Fresh ActInterviews

Evestus – Fresh Act April 2017

Unser neuer Fresh Act stammt aus Estland, die wir uns wieder mal vor ein paar Tagen live beim Findustry HRC Event  – hier die Fotos – angesehen hatten.

Wer seid ihr – könnt ihr die Bandmitglieder kurz vorstellen?
Hey! Wir sind Evestus – ich bin Ott Evestus, Gründer und Frontmann der Band, unser aktuelles Line-Up besteht aus unserer Schlagzeugerin Tanya, dem Gitarristen Simo und HK, der Keyboard spielt.

Wie habt ihr einander kennengelernt, und wann / warum habt ihr diese Band gegründet?
Ich mache die Musik ganz alleine, aber ich wollte nicht alleine mit einem Laptop auf der Bühne stehen, also formierte ich eine Live-Band, um die Musik realer klingen und sich anfühlen zu lassen, und ich würde auch nicht mehr auf Solo-Auftritte zurückkommen wollen.

Wie würdet ihr euren Musikstil beschreiben, und wie hat sich dieser entwickelt? Wo sind eure Wurzeln und Einflüsse?
Ich würde es Industrial Rock nennen, denn ich mag, wie sich das anhört! Ich schreibe die Musik, ohne mich in Richtung Sounds oder Instrumenten zu beschränken. Allerdings benutze ich gerne schöne Melodien und Harmonien, gemischt mit hartem Droning von Gitarren und verzerrten Beats – was dabei herauskommt, tendiert meist in Richtung Ministry, Nine Inch Nails und Marilyn Manson.

War es ein bestimmtes Erlebnis oder Song, das Dich dazu inspirierte, Musiker zu werden?
Nicht wirklich – die Musik war einfach ein Ausweg für mich aus meinem Leben. Jeden Tag kam ich nach Hause aus der Schule, wo ich lächerlich gemacht, runtergemacht und ausgegrenzt wurde, legte Slipknot, Nine Inch Nails oder Korn auf, und sie halfen mir durch den Schmerz und Hass, der sich tagsüber aufgestaut hatte. Und so vergingen die Jahre – jetzt mache ich Musik, um anderen Kids zu helfen, denen es ebenso ergeht wie mir damals.

In welchen Bands hast du vorher gespielt, und hast du noch Nebenprojekte?
Ich habe in verschiedenen Bands Schlagzeug gespielt und war Frontmann einer Nu-Metalband namens Solwaig, aber ich wollte volle kreative Kontrolle haben, also erschuf ich EVESTUS.

Wie schreibt ihr die Musik und Texte – ist es Teamwork?
Die Texte handeln davon, was ich durchmachte und wie ich die Welt um mich herum sehe. Die Songs sind sehr persönlich, alos schreibe ich alleine die Musik, um die Atmosphäre einzufangen. Wenn ich die Songs in den Proberaum bringe, dann machen wir einen Re-Mix mit der Band, um eine Live-Version zu erschaffen, und daher können die Songs anders klingen bei den Konzerten als auf der Platte. Ich denke, auf diese Weise ist die Performance echter und direkter, weil so die Bandmitglieder sich selbst in die Songs einbringen können und nicht nur das spielen, was ich ihnen gebe.

Steckt eine bestimmte Philosophie hinter deinem Schaffen, oder woher kommt die Inspiration?
Falls es was geben sollte, dann ist es die Freiheit, du selbst zu sein, die Freiheit ebenso intensiv zu hassen wie zu lieben, die Freiheit, nicht alles zu tolerieren, was die Gesellschaft von dir fordert. Wir sind alle menschlich und wir sind im Inneren nicht gerade schön. Aber wenn wir ständig versuchen, unsere dunkle Seite zu verbergen, dann glaube ich machen wir auf längere Sicht unsere Probleme nur noch grösser.

Wie kamst du auf den Bandnamen – steckt da eine Geschichte dahinter?
Der Name ist in der Tat mein Familienname und ich begann ihn zu benutzen, denn so nannten mich die Leute, und der Name ist einzigartig genug, um herauszuragen. Aber ich glaube, die Bedeutung des Namens wird das sein, was ich daraus mache durch meine eigenen Handlungen. Ich glaube zum Beispiel, dass Smashing Pumpkins (Kürbisse Zermantschen) ein unglaublich blödsinniger Name ist, aber es gibt wohl niemanden, der diese Band kennt, der glaubt, dass die ein Witz sind 😀

Wie ist es so in eurer Heimat, eine Rock / Metalband (in eurem spezifischen Genre) zu sein?
Es ist Scheisse. Das Land ist klein und das gilt ebenso für die Szenen. Aber das wusste ich von Anfang an und habe mich daher eher als internationaler Künstler gesehen als ein örtlicher. Das Internet hat die Welt geöffnet, also gibt es heutzutage keinerlei Sorgen hinsichtlich Landesgrenzen mehr. Die meisten unserer Shows in den letzten Jahren fanden ausserhalb von Estland statt.

