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Les Riggs: „Einmal Schlagzeuger, immer Schlagzeuger“

Als sich Hanoi Rocks Ende der 1980er Jahre auflösten, übernahmen die Bandmitglieder verschiedene Projekte. Eine der erfolgreichsten Bands in der Nachfolge der legendären finnischen Glam-Rocker war Cheap And Nasty, die von 1990 bis 1994 in London aktiv war. Das Line-up dieser Glam-Rock-, Glam-Punk- und Hard-Rock-Band bestand aus dem ehemaligen Hanoi-Rocks-Gitarristen Nasty Suicide (git, voc), Timo Kaltio (git), Alvin Gibbs (bass) und Les Riggs am Schlagzeug. Letztgenannter Leslie „Les“ Riggs verrät uns mehr über die guten alten Zeiten, warum er – zumindest für eine Weile – genug vom Musikerdasein hatte und welche Reunion eventuell schon in naher Zukunft ansteht.

Wann hast du angefangen, Musik zu machen, Les?
Ich habe mit der Musik angefangen, lange bevor ich überhaupt ein Schlagzeug hatte. Ich war 14. Ich trommelte zu Schallplatten auf Kissen oder auf allem, was ich finden konnte. Seltsamerweise war das erste Instrument, das ich spielte, die Trompete, in einem Spielmannszug. Aber es zog mich unaufhaltsam zur Trommel, daher tauschte ich die Tröte bald gegen Bassdrum und Snare und lernte bald, wie man die Stöcke schwingt. Mit 16 hatte ich meine erste Band. Wir haben nur Covers gespielt, hauptsächlich Heavy-Rock von Twisted Sister, Ramones, usw.

Wann und wie hast du Mickey Finn kennengelernt?
Ich habe Mickey durch Timo kennengelernt. Die beiden teilten sich eine Wohnung auf der Straßenseite gegenüber, wo ich wohnte. Ich habe dort viel Zeit verbracht, hing gerne mit ihnen hab, wir haben Kaffee getrunken, Platten gehört und so weiter. Später spielte ich mit Mickey und Timo in Stronzo, einer fantastischen Rock’n’Roll-Supergruppe mit Sami Yaffa, Marc Ford von Burning Tree, später bei den Black Crowes, und Craig Ross von den Broken Homes, der später in der Band von Lenny Kravitz spielte. Das war einfach genial. Ein einmaliger Trip. Wir haben sogar für Mike Monroe im Whisky eröffnet.

Wann hast du Timo Kaltio von Hanoi Rocks getroffen? Wie war es, mit Timo zu spielen? Kannst du irgendwelche speziellen Erinnerungen an ihn mit uns teilen (er starb leider am 2. September 2021 in Helsinki)?
Ich habe Timo zum ersten Mal getroffen, als er als Roadie für die Cherry Bombz arbeitete. Ich traf ihn ein paar Jahre später, als ich gebeten wurde, bei Cheap and Nasty Schlagzeug zu spielen. Wir wurden sehr schnell gute Freunde. In den Jahren, in denen Cheap and Nasty nicht aktiv waren, hatten Timo und ich immer einen Nebengig am Laufen. Er war mein bester Freund. Mit Timo zu spielen war ein Riesenspaß. Er war ein großartiger Musiker, der für alles zu haben war. Sein Gitarrenspiel war stets etwas Besonderes, Interessantes, er war so vielseitig. Ich hätte eine Menge Erinnerungen an Timo, zu viele, um sie hier zu teilen. Woran ich mich besonders gerne erinnere in unserer gemeinsamen Zeit sind die Aufnahmen von Cool Talk Injection. Bei dieser Platte hat er wirklich alles gegeben. Er war sehr solide im Studio. Keine Allüren.

Wie hast du Rene Berg kennengelernt? Du hast auch für die Crybabys getrommelt.
Ich habe Rene durch Nasty kennengelernt. Die beiden hatten zusammen in ein paar Bands gespielt. Rene und ich wurden auch schnell gute Freunde. Ich habe viel Zeit mit ihm verbracht, was getrunken und Songs geschrieben. Eine weitere seiner Leidenschaften war Angeln. Also gingen wir oft angeln. Eines frühen Morgens begaben wir uns zum Serpentine See und legten ein paar Netze auf dem Grund aus. Wir stibitzten der Queen eine Menge Flusskrebse. Ich hielt sie in meiner Badewanne und kochte sie später aus Anlaß einer Dinnerparty, kredenzt mit einem guten Weißwein. Rene war so ein großes Talent. Ich durfte auf seinem Album und live singen und habe ein paar Mal in seiner Live-Band gespielt. Ich vermisse ihn.

