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Kilt.: “Wir sind das Problem und wir sollten die Lösung bereitstellen”

Zugegeben, Kilt. (Kilt-dot) bietet Musik, die wohl kaum als “Easy listening” durchgeht – und doch packend und ziemlich hypnotisch rüberkommt und für spannende Live-Erlebnisse sorgt. Da es JournalistInnen nicht leicht fällt, diesen Sound generell und speziell das neue Album zu beschreiben, gibt uns Sänger Teemu einige Hintergrundinformationen zu „Reversal“ und den einzelnen Songs:

Kilt. Reversal 


Hi! 
Ich bin Teemu Ruokonen. Der Sänger der Band Kilt, und verantwortlich für die Musik und die Texte.

kilt (4)

Ich möchte mir hier die Zeit nehmen, um euch ein bisschen was über Kilt zu erzählen, und den Schaffensprozess von Reversal.

 Kilt. wurde im Jahr 2000 gegründet, zunächst als Instrumental-Band, aber nach einigen Jahren wurde es deutlich, dass wir auch Gesang bieten mussten, damit unsere Botschaft an das Publikum etwas deutlicher wird. Wir nahmen das erste Album EVERYTHING/NOTHING mit einer Reihe verschiedener Sänger auf, die wir gebeten hatten, zu den Songs etwas beizutragen. Das funktionierte grossartig und meiner Meinung nach klingt das Album auch heute noch sehr interessant und anders, weil die Musik nicht mit einer spezifischen Stimme verbunden ist.

Wir hatten so viel Arbeit hineingesteckt, damit es funktioniert, aber für ein Konzert war es nahezu unmöglich, all diese Sänger auch wirklich teilnehmen zu lassen, also entwickelte sich mit der Zeit eine einfachere Form, wo wir versuchten, selbst die Gesangspflichten zu übernehmen. Dann kam der Zeitpunkt, als wir begannen, das Reversal-Material aufzunehmen, zirka um 2010. Wir beschlossen, es bei diesem Album mit minimaler Unterstützung von ausserhalb der Band zu belassen. Als die CD fast fertig war, entschlossen wir uns zum bisher grössten Wechsel im Line-Up in der Geschichte von Kilt. – ich verliess meinen Platz an den Drums und wurde der Sänger (da ich ja für die Texte verantwortlich bin), und wir konnten das Multi-Talent Mikko Herranen – der schon seit vielen Jahren zum engen Kreis der Band zählte – als neuen Drummer gewinnen. In den letzten Jahren gab es einige weitere Veränderungen, und unser Line-Up entwickelte sich in die nun aktuelle Besetzung.

Das Konzept:
Reversals Thema konzentriert sich auf die Geschehnisse, die zum Ende der Welt führen – rückwärts erzählt. Je mehr du hörst, desto weiter entfernst du dich vom Moment der Apokalypse.

Der Prozess
Wir nahmen das Album selbst auf bei einigen einzigartigen Sessions mit Mikko an den Reglern. Wir nahmen in unterschiedlichen Lokalitäten auf, wie das Noise Floor Studio, unser Proberaum und einige Sommerhäuschen. Es brauchte ungefähr ein Jahr, um die Aufnahmen abzuschliessen. Wir hatten es nicht eilig.
Die Texte:
Dies ist ein Konzeptalbum, also gehen die Texte Hand in Hand mit der Geschichte. Ich versuche immer, verschiedene Bedeutungen in meinen Texten zu verstecken, sodass jeder Song auf verschiedene Weisen interpretiert werden kann. Mir gefällt es, Politik und mein persönliches Leben miteinander in ein und demselben Song zu vermischen.

Die Einflüsse:
Unsere musikalischen Einflüsse sind unbegrenzt, aber ich glaube, dass dieses Album hauptsächlich von Bands wie Radiohead, Meshuggah, Massive Attack, The Dillinger Escape Plan, MoHa! and Nine Inch Nails.Books like Humanity, 1984, The World Without Us, The Road, The official report by FEMA of 9/11. Movies like The Road, Wall-E, Zeitgeist, Mad Max und Terminator beeinflusst wurde.

