Interviews

Poets of the Fall: Durch Myriaden akustischer Landschaften

Kurz vor dem Veröffentlichungskonzert für ihr neues Album Clearview nahm sich Poets of the Fall Sänger Marko Saaresto die Zeit, uns Einblicke zu geben in die Inhalte des neuen Albums, die Arbeit mit einem externen Produzenten und was die Fans von der bevorstehenden Tour erwarten dürfen.

Erzähl mir ein bisschen zum Clearview Album. Was dürfen wir erwarten?

POTF: Nun, gleich amAnfang erwartet Euch eine dramatische Szene, die sich wie ein Nest voller Schlangen windet und dann zuschlägt. Danach geht es durch Myriaden akustischer Landschaften, auf und ab auf einer Achterbahn der Emotionen, hin zu Aussichten auf Visionen und Geschichten aus dem Hier und Jetzt, dem Dann und dem Wannauchimmer, die sich mit Fragen zum Geisteszustand beschäftigen, auf Klarheit hindeuten, das Licht am ende des Tunnels und dann wieder zurück zum unruhigen Meer der Erinnerungen und Gefühle… oder… uhm… in anderen Worten zehn völlig neue, beeindruckende Poets of the Fall Songs.

Ist Clearview der Beginn einer neuen Trilogie?

POTF: Das wird die Zeit zeigen.

Das Clearview Cover hast im Design das Motto Schach aufgegriffen und über Drama for Life hast Du gesagt „[…] es passiert oft, dass uns unser Verstand in eine Situation wie ein Schachmatt treibt, als ob wir einen internen Designer hätten, der ein aggressives Schachspiel gegen uns selbst spielt.“ – Ist jeder Song auf dem Album eine Schachfigur? Welches spiel spielen sie?

POTF: Die Schach Metaphorik is so voll von Interpretationen, dass wir dachten sie sein sehr passendes visuelles Thema, um es mit der neuen Musik zu kombinieren. Obwohl es bisher nur die Dame war, die wir für Drama for Life verwendet haben und den schwarzen Springer für’s Cover, hoffe ich, dass wir mit der Zeit auch die anderen Figuren den Songs zuordnen und ihnen einen angemessenen Raum geben können. Ich habe das schon alles im Kopf und warte nur darauf, wie sich alles zusammenfügt. Bezüglich welches Spiel sie spielen, ist es vielleicht ein Spiel des Verstehens, vielleicht spielen sie um zu gewinnen oder vielleicht spielen sie auch nur, um im Spiel zu bleiben.

Euer Produzent Stefan Boman hat das album als ein „Kuss und ein Schlag ins Gesicht“ beschrieben – können wir auf mehr Schläge hoffen?

POTF: Ich bevorzuge Küsse.

In Drama for Life hallen verschiedenen frühere Songs wieder, beispielsweise Save me oder Signs of Life. Wie und warum ist dieser Wiederhall entstanden?

POTF: Sicher, ich bin froh dass Du darauf zu sprechen kommst. Ich glaube das ganze Konzept von Clearview tritt in die Fußstapfen von Songs und Texten, die wir in der Vergangenheit gemacht haben. Diese Songs und Texte haben sozusagen den Weg geebnet für alles wofür Clearview steht. In meinem Kopf ist das die Idee, dass sämtliche menschliche Erfahrung, die Wirklichkeit eingeschlossen immer der Interpretation unterworfen ist und daher fast so etwas ist wie ein Theaterstück oder eben ein Schachspiel. Derjenige, der die klare Sicht hat, wird zur unbekannten Größe (Anmerkung der Übersetzerin: er sagt hier „dark horse“, was sowohl der schwarze Springer, als eben auch eine unbekannte Größe sein kann), die Überraschung im Hintergrund, der beste Stratege, wenn Du so willst. Ein klarer Blick konzentriert sich auch auf die Idee das alles aus unserem Inneren kommt. So wie uns in Signs of Life die Liebe, die wir im inneren spüren den Weg gezeigt hat oder wie es in Save Me die Saat des Verstehens davon gab, dass wir unsere innere Aufruhr selber hervorrufen. Dabei wird das nicht verurteilt, oder gesagt dass das gut oder schlecht ist, sondern nur, dass wir so eben zwischen unseren Ohren funktionieren und der Song wurde im Wesentlichen aus der Perspektive von jemandem geschrieben, der jemand anderen bittet Nachsicht zu haben, bis er sich wieder im Griff hat. Und wir haben noch mehr songs geschrieben, die dieses Thema berühren.

