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Hammer Open Air 2013

19.-20.07.2013, Mannin Navetta, Lieto, Finnland

FREITAG

Die Rezession der letzten Jahre hat auch die finnischen Festivals nicht unberührt gelassen. Schon mehrere kleinere Veranstaltungen, unter anderem das legendäre Pellavarock, sind eingegangen und werden schmerzlich vermisst. Glücklicherweise gibt es aber auch eine Handvoll Neuzugänge, die sich teilweise recht erfolgreich der guten Sache verschrieben haben. Einer davon ist das Hammer Open Air, das in diesem Jahr zum vierten Mal stattfand und es in diesem relativ kurzen Zeitraum bereits geschafft hat, sich als führendes Extreme-Metal-Festival in Südfinnland zu etablieren. Sein derzeitiger Veranstaltungsort ist ein rustikaler Bauernhof in Lieto fernab der Zivilisation, wenn auch nicht allzu weit von Turku.

Da der erste Tag ein Arbeitstag war und wir den ganzen Weg von Helsinki kamen, verpassten wir die ersten paar Bands; weiter hinausgezögert wurde unsere Ankunft durch die Tatsache, dass wir fast eine Stunde auf den Shuttle-Bus warten mussten, der uns von der Innenstadt von Turku zum Festivalgelände brachte. Abgesehen davon war der Shuttle-Service aber gut organisiert, wie auch die Veranstaltung als Ganzes.

Die einzige lange Schlange war am Imbiss-Stand, vielleicht sollte es nächstes Jahr zwei davon geben oder zumindest eine separate Kaffeebude. Das Layout der Anlage ist kompakt und sinnvoll; ein weiteres Plus war, dass es keinen separaten Schankbereich gab und das Bier auch mit vor die Bühne genommen werden durfte.

Eine der Bands, die wir aufgrund ihrer frühen Showtime verpassten, war Horna, was schade war, da sie einen Nostalgieset mit Ex-Sänger Nazgul angekündigt hatten, der sicher sehenswert gewesen wäre.

Wir schafften es aber rechtzeitig zu den ebenfalls einigermaßen legendären Morrigan aus Deutschland. Da das aus Schlagzeuger Balor und Sänger / Gitarrist Beliar bestehende Duo ohne zusätzliche Musiker auf der Bühne stand, war der Sound ein wenig dünn , wodurch andererseits der Gesang besser zur Geltung kam. Neben dem aktuellen Material wurde auch der früheren Bandinkarnation Mayhemic Truth mit ein paar Songs Tribut gezollt. Die zweite Hälfte des Sets hörten wir vom Schutz des Bierzelts aus, weil es angefangen hatte zu regnen, aber zum Glück besserte sich das Wetter bald und blieb für den Rest des Wochenendes schön.


Während Morrigan sowohl vom Outfit als auch vom Sound her an die allmächtigen Bathory erinnerten, war es die folgende Band – Deathchain – die selbige mit einer Coverversion ehrten, nämlich „Sacrifice“. Eine etwas überraschende Geste von einer Band, die eigentlich eher für flotten Death/Thrash Metal bekannt ist, aber vielleicht ein Hinweis auf ihre zukünftige Richtung – das neue, ziemlich melodische Album Ritual Death Metal hat zweifellos einige Black-Metal-Vibes. Aber Genrediskussionen beiseite, Deathchain ist eine geile Liveband mit tonnenweise Energie und bildeten einen guten Kontrast zu den vergleichsweise statischen Morrigan.


Stormheit klang besser als erwartet – Herrn Stormheits nationalistische (ganz zu schweigen von homophoben) Äußerungen machen es leider unmöglich, die Band allzu ernst nehmen, aber auf der Bühne sie sind eher amüsant als ärgerlich und ihr melancholischer Folkmetal ist durchaus hörbar. Trotzdem waren ein paar Songs genug und die Versuchung, mit ein paar Freunden außerhalb des Geländes eine kleine Pause zu machen, war zu groß, um ihr zu widerstehen. Es ist längst nicht auf jedem finnischen Festival erlaubt, den eigenen Alkohol an der Garderobe zu bunkern und sich dort beliebig oft zu bedienen, aber Hammer ist das kein Problem, was wir sehr zu schätzen wussten.


Als nächstes waren Sacrilegious Impalement an der Reihe, und sie traten ordentlich Arsch. Die Truppe aus Lahti lieferte rohen, finsteren und brutalen Black Metal, nichts mehr und nichts weniger. Das einzige Problem ist, dass sie sich nicht wesentlich von den Hunderten ähnlicher Bands unterscheiden, und zumindest von dieser ersten Live-Begegnung blieb kein Song oder sonstiger Moment großartig im Gedächtnis hängen. Aber als Anheizer für die nächste Band machten sie allemal einen einwandfreien Job.


