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Rea Garvey @ Seebühne Bremen

07.07.2022, Seebühne Bremen

Während ich großspurig das Konzert als absolutes Muss für eine Dosis Sommergefühle ankündigte, hatte das Wetter in Bremen ein wenig andere Pläne. Wind und Wolken gaben dem ganzen eher einen Touch von Herbst, und jeder fragte sich mit einem Blick in den Himmel, ob man trocken durch das Konzert kommen oder es eine feucht fröhliche Party werden würde. Vornweg: man konnte das Konzert ohne einen einzigen Tropfen Regen genießen, aber sogar Rea selbst scherzte darüber, dass sich die band fragte, wie das mit dem Wetter so weitergehen würde und dass er aber nichts anderes erwartet habe. es sei immerhin Norddeutschland.

Auch wenn Covid immer noch ein Thema ist, und das Wetter nicht einladend war und vielleicht auch die Ticketpreise nicht den Geschmack von allen getroffen haben dürfte – die Seebühne war fast ausverkauft, und die Leute waren ausgehungert und haben einfach nur auf diese Show gewartet. Rea Garvey war mindestens genau so heiß auf diesen Auftritt, da auch er die Bühne vermisst hat – und dass er dadurch außer Form war, das musste er mit einem Schmunzeln dann doch nach ein paar Songs zugeben. Das beste Workout ist und bleibt eben ein Auftritt, man gibt alles und hält sich nicht mehr zurück. Und letzteres, ein eventuelles sich Zurückhalten, wird man bei einem seiner Auftritte niemals sehen, so auch nicht an diesem Abend – wenn man die Wärme ums Herz herum spürt, die die Musik auslöst, ist man einfach immer voll und ganz dabei.

Und dieses Gefühl, diese totale Freude wieder zu performen hat es so einfach gemacht, dass das Publikum einfach direkt angesteckt wurde und mitging – die ersten Töne wurden gespielt und schon wurden die Sitzplätze zu Stehplätzen und kaum einer saß mehr. Stattdessen wurde getanzt, mitgesungen und Rea Garvey wurde mit offenen Armen empfangen. Es war einfach nur schade, dass es Open Air Veranstaltungen nie die Stimmung so gut widerspiegeln können wie sie wirklich ist – der Klang des mitsingenden Publikum verliert sich ein wenig. So hätte vielleicht man einer mit einem Grinsen verlauten lassen, es sei eben das typisch norddeutsche und kühle Verhalten – wenn man aber in der Menge stand hat man das absolute Gegenteil erlebt.

Besonders während der alten Reamonn Songs „Supergirl“ und „Tonight“, die gekonnt miteinander verbunden wurden, sah man wer schon lange seine Karriere verfolgt hat und wer doch eher frisch dazugekommen ist. Die ältere Generation (mir inklusive) schien dabei dann doch wesentlich berührter als die Jungen – die alten Stücke bringen einfach so viele Erinnerungen (an die guten alten Zeiten) zurück, aber auch einfach seine unendlich sanfte und doch kraftvolle Stimme geht einfach direkt ins Herz.

Nach den beiden Balladen, die ganz entspannt sitzend genossen wurden, ging es dann mit voller Kraft voraus – es ging mit dem rockigsten Teil des Abends weiter, es wurde alles verballert was die Batterien des eigenen Körpers noch hergaben. Mitsingen, klatschen, hüpfen, tanzen – es wurde wild auf den Rängen, was definitiv an der gelungenen Wahl der Songs lag. Wenn es noch jemanden auf den Plätzen gehalten hat bei Songs wie „Color me in“ oder „Oh my love“ – Hut ab vor dieser Selbstbeherrschung! So wie das gesamte Publikum, selbst auf den oberen Rängen tanze, das muss ein toller Anblick gewesen sein von der Bühne aus, so sehr wie jeder in Band strahlte. Wäre es möglich, über das Level von 100% Glückseligkeit zu kommen, dann wäre das wohl spätestens jetzt passiert.

Wenn man auf vielen Konzerten unterwegs ist, hat man schon viele tolle Geschichten-Erzähler auf der Bühne erlebt und viel zu lachen gehabt – aber an Rea Garvey dürften wohl die Wenigsten herankommen. Der wundervolle irische Akzent, die Suche nach den (nicht immer) passenden Worten und einfach diese absolut authentische Auftreten sowie das Geschichten erzählen mit dem kompletten Paket an Körpersprache – da kommt man nicht einfach dran. Und wenn man sich dann anschaut, dann sieht man einfach jedes Mal aufs Neue, wie sehr diese Geschichten den Leuten gefallen, sie berühren, sie zum Tränen-Lachen bewegen, zum Grinsen bringen. Und als er dann noch einen kleinen Jungen auf die Bühne holte und den doch sehr schlagfertigen Jungen zum Interview bat, hatte man einen weiteren unvergesslichen Moment geschaffen. Sachen wie diese sind das, was die Konzerte von Rea ausmachen – man feiert zusammen die eigene Liebe für die Musik, und da ist alles andere nebensächlich.

Was viele im Publikum, genau wie ich, gut fanden war, dass es nicht diese endlose Zeremoniell mit „Band verlässt Bühne und wartet stundenlang bis das Publikum lautgenug eine Zugabe gefordert hat“ – das wurde hier einfach abgekürzt, das Publikum war wie schon zuvor gut laut und dann ging es nahtlos weiter im rockigen Programm und zwar mit „The One“ und Klassikern wie „Wild Love“, das von seinem ersten Solo-Album stammt. Aber leider sind wir am Ende dann noch nicht ganz um die oben beschriebene Prozedur herumgekommen – vor dem letzten Song, „Run to the Border“, musste es dann doch sein. Ich bin mir unsicher, ob es der richtige Sog für den Konzertabschluss war – man will ja mit ganz vielen positiven Gefühlen aus einem so schönen Abend herausgehen, der Song hat dies aber scheinbar bei vielen nicht geschafft und eher eine nachdenkliche Stimmung geschaffen.

Alles in Allem hat Rea Garvey einmal mehr gezeigt, was für ein toller Musiker und Sänger er ist – und zwar nicht nur auf CD, sondern auch und besonders auf der Bühne. Die Atmosphäre, die er schafft lädt dazu ein, loszulassen und sich öffnen – und egal ob es nur die eigenen Füße bewegt oder einen zu Tränen bewegt, bewegen tut Rea Garvey jeden.

 

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Setliste:
Intro & War
Is it love?
Armour
Talk to your body
Hey Hey Hey
Water
Supergirl & Tonight (Mix)
Kiss me
Beautiful Life
Can´t Stand The Silence
Sorry days
Pretty
Can´t Say No
Color me in
Oh my love
The one
Wild love
Run for the border

Contributors

Carina Ullmann

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