Was den Klang von Drama for Life angeht, sind mir besonders die Gitarren aufgefallen. Es klingt super und irgendwie anders als vorher, aber ich kann nicht wirklich sagen, was anders ist. Kannst Du mir dazu mehr erzählen?

POTF: Ich denke auch, dass die Gitarren auf diesem Album anders klingen und das liegt hauptsächlich an Stefan, der sogar bei einigen der Songs Gitarre gespielt hat. Du kannst auch mehr von Jaskas Ideen und Klängen hören, weil wir beide unsere Ideen an Stefan gegeben haben und er dann entscheiden durfte, welche es sein soll. Dadurch haben sich meine ursprünglichen Demos und der Sound, den ich sonst so gewöhnt bin, ziemlich verändert, aber ich glaube es war ein Wandel zum Besseren.

Ihr habt zum ersten Mal ein ganzes Album einem Produzenten ausserhalb der Band anvertraut. Beschreib bitte, wie die Arbeit mit Stefan Boman war. Was hat sich an Eurer Arbeit verändert, was ist gleich geblieben?

POTF: Mit Stefan Boman zu arbeiten war sehr interessant, es hat Spass gemacht, es war eine wunderbare Lernerfahrung. Ich glaube es hat uns auch alle über den gesamten Prozess viel ruhiger gemacht, weil wir in ihm einen Art Schiedsrichter hatten, an den wir uns wenden konnten, wenn wir uns festgefahren hatten. Ich glaube es war auch sehr erfrischend, jemanden zu haben, der eine neue Perspektive bezüglich unserer Arbeitsweise und der Art wie wir Musik schreiben mitbringt. Es war nicht immer einfach, weil wir am Anfang so sehr die Zügel aus der Hand geben müssen und wir sind alle Menschen, die ganz bestimmte Vorstellungen und Ideen haben. Je weiter wir gekommen sind, um so mehr haben wir jedoch die Arbeit genossen.

Wie lässt sich das Vergleichen mit den Erfahrungen bei Eurer Zusammenarbeit mit Mic Schroeder für Kamikaze Love?

POTF: Mit Mic haben wir an zwei Songs vom Temple of Though Album gearbeitet und er hat Remixes gemacht von den Stücken, die wir schon für das Album fertig hatten. Der Prozess der Zusammenarbeit mit ihm war kürzer und hat nicht so früh angefangen, was das Material anging, so wie das in der Arbeit mit Stefan der Fall war.

Poets Of The Fall, Clearview

Hast Du eine lustige / kuriose / seltsame Geschichte aus der Zeit der Clearview Aufnahmen, die Du mit uns teilen möchtest?

POTF: Klar, da gibt es viele und manche sind so kurios und seltsam, dass ich sie wahrscheinlich nicht erzählen werde, bis ich meine Memoiren schreibe, aber jetzt wo ich so darüber nachdenke, gibt es da eine lustige kleine Geschichte, die während einer unserer Aufnahme-Sessions passiert ist. Ich hatte eine schlechte Stimme an dem Tag, wurde einfach ganz schnell heiser, konnte kaum mehr als ein Niesen herausbringen, war dadurch ein bisschen genervt und sauer und habe das Studio verlassen, um ins Hotel zu gehen, wo ich zu dem Zeitpunkt gewohnt habe. Mein Zimmer war im 15ten Stock oder so, jedenfalls ganz weit oben und so habe ich den Fahrstuhl genommen. Dachte mir ich geh duschen, entspanne mich und mache mir für den rest des Tages keine Gedanken um meine Stimme. Nun, Bing macht der Fahrstuhl im ersten Stock während ich darauf warte, dass er zur Rezeption kommt und raus spaziert dieser kleine Kerl, sieht total selbstzufrieden und schelmisch aus. Ich habe nicht wirklich darauf geachtet, bis ich in den Fahrstuhl stieg und sah, dass er den Knopf für jedes einzelne Stockwerk gedrückt hatte. Ich hatte also eine lange stop and go Fahrt bis zu meinem Zimmer vor mir. Zugegeben, am Anfang war ich ein wenig verärgert, aber als der Fahrstuhl langsam nach oben fuhr und in jedem Stockwerk anhielt, die Türen auf und zu gingen, da sah ich den kleinen Kerl mit seinen kleinen Kumpels zwei Stockwerke weiter oben warten, um zu schauen, was die Passagiere im Fahrstuhl für Gesichter machen und musste einfach nur lachen. Ich musste immer noch Lachen, als ich in meinem Zimmer ankam. Da ging mir dann plötzlich auf, dass meine Stimme gar nicht mehr heiser war. Durch das laute Lachen hatte meine „Maschine“ sozusagen „neu gestartet“. Meiner Stimme ging’s gut.