Mit den Crybabys habe ich öfters gespielt. Ich habe ein paar kleine Tourneen mit ihnen gemacht und mit ihnen das Album Rock On Sessions aufgenommen (hört es euch an, es ist wirklich toll). Darrell hat mich und Nasty eine Zeit lang bei sich wohnen lassen, als wir beide obdachlos waren. Er war so ein toller Kerl. Ich lernte ihn bei einem Crybabys-Gig kennen. Ihr Schlagzeuger war einfach nicht aufgetaucht. Er fragte, ob ein Schlagzeuger im Haus sei. Ich meldete mich und setzte mich zur Band, obwohl ich sie noch nie vorher gehört hatte. Das war ein tolles Erlebnis. Es war auch cool, mit Honest John Plain zu spielen. Ich mag diese Jungs einfach sehr.

Könntest du uns etwas über deine aktuelle Band erzählen?
1999 bin ich völlig aus dem Musikgeschäft ausgestiegen. Ich habe mit den Godfathers gespielt und hauptsächlich Europatourneen gemacht. Es machte mir Spaß, aber mein Herz war nicht mit dabei. Ich wollte mein eigenes Ding machen und beschloss, lieber zur Schule zu gehen, also wurde ich Akademiker. Ich dachte, ich hätte dieses Leben hinter mir gelassen, aber einmal ein Schlagzeuger, immer ein Schlagzeuger. Es liegt mir im Blut, es ist Teil meines Wesens. Ich kann es einfach nicht lassen. Ich habe eine kleine Band und wir rocken eigentlich nur in meinem Jam-Room bei mir zu Hause ab. Wir nennen uns die Participation Trophies. Ich schreibe auch immer noch Songs.

Deine aktuellen Pläne und Projekte?
Was neue Projekte angeht, so ist bei Cheap and Nasty einiges in Arbeit. Nach einer fast 30-jährigen Pause überlegt die Band ernsthaft, einige neue Aufnahmen zu machen. Einige Songs sind bereits geschrieben und wurden über das Internet verbreitet. Ich kann derzeit nicht viel darüber sagen, außer dass ich mich darauf freue, wieder mit den Jungs zusammenzuarbeiten, – natürlich Timo ausgenommen, und seine Abwesenheit wird spürbar sein. Wir versuchen auch, unsere 2 Alben erneut in der Welt zu verbreiten. Es wäre großartig, wenn wir das schaffen könnten. Beautiful Disaster wurde nie veröffentlicht und Cool Talk Injection nur in Japan. Es gibt auch einen Haufen Demos von Songs, die es nie auf ein Album geschafft haben und die ziemlich gut klingen. Haltet die Augen offen. Mehr dazu in naher Zukunft.

Ist Rock’n’Roll für dich noch lebendig? Macht es dir immer noch Spaß, deine Musik zu spielen?
Rock’n’Roll ist meine Seele. Er ist das, was ich bin. Nur weil ich nicht mehr aktiv im Geschäft bin, kann mir das niemand nehmen. Ich liebe es, Schlagzeug zu spielen und zu singen. Ich habe nie ein Publikum gebraucht, um Spaß an der Musik zu haben. Ich bin durchdrungen von Musik. Ich bin immer noch ein großer Fan. Ich liebe es, neue Bands und Künstler kennenzulernen und zu entdecken. Das wird sich nie ändern oder verschwinden.

Text: John Wisniewski, Fotos von Les Riggs FB Seite

GastmitarbeiterInnen / guest contributions

Reguläre GastmitarbeiterInnen u.a. Melanie Kircher, Tatjana Tattis Murschel, Grit Kabiersch, Marina Minkler, Maria Levin, Jasmine Frey, Nina Ratavaara, Elvira Visser, John Wisniewski