KILT. - Solution

Die Lieder:

1. Cassolette: Den ersten Klang, den du hörst, mit dem das Album beginnt, ist der Klang des Endes der Welt. Ich kann nicht definieren, was das ist oder wie die Welt endet, aber für mich ist es ein ruhiger und unheimlicher Klang, der aus völliger Leere hervorgeht. Trivia: Das gesprochene Wort stammt von unserem lieben Freund Matias Celayes, der auch das Video für „Solution“ gedreht hat.

2. EEPA: Eine göttliche Intervention.
Der Zorn Gottes. Dies ist der Punkt, wenn alles bereits völlig hinüber ist und man dem Ende nicht mehr entkommen kann. Gott hat ein Jahrtausend geschlafen und als er erwacht, sieht er, was die Menschheit der Erde angetan hat und er ist zu Recht stinksauer. Trivia: Der Name des Songs stammt aus Die Simpsons – Der Film; aus jener Szene, in der Großvater Simpson auf dem Fußboden der Kirche ausgestreckt auf der Seite liegend im Kreis läuft und dabei „EPA!“ ruft.

3. Memoirs Calm Before The Storm:
Dieser Song ist weder auf dem Booklet noch auf dem CD-Cover aufgelistet. Auf gewisse Weise ist dies ein Song, der ein Schattendasein führt. Ursprünglich war er Teil von „The Witness“, aber dann beschlossen wir, den Song in zwei verschiedene Tracks umzufunktionieren. Er stellt ein Intro für „The Witness“ dar, also weist er auch ein paar Melodien davon auf. Trivia: Wir haben viele Stunden in einer großen Hütte damit verbracht, um ein paar fette Percussions für diesen Song aufzunehmen. Die gesamte Band saß in einem Kreis mit einem Haufen von verschiedenen Trommeln und Schlagzeugen. Alle sind sich einig, dass dies der größte Moment während der Aufnahmen für dieses Album war. Letzten Endes benutzen wir keine der Schlagzeuge.

4. The Witness:
Die Tiere haben genug gesehen von der Grausamkeit des Menschen und somit beenden sie ihr Leben und lassen die Menschen zurück, damit sich diese alleine durchschlagen müssen. Für mich ist das der ultimative Kilt Song. Textlich hebt er die Thematik des Albums hervor. Musikalisch deckt er alle grundlegenden Kilt Stimmungen ab. Trivia: Das Album-Cover wurde mit dem Text dieses Songs im Hintergedanken gestaltet. Anfangs wollte ich, dass die Illustration einen Wal auf dem Cover zeigt, aber dann fiel uns auf, dass nicht sehr viel mit dem Wal dort passiert, also ersetzen wir ihn durch Pferde. Eine gute Entscheidung.

5. Continue:
Dies ist der Wendepunkt, an dem die Menschen scheitern, angesichts ihrer baldigen Zerstörung entsprechend zu handeln und einfach weitermachen, ihre Grausamkeiten zu begehen. Dies dürfte der älteste Song auf dem Album sein. Er hat diese Trip Hop Stimmung. Hört ihn euch laut mit guten Lautsprechern an, sodass ihr das untere Ende wahrhaftig spüren könnt. Trivia: Wir haben eine elektronische Bariton-Gitarre verwendet und einen Bogen als provisorisches Cello. Mit selbstverständlich einer Menge an Fuzz-Effekten!

