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Aria / Dreamtale

28.5.2013  Helsinki FIN

Eigentlich schade, dass so ein historischer Moment an einem Dienstagabend und zu – für finnische Verhältnisse – ziemlich früher Stunde stattfinden musste… Die russische Band ARIA spielte nämlich ihren allerersten Gig in Finnland überhaupt – und das, obwohl dieser Act aus dem Nachbarland seit 30 (!) Jahren im Geschäft und in heimatlichen Gefilden Stadien füllt… Leider scheint es noch immer nicht so einfach zu sein, an physische Kopien der zahlreichen Releases der Jungs heranzukommen, also lege ich euch hier schon mal diverse Downloadmöglichkeiten und Youtube zum Anchecken ans Herz, bis sich in Richtung “Vertrieb auch im Westen” was getan hat…

Dank russischer Freunde, die mir öfters “Souvenirs” aus der Heimat mitbrachten, besitze ich sogar zwei frühe Releases (Герой асфальта “Hero Of A Speedway” und Игра с Огнем “Playing With Fire”) und war dementsprechend gespannt, was da nun live auf mich zukommen sollte. ARIA war ja schon damals musikalisch auf hohem Niveau und hätte locker mit westlichen Kollegen aus der NWOBHM Ecke konkurrieren können. Leider hat die Band ja nie so richtig Anschluss an die westliche Szene geschafft, und anscheinend hatte sie das damals auch nicht so interessiert, wie sie bei einer Pressekonferenz erzählten.

Daher konnte ich von der Supportband Dreamtale gerade noch die letzten Songs des Sets mitkriegen und nicht viel dazu sagen; auch weil ich die Jungs zum ersten Mal zu sehen&hören kriegte. Jedoch, alter Schwede – wenn Frontmann Erkki Seppänen noch am Schluss der Show noch so viel Action auf die Bühne brachte, möchte ich ja nicht wissen, wie dieses Energiebündel am Anfang rumgesprungen sein muss… Die letzten 3 astreinen Power-Metal Songs der Finnen erinnerte mich stark an Helloween zu Kiske-Zeiten, nicht nur wegen Erkkis Stimme – ein paar Takte von “Angel of Light” klangen für mich sehr von “Future World” inspiriert. Der Rausschmeisser schien der