sehr kompetente Musiker sind.

Gaston
Damian

Verglichen mit euren bisherigen Veröffentlichungen, wie siehst du die Entwicklung der Band und persönlich als Musiker?

Tolle Frage, ich denke, jeder Musiker würde sagen, dass er sich wünschte, er könnte seine erste Platte neu aufnehmen… das war für uns ein Werk der Liebe und ein Bestreben, nicht nur als Musiker, sondern auch als Band besser zu werden. Ich denke, dass es eine natürliche Entwicklung ist, wenn man über viele Jahre hinweg für sein Handwerk übt, um als Musiker besser zu werden; aber Musik mit Substanz und Emotionen zu schreiben, das geht nur mit Lebenserfahrung, um das nachhaltig zu prägen, was man wirklich darstellen möchte. Also diese Sache an sich wird sich immer weiterentwickeln.

Die größte Herausforderung bei der Fertigstellung und Veröffentlichung dieses Albums (von den aktuellen Ereignissen abgesehen)?

Abgesehen davon, dass ich meine Eltern verloren habe, denke ich, dass die Zeit mein Feind war. Ich brauchte Zeit, um zu heilen, nicht nur emotional, sondern auch physisch, es war eine Herausforderung, meine Kraft wieder aufzubauen. Nicht singen zu können war eine schwierige und sehr stressige Zeit für mich. Die Ärzte sagten mir, ich würde nie wieder singen können… Allein der Gedanke, nicht mehr live auftreten zu können, das ist etwas, das einen wirklich schockiert. Vor allem, wenn Singen das Einzige ist, was man sein ganzes Leben lang getan hat; und es dann nie wieder tun zu können, war definitiv meine größte Herausforderung, die ich zu bewältigen hatte.

Chris

Was hat dich nach der Veröffentlichung am meisten gefreut?

Ich glaube, die größte Freude war es, zu wissen, dass unsere Fans immer noch für uns da sind. Das hat uns alle tief berührt. Wenn man sich zu lange zwischen den Alben Zeit lässt, fragt man sich immer, ob die Leute einen noch interessant finden. Der lange Abstand zwischen den Veröffentlichungen war nicht beabsichtigt.

Hast du dich über die Resonanz bisher gefreut? Hast du das erwartet oder gab es etwas wirklich Überraschendes?

Ich war mit der Resonanz zufrieden. Man fragt sich immer, was die Fans und die allgemeinen Musikliebhaber von unserer eigenen Musik halten würden… Man kann es nicht allen so recht machen, aber solange ich weiß, dass mir mein Schaffen selbst gefällt, dann ist es auch das, was wirklich zählt. Wenn es den Leuten ebenso gefällt, dann ist das ein echter Bonus für mich.

Als ihr Dead Elysium geschrieben hat, dachtet ihr da auch nur im Entferntesten an diesen Alptraum, der nun geschieht? Würdest du irgendeinen Song / Text auf diesem Album aufgrund aktueller Ereignisse ändern?

Wie verrückt ist die Welt im Moment. Was jetzt passiert, kann am besten als Alptraum beschrieben werden, du hast Recht. Ich glaube nicht, dass wir irgendetwas ändern würden; was wir in jenem Moment geschaffen haben, repräsentiert das Gefühl und die Emotionen, die wir in dieser Zeit erlebt haben.

Wie geht ihr mit dem „Virus Blues“ um, persönlich und als Band? Hat sich zum Beispiel die Probenroutine geändert, oder habt ihr alle inzwischen 10 neue Bands/Soloprojekte gestartet?

Nun, für uns sind wir immer noch im Lockdown, also tun wir im Moment nicht viel. Leider keine Soloprojekte oder neue Bands … eine Band ist für mich genug, haha.

Bushy

Die Sache, die du von „vorher“ am meisten vermisst?

Ich würde sagen,meine Familie begrüßen.  Ich habe ein italienisches Blut, deshalb neigen wir dazu, jeden zu umarmen und auf die Wange zu küssen! Das können wir jetzt nicht mehr tun. Aber das was ich am meisten vermisse, ist auswärts essen gehen, mit meiner Frau, in meine Lieblingsrestaurants  usw.

Das Einzige, was sich nicht ändern sollte, auch wenn es bald eine Impfung gibt?

Die Zeit, die ich mit meiner Familie verbringe. Ich hätte das noch viel öfter tun sollen.

Siehst du einen positiven Aspekt, der sich aus der Covid-Situation ergeben hat?

Es ist schwer, etwas Positives zu sehen, aber ich denke, meine Zeit zu Hause war produktiv. Ich habe die Kraft meiner Stimme immer mehr aufgebaut. Ich glaube, das hat mich besser darauf vorbereitet, wenn wir wieder auf Tournee gehen.

Ist eine „Live-from-home“-Online-Show oder Ähnliches geplant, da eine Tournee wohl noch immer außer Frage steht?

Es gibt einige Ideen, die wir mit den Jungs diskutieren, u. a. einige Online-Shows zu machen, vielleicht werden wir das organisieren, wenn wir aus dem Lockdown herauskommen.

Wie sehen deine Hoffnungen und Erwartungen für 2021 aus (da das Jahr 2020 anscheinend völlig Kacke ist)? Oder, alternativ, wenn du Superkräfte hättest, um eine Sache zum Besseren zu verändern, was wäre das?

2021 würde ich gerne wieder auf Tournee gehen, hoffentlich sind alle Dinge, die Covid ausgelöst hat, dann verschwunden.
Wenn ich Superkräfte hätte, um die beste Holzofen-Pizza der Welt herzustellen, könnte ich die meisten Probleme der Welt heilen, glaube ich. Ich muss das alles perfektionieren in all der zusätzlichen Zeit, die mir zur Verfügung steht.

Kann Metal die Welt retten?

Oh JA, absolut!! Metal kann die Welt nicht nur retten, sondern die Welt könnte eine Menge von der Metalwelt lernen. Unsere Stärke durch die Kraft unserer Musik kann euch vor allem retten!!
Wir werden bald wieder auf Tournee gehen und hoffentlich etwas an Weltrettung betreiben 😉

Silvio Massaro ~ Just a human

Bonus: 7 Todsünden Interview

Bandwebsites:
www.vanishing-point.com.au
www.facebook.com/vanishingpointaustralia

photos: Vanishing Point/ photographer Peter Fundeis

Klaudia Weber

Rücksichts- und gnadenlose Diktatorin, kniet vor mir! Anders gesagt: Chefredakteurin, Übersetzerin, Webseiten- und Anzeigenverwaltung, also "Mädchen für alles" - - - Schwerstens abhängig von Büchern (so ziemlich alles zwischen Herr der Ringe und Quantenphysik) und Musik, besonders von Metal finnischer Prägung. Weiters Malen, Zeichnen, Film, Theater... also könnt ihr mit einer vielseitigen Website rechnen. Mag.phil., zwei in 5 Jahren parallel abgeschlossene Vollstudien (English & American studies, Medienkommunikation) und stolz darauf, denn als Mädel aus einer Arbeiterfamilie in einem erzkonservativ-katholischen Land ging das nur dank Stipendium und etwas später im Leben als andere....