6. Solution:
Es gibt noch einen Funken Hoffnung für die Menschheit und ein paar Leute versuchen noch, ihre Führer davon zu überzeugen, das Richtige zu tun. Trivia: Das erste Gitarrenriff hat dieselbe Taktart für die Gesamtheit seiner Existenz beibehalten, aber die Noten haben sich schätzungsweise 25 Mal geändert; somit ähnelt die Endfassung dem Original ganz und gar nicht. Uns gefiel die Taktart von Anfang an, aber es dauerte eine ganze Weile, um die richtige Melodie zu finden. Mehr Trivia: Die Phrase „We are the problem and we should provide the solution“ stammt aus einer Dokumentation über Plastik. Ich kann mich nicht an den Titel der Dokumentation erinnern, aber eine sehr weise Dame sagte genau diese Worte, die mich verblüfften. Der Satz wurde das Schlagwort des Albums. Der zentrale Punkt der Geschichte. Das Motto des Lebens.

7. Keys In Our Hands:
Das Gitarrenriff wurde von unserem früheren Gitarristen Pasi Kuutti komponiert. Es entstand aus einem kurzweiligen Spaß heraus und wurde letztendlich ein Schlüsselelement der Geschichte des Albums. Die Aussage ist einfach und kraftvoll und richtet sich an Führer und Banker dieser Welt. Trivia: Der Drum Beat wurde per Hand an einem Korg Electribe Sampler gespielt und wurde beim ersten Versuch aufgenommen. Das ist merkwürdig, weil es so willkürlich und improvisiert ist.

8. Until We Expire:
In diesem Stadium beginnen die Menschen zu begreifen, dass sie einfach nicht so weitermachen können wie bisher und viele von ihnen schreien nach Veränderung. Trivia: Der seltsame einzelne Sound in der Mitte des Songs entstand durch einen Zufall, der durch eine schlechte Verbindung der Gitarre mit dem Verstärker ausgelöst wurde. Esa sollte eine Melodie spielen und als er die Gitarre an den Verstärker anschloss, verselbstständigten sich die beiden und wir drückten augenblicklich die Aufnahmetaste; und das war’s.

9. Dead In The End:
Die Führer versuchen die Leute davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung sei – bitte hört auf, für euch selbst zu denken und macht damit weiter, zu konsumieren. Unsere frühere Bassistin Pia singt hier mit. Wir haben versucht, eine schizophrene Atmosphäre für die Verse zu erzeugen, und ich glaube, das haben wir erreicht. Der letzte Teil soll voller Hoffnung, geschnürt mit dem Gefühl, dass alles in Ordnung kommen wird, klingen. Trivia: Während des Aufbaus inmitten des Songs spielt Mikko die Drums über dem linken Lautsprecher und ich spiele über dem rechten; somit ist dies auf gewisse Weise der Moment des Übergangs von einem Schlagzeuger zum anderen.

Kilt. (ehemals): Teemu Ruokonen, Schlagzeug. Esa Pajunen, Gitarre. Matias Aaltonen, Keyboard & Samples. Pia Pulkkinen, Bass. Pasi Kuutti, Gitarre.

Kilt. 2013: Teemu Ruokonen, Gesang. Esa Pajunen, Gitarre. Matias Aaltonen, Bass. Mikko Herranen, Schlagzeug. Olli Ketola, Gitarre. Wille Hartonen, Keyboard & Samples.

Als Band sind wir lebendig und uns geht es gut. Wir proben momentan für unsere bevorstehenden Gigs und für unser nächstes Album, welches 2014 erscheinen wird. Ich hoffe, ihr werdet ein paar intensive Momente mit diesem Album erleben und ich hoffe auch, dass ihr es euch öfter anhören werdet, denn es ist kein leichtes Album zum Anhören. Es wird an euch wachsen, wenn ihr ihm etwas Zeit gebt. Entweder wird es so sein, oder wir haben auf ganzer Linie versagt. Danke schön!

Im Namen von Kilt.: Teemu Ruokonen
Autor: Teemu Ruokonen, transl. A.Venho

GastmitarbeiterInnen / guest contributions

Reguläre GastmitarbeiterInnen u.a. Melanie Kircher, Tatjana Tattis Murschel, Grit Kabiersch, Marina Minkler, Maria Levin, Jasmine Frey, Nina Ratavaara, Elvira Visser, John Wisniewski