Abgesehen davon, dass wir alle neuen Songs hören werden, was können die Fans von der Clearview Tour erwarten?

POTF: Ich glaube wir gehen auf Tour mit einer grossartigen Show, versprechen herrlich gute Zeiten mit der Band und dem Publikum, neue Energie und vor allem die Aufhebung des Alltäglichen. Ich würde wetten, dass, falls sich meiner Erfahrung mit dem vergleichen lässt, was die Besucher unserer Konzerte empfinden, dann werden sie wieder Erfahrungen machen, an die sie sich gut erinnern, die Auftrieb geben und lange anhalten.

Eine Veränderung, die mir aufgefallen ist, ist, dass ihr jetzt überall „Meet & Greet“ tickets anbietet. Was sind die guten und schlechten Seiten daran, Fans auf diese Art zu treffen anstatt einfach rauszukommen und mit ihnen zu quatschen so wie früher?

POTF: Jetzt, da wir uns  an die Meet & Greets gewöhnt haben, ist es eigentlich sehr belebend da rauszugehen und mit allen zu reden, sogar oder manchmal besonders dann wenn wir noch müde von der Anreise sind, denn es gibt uns Auftrieb. Für mich als Sänger kann es heikel sein, bei den Meet & Greets viel zu reden, weil sie vor der Show stattfinden und oft etwas laut sind. Der Gesang bei der Show erfordert sehr viel Energie und Fokus und eine ausgeruhte Stimme.

In einem Interview hast Du gesagt, dass Du bei der bevorstehenden Tour so auf die Bühne kommen willst, wie Du bist. Gibt es einen besonderen Grund dafür, warum Du Dich diesmal entschieden hast, Du selbst zu sein und nicht ein Charakter wie Zoltar oder Jeremiah?

POTF: Haha, ich dachte mir dass mich das noch verfolgen würde. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, welche Laune mich noch überkommen wird und wie ich mein Gesicht im Laufe der Tour anmalen werde. Ich glaube auch, dass diese Charaktere so sehr Teil von dem sind, was ich auf der Bühne tue, dass ich sie nur schwer ganz aufgeben kann. Ich werde mich also nicht einschränken. Aber ihr werdet nicht zu sehen bekommen, dass ich das Hamartia Kostüm aus dem Daze Video trage oder ein abbröckelndes Gesicht wie Zoltar in Carnival of Rust. Nein Sir! Das würde so lange dauern es wäre eine Belastung. Aber es gefällt mir, die sie sich über die Jahre verändern und in neuer Form wieder auftauchen. Ich glaube das passt auch am besten zum meiner sich ständig verändernden Bühnenfigur.

Mit Clearview habt ihr Euer Logo verändert, die Website wird überarbeitet und das Album ist ein Neubeginn nach zwei vollendeten Trilogien. In welche Richtung gehen Poets of the Fall jetzt? Was sind Eure Pläne.

POTF: Im Moment sind wir alle so auf die bevorstehende Tour fokussiert, dass wir alle Diskussionen über Zukunftspläne auf später verschieben, wenn wir einen klareren Blick dafür habe, welche Richtung wir einschlagen wollen… natürlich habe ich schon das nächste Album Cover gestaltet und es gibt einen Schublade voller Songs… haha, aber mal ernsthaft. Die Tour kann ein halbes Jahr dauern oder ein Jahr oder auch anderthalb und so weit in die Zukunft zu schauen, wenn wir gerade ein fast zwei Jahre langes Projekt namens Clearview zu Ende gebracht haben, erscheint mir zu weit entfernt.

Danke!

Tourdaten: poetsofthefall.com

Stefanie Oepen

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