Was sind deine Ziele, Träume, was willst du mit der Musik und der Band erreichen?
Da draussen gibt es eine Menge Leute, die ebenso fühlen wie ich, welche dieselbe Scheisse durchmachten beim Erwachsenwerden, oder das gerade jetzt durchmachen. Es gibt Leute da draussen, die innerlich nicht gut drauf sind, die innerlich zerbrochen sind an dieser Welt und diese Leute sollten wissen, dass sie nicht alleine dastehen. Ich will diese Leute erreichen und ihnen helfen, sie zueinander bringen. Ich will die Industrial Music am Leben erhalten und die Kids inspirieren und ein Beispiel für sie sein, dass es auch eine andere Möglichkeit gibt, Musik zu machen – nicht alle müssen sich dem Glee Club anschliessen. Du kannst deine eigene Musik auf deine eigene Weise machen, ohne irgendwelchen Regelungen von anderen zu folgen, und das kann ganz toll sein. Es muss Leute geben, die aktiv gegen die Mainstream-Scheisse ankämpfen. Nur weil der Mainstream heutzutage so vielfältig ist, heisst das nicht, dass er mehr Zweck und Tiefgang hat als noch vor 20 Jahren.

Was machst du im „richtigen Leben“, wenn du keine Musik machst?
EVESTUS ist mein richtiges Leben. Nebenbei arbeite ich im RoundSound Studio – es ist das grösste und beste Aufnahmestudio in Tallinn, wo Bands wohnen und innerhalb einer Woche ein Album aufnehmen können, ohne den Ort verlassen zu müssen. Es ist toll, wie viele tolle Leute hier ankommen, wir hatten sogar grosse finnische Acts wie etwa Korpiklaani, und alle Alben von Metsatöll wurden ebenfalls bei uns aufgenommen.

Siehst du dich nach einer Plattenfirma um oder willst du bei DoItYourself bleiben?
Ich will nur meine Musik schreiben und damit auftreten. Ich hasse Leute, ich hasse Business, ich hasse Buchhaltung. Wenn mir ein Label das alles ersparen könnte, hätte ich kein Problem, denen die Hälfte meiner Tantiemen zu überlassen.

Was sollte die ideale Plattenfirma für dich tun?
Mir in den Hintern treten, damit ich Platten innerhalb von Deadlines gebacken kriege und mir beim Veröffentlichen, Promoten und Vertreiben helfen.

Wie geht es bei euren Live-Shows ab? Wie sieht euer perfektes Venue aus?
Wir spielten Gala-Shows als 9köpfiges Ensemble, mit 2 Percussionisten und einem Celloquartett, und wir spielten als Trio in düsteren winzigen Clubs und ich verrate nur eines – das perfekte Venue ist ein volles Venue!

Hast du eine wüste, absurde Story auf Lager, was etwa bei Gigs oder auf Tour schiefging?
Tja im vergangenen Jahr tourten wir mit MINISTRY in Russland, und nach der letzten gemeinsamen Show hing ich in derem Backstageraum ab, es gab Umarmungen und Abschiedsküsse, ich sagte allen Adieu, alles im Stil grosser Abgang – ins Backstage-Klo. Dessen Tür war neben dem Ausgang. Also atmete ich tief durch, kam aus dem Klo wieder raus und alle grinsten „hey endlich fertig? Bei dem grossen Abgang dachten wir, du gehst jetzt“ …

Wenn du dir frei eine Band aussuchen könntest, mit welcher Band würdest du gerne touren, und warum?
Ich hatte bereits das Glück, mit Ministry und Youth Code zu touren – klar, ich würde gerne die Bühne mit Nine Inch Nails oder Marilyn Manson teilen, aber wenn du mit jemandem auf Tour bist, ist es wichtiger, wie sie die 23h abseits einer Bühne sind, also kämen da eher Die Antwoord beispielsweise in Frage, mit denen wir sicher viel Spass hätten 😀

Die Erfindung / Innovation, die du in deinem Leben noch brauchst, und warum?
Zeitmaschine? Dann könnte ich zurückgehen und diverse Dinge in meinem Leben ungeschehen machen. Aber andererseits wäre ich dann nie Künstler geworden.

Was hast du in (naher) Zukunft vor?
Dasselbe wie immer – die Weltherrschaft.
Ich arbeite mit dem Produzenten Ade Fenton (Gary Numan) am neuen Evestus Material, also ist das ricchtig aufregend für mich, und mehr will ich nicht verraten.

Bandwebsite      Fotos: Grete „Stitch“ Laus

Evestus - No God [Official Music Video] (Industrial Rock)

Klaudia Weber

Rücksichts- und gnadenlose Diktatorin, kniet vor mir! Anders gesagt: Chefredakteurin, Übersetzerin, Webseiten- und Anzeigenverwaltung, also "Mädchen für alles" - - - Schwerstens abhängig von Büchern (so ziemlich alles zwischen Herr der Ringe und Quantenphysik) und Musik, besonders von Metal finnischer Prägung. Weiters Malen, Zeichnen, Film, Theater... also könnt ihr mit einer vielseitigen Website rechnen. Mag.phil., zwei in 5 Jahren parallel abgeschlossene Vollstudien (English & American studies, Medienkommunikation) und stolz darauf, denn als Mädel aus einer Arbeiterfamilie in einem erzkonservativ-katholischen Land ging das nur dank Stipendium und etwas später im Leben als andere....

Schreibe einen Kommentar