Bei besagter Band handelte es sich um niemand Geringeres als die norwegischen Gorgoroth, die Finnland in den letzten Jahren nicht allzuoft heimgesucht haben. Das Mikrofon derzeit von Taake-Sänger Hoest bemannt – anscheinend nur vorübergehend, aber seiner Bühnenpräsenz kann auf alle Fälle kein Mangel an Engagement nachgesagt werden. Im Gegenteil, seine Motivation schien auch auf die übrigen Bandmitglieder überzuspringen, von denen Infernus der einzig verbliebene Gründer ist. Der Opener „Bergtrollets Hevn“ war eine klare Absichtserklärung: Die Setlist war beschränkte sich weitestgehend auf die ersten fünf Alben, der einzige etwas neuere Song war „Forces of Satan Storms“, und der ist auch schon zehn Jahre alt. Ein neues Gorgoroth-Album ist derzeit in der Mache, aber für den einzigen Festivalauftritt des Sommers 2013 war der fette Nostalgie-Set eine optimale Wahl.


Die Heimat der vorletzte Band des Abends ist ungefähr so ​​weit von Norwegen entfernt wie Europa reicht: Dead Congregation stammen aus Griechenland. Keine von uns hatte bis dato von ihnen gehört, sie haben allerdings auch erst ein Album herausgebracht. Mit solidem Death Metal lieferten sie etwas Kontrastprogramm zwischen norwegischer Düsternis und schwedischem Doom, aber nach ein paar Stücken war es Zeit für eine kleine Bierpause zwecks Vorbereitung auf den krönenden Abschluss des Abends.


Wie ernst auch immer Candlemass ihre Ankündigung meinen, nie wieder ein Album aufzunehmen (so behauptet nach dem letztjährigen Psalms For The Dead), live auf der Bühne zeigten sie nicht die geringsten Anzeichen von Müdigkeit. Seit der Veröffentlichung besagter Scheibe gab es einen Sängerwechsel: statt Robert Lowe – der seinerseits erst vor einigen Jahren Messias Marcolini ersetzt hatte – stand nu Mats Levén von Therion am Mikro. Er leistete gute Arbeit, sowohl bei den neuen Songs wie dem Opener „Prophet“ und dem wunderschönen „Waterwitch“ als auch bei den alten Sachen, darunter dem zum Abschluss dargebotenen, mittlerweile 27 Jahre alten „Solitude“. Es war ein bisschen schade, dass kein Song vom hervorragenden 2009er Album Death Magic Doom gespielt wurde, aber knapp drei Jahrzehnten in einem 12-Song-Set einigermaßen gerecht zu repräsentieren, ist eine Aufgabe, die Kompromisse fordert. Alles in allem eine tolle Show und ein perfekter Ausklang des ersten Festivaltages.

SAMSTAG

Ihr legendärer Status als eine der ersten bedeutenden finnischen Death-Metal-Bands hätte einen späteren Zeitschlitz gerechtfertigt, doch Abhorrence waren gezwungen, schon vor drei Uhr nachmittags loszulegen, da ihr Leadgitarrist nur vier Stunden später im Helsinkier Olympiastadion antreten musste – als Anheizer für Iron Maiden. Was beweist, dass Tomi Koivusaaris im Jahr 1990 getroffene Entscheidung, Amorphis beizutreten und Abhorrence hinter sich zu lassen, nicht ganz falsch gewesen sein kann – doch die Wiedervereinigung der letzteren für drei Shows war ein klares Highlight dieses Sommers, und auf dem HOA klangen sie sogar noch besser als auf dem Tuska. Angesichts der Energie der Band und der offensichtlichen Wertschätzung seitens des Publikums (uns eingerechnet) ist eine Schande, dass keine weiteren Gigs geplant sind – aber man sollte niemals nie sagen…

Im Falle von Ram aus Schweden ist dagegen bis auf Weiteres nicht mit Kultstatus zu rechnen. Sie klangen wie ein Relikt aus den frühen achtziger Jahren, und wären auf dem Sauna Open Air besser aufgehoben gewesen. Nicht direkt langweilig, aber eben erst recht nicht originell, und mit dem Verklingen des letzten Tons bereits wieder vergessen.

Während Estlands Folkmetal-Helden Metsatöll einigermaßen häufig auf der gegenüberliegenden Ostseeküste einfallen, lassen sich ihre lettischen Amtskollegen Skyforger eher selten blicken. Für ihren Auftritt beim Pagan-Might-Minifestival in Helsinki 2006 hatte sie ein wahres Arsenal von Folk- und mittelalterlichen Instrumenten mitgebracht; beim Hammer beschränkten sie sich auf eine gewöhnliche Rock-Instrumentierung. Schade eigentlich, aber der Gig als solcher litt darunter nicht allzusehr, und die Setliste deckte nichtsdestotrotz die gesamte Bandgeschichte ab. Wie das Publikum, war auch die Band eindeutig in Partylaune, insbesondere der ständig Grimassen schneidende Bassist Zirgs.


Die Party ging weiter mit Bulldozer, einer Thrash-Metal-Band aus Italien mit einem Sinn fürs Dramatische. Die Show-Elemente standen jedoch nicht ganz so sehr im Vordergrund wie beim Tuska vor ein paar Jahren; der Fokus lag diesmal mehr auf der Musik selbst als auf den Bühnenrequisiten. Das Ergebnis war dadurch allerdings aus Zuschauerperspektive weniger interessant, sprich ein guter Moment für eine kleine Pause.


Während Bulldozer ihrem Namen nicht ganz gerecht wurden, ließ die folgende Band auf der Nahchbarbühne – für ultimativen Besucherkomfort waren die zwei Bühnen nur wenige Meter voneinander entfernt – keinen Stein auf dem anderen: Repulsion. Die US-Pioniere haben in ihrer Geschichte nur ein Album veröffentlicht, Horrified (1986), aber selbiges wurde zu einem der Eckpfeiler des Grindcore, und die Jahre haben die Band kein bisschen an Härte gekostet. Scott Carlson und seine beiden Begleiter lieferten eindeutig den brutalsten Frontalangriff des Tages, und obwohl die Band erklärt hat, nie wieder neues Material zu veröffentlichen, haben sie mit einer Nostalgietruppe verdammt wenig gemein.


Als nächstes an der Reihe war dagegen die in vielerlei Hinsicht interessanteste, und ohne jeden Zweifel die exotischste, Band des Tages: Sigh aus Japan. Die fernöstlichen Avantgarde-Metaller beeindruckten sowohl optisch als auch musikalisch, wobei das Fronduo naturgemäß im Mittelpunkt stand. Stilvoll in schwarz und pink gekleidet, teilten sich Mirai und Mikannibal – laut Presseberichten mittlerweile auch privat ein Paar – gleichberechtigt Gesangs-, Growl- und Bibelopferungspflichten. Mikannibal setzte außerdem mit ihrem Saxophon Akzente, einem Instrument, das man auf dem Hammer Open Air nicht unbedingt erwarten würde. Dass die Band nichtsdestotrotz auch ihren Black-Metal-Wurzeln die Treue hält, wurde unter anderem mit „Desolation“ nachdrücklich demonstriert. Cool!


Während Sigh eine positive Überraschung bildeten, waren im Falle von Hell die Erwartungen von vornherein hoch gesteckt, und wir wurden nicht enttäuscht. Der Preis für den charismatischsten Sänger des Wochenendes gebührt ganz klar David Bower. Schon beim Tuska-Gig vor zwei Jahren hatte der professionelle Schauspieler einen Auftritt hingelegt, dessen Theatralik Shakespeare zur Ehre gereicht hätte, und auch in Lieto war er in Topform. Mit seiner begnadeten Stimme würde er auch ohne Spielereien jeden beeindrucken, aber natürlich erhöhten Umhang, Dornenkrone und sonstige Requisiten die dramatische Wirkung erst recht. Der Fairness halber sei erwähnt, dass auch seine Bandkollegen einen makellosen Job hinlegten, sie blieben jedoch von Anfang bis Ende im Schatten ihres extravaganten Sängers.


Secrets Of The Moon war eine weitere Band, die wir uns im Voraus gefreut hatte, aber zwischen den wahren Highlights des Wochenendes – und im Vergleich zu ihren eigenen früheren Shows, zum Beispiel auf dem Metalheim 2011 – blieben sie seltsam farblos. Wahrscheinlich passen sie einfach besser in einen schummrigen Club als zwischen Acker und Getreidesilo.


Mit Venom war es genau anders herum – die im Vorfeld des Gigs gegenseitig bekundete Skepsis löste sich alsbald in Wohlgefallen auf. Um nicht zu sagen, Daumen hoch in jeder Hinsicht. Gleich zu Beginn gab es „Black Metal“ auf die Ohren, und die Befürchtung, dass es von dort aus eigentlich nur bergab gehen könnte, erwies sich als unberechtigt. Während mit ziemlicher Sicherheit behauptet werden kann, dass die meisten der zahlreich erschienenen Fans vor allem gekommen war, um die Sachen aus den 80ern zu hören, litt die Stimmung nicht wesentlich darunter, dass etwa die Hälfte des Sets aus neuerem Material bestand. Die Energie von Cronos und seinen Mannen hätte wohl schon alleine ausgereicht, um uns warm werden zu lassen, aber sicherheitshalber feuerte die Band großzügig Pyrosalven in die allmählich kühler werdende Nachtluft. Eine beeindruckende Klimax für ein tolles Wochenende!

Tina Solda & Leena Maunuksela, photos: Tina Solda, Chrissy Turpeinen

 

Contributors

Tina Solda

tina@stalker-magazine.rocks - Konzert- und Festivalberichte, Fotos, Interviews - - - Bevorzugte Musikrichtungen: melancholischer Death-, unkonventioneller Black-, melodischer Doom-, dramatischer Folk- und intelligenter Paganmetal (Schwerpunktregionen: Island, Finnland & Norwegen) - - - Sonstige Interessen: Gitarre, Bücher, Bier, Kino, Katzen.