Findustry On Ice 2013
11.+12.1.2013 Bar Bäkkäri, Helsinki, FIN
Die Organisatoren (Elektrik Products) müssen prophetische Gaben besitzen – als “Findustry on Ice” stattfand, fielen die Temperaturen auf 13-14 Grad unter Null, und für A nach B zu Fuss wären Schlittschuhe sinnvoller gewesen… Gottlob fand sich im Club selbst das Eis ausschliesslich in Würfelform in Gläsern…
Interaktive Fotogalerie am Textende
Freitag 11.1. – Findustry standards
DJ Kryotechnik (Infektio) und DJ MG (Khroma) waren an diesem Abend für das Rahmenprogramm verantwortlich, auf der Bühne unterhielten Cold Cold Ground die noch überschaubare, aber um so begeisterte Menge. Klarerweise zündeten Industrial/Rock Klassiker wie “You will break” oder “Disintegrating” sofort, Mr Bunny & Co hätten gar keine Gummi-Schweineschnauzen verteilen müssen, um die Menge zum Mitsingen des “Pig” Refrains zu bewegen.
Kurz – absolute Partystimmung. Jedesmal ein Genuss, die Jungs live zu sehen! www.coldcoldground.com
Nach so viel durchgeknallter Action schienen ThE PhysicistS etwas seriöser zu sein, nunja, zunächst mal. Durchgeknallt sollte es weitergehen, nur auf einer anderen Ebene und mit anderem Musikstil – welcher in eher experimentelle Richtung a la Devo ging. Manchmal erinnerte mich der Sound an Cleaning Women (die finnische Band, die z.b. Wäscheständer in elektronische Instrumente umbaut), nur eben mit echten Instrumenten. Ungewöhnlich waren dafür die Musiker selbst und ihre bizarren Outfits, ausserdem die Show auf und vor der Bühne. Ganz zu schweigen von Songtiteln wie “Oppenheimer” oder “Little Whore (Einstein Intoxicated)”. Quantenmechanik in Musik umgesetzt… www.thephysicists.net
Der Club war zu diesem Zeitpunkt bereits voll, der dritte Act des Abends schien sowas wie der Headliner zu sein, der viel Publikum angezogen hatte. Ich hatte noch nie was von Iiwanajulma gehört, das war wohl ein Fehler. Schwer, diese Band in ein Genre einzuordnen, sie selbst probieren es mit “Alternative, rock, metal”, aber vielleicht passt “progressiv” am besten. Die Musik vereint unterschiedliche Elemente, vom aggressiven *core bis hin zu atmospherisch-melodisch-verträumt, mit einem Frontmann, der – neben der Bedienung des Synthesizers – emotionell singt, wie ein Tier brüllt und predigt wie ein – naja, Hip-Hoper. In Finnisch leider, so konnte ich nicht so total fasziniert werden wie der Rest des Publikums. Aber ich kriegte mit, dass Wille (voc), Tim (git+keys), Matias (b) und Teemu (dr) bald ein zweites Album herausbringen werden. www.iiwanajulma.fi
Der Name Erilaz kursierte bisher nur in der DJ Szene, unlängst wurde daraus eine 3-Mann EBM-Industrial Rock Band mit zwei DJ-Kollegen im Line-up, nämlich aQi Kuroshio am Synth und Proteus an der Gitarre. Der Sound bewegt sich ungefähr zwischen Kraftwerk und Marilyn Manson, was für die Goth-Fans im Club das Zeichen war, sich auf die Tanzfläche zu bewegen und den Party-Teil des Abends einzuläuten. www.erilaz.net
Samstag, 12.1. – Kross over mechaparty
Dieser Tag gehörte den Djs aQi (Hellfire club) und Meke (Discotheque necronomicon), was die Tanzfläche betraf, auf der Bühne übernahmen als erstes The Closed das Ruder. Wörtlich.
Kapitän Toni Valha (auch Sänger von Black Light Discipline) und seine Crew geleiteten ihre Passagiere auf eine besondere Kreuzfahrt, wo auch der freundliche weibliche Steward – als Reiseführerin – und die Gratis-Snacks nicht fehlen durften. Keine Ahnung, warum die Passagiere eher Respektabstand hielten – lag es daran, dass die etwas unheimlich aussehenden Snacks ins Publikum gepfeffert wurden, oder war´s der Respekt vor Uniformen? Jedenfalls führte uns die unterhaltsame Reise durch sämtliche vorstellbaren Musikstile und die Snacks (frischer Popcorn, in kleine Plastiksäcken abgefüllt) war lecker. www.myspace.com/theclosedspace
Kilt. boten ebenfalls eine wilde Stil- und Soundmischung, von der Band als “Alternative Metal” beschrieben. Ich würd´s mit “The-Ocean-meets-Pink-Floyd” versuchen, geboten von einem “All-Star-Line-Up”. Alle Bandmitglieder sind auch in anderen Projekten aktiv (z.B. Velcra), Drummer Mikko Herranen sollte als Voice of Finland Sieger ein Begriff sein. Erneut erledigte ein Frontmann (Teemu Ruokonen, auch Drummer von Iiwanajulma) zwei Jobs, er war auch für Keyboard/Synthesizer Sounds zuständig. Und wieder fühlte ein Bandmitglied das Bedürfnis, engeren Kontakt zum Publikum aufzubauen… Tolle Show, und obwohl die Musik alles andere als leicht zugänglich ist, freu ich mich schon auf den nächsten Gig. www.myspace.com/kiltdot
Bob Malmström können locker behaupten, der modisch eleganteste Act des Abends gewesen zu sein. Alle nett in Anzug und Krawatte, der Drummer sah sehr High Society-casual aus. Nicht nur das verpasst dir ein Grinsen ins Gesicht – auch dieser Death Metal mit Punk Attitüde, den sie selbst Borgarcore nennen; dann sprachen sie konsequent Schwedisch, nur gelegentlich warf Sänger Carolus Aminoff finnische Brocken ein. Am Ende gesellte sich noch Finntroll-Frontmann Vreth als Gastsänger auf die Bühne. Obwohl es zwischendurch immer wieder “brå” (= gut!) aus dem Publikum tönte und es ein 3-Personen-Moshpit gab, fragte der Sänger dann (in finnisch) “Versteht hier einer überhaupt, was ich sage?” Naja, ich verstand zumindest, dass bald ein zweites Album rauskommt. www.bobmalmstrom.com
Two Witches ist ein legendärer finnischer Gothic/Rock Act, der heuer sein 26. Bestandsjubiläum feiern kann. Ein finnischer EBM Vorreiter, fest im Gothic Rock / Dark Wave Genre verhaftet und eher den Sisters Of Mercy als Manson & Co zugetan. Ich hatte schon viel über, jedoch nie die Band selbst gehört, war also neugierig. Die nun etwas überschaubarere Menge kannte jeden einzelnen der dargebotenen Songs, sang kräftig mit – oder gleich anstelle des Frontmanns und Gründungsmitglieds Jyrki Witch, der gelegentlich gespenstisch wirkte. Wieder ein netter Übergang zum tanzbaren Programm des Abends. Eigentlich hätte sich die Band viel früher klammheimlich verdrücken und einfach ne CD laufen lassen können – bei den Nebelwänden wär das keinem aufgefallen … www.twowitches.com
Alles in allem: Nettes Event, tolle Bands, tolle Atmosphere, billige Tickets (6 e für 4 Bands) – verpasst nicht den nächsten Findustry-Abend.
photos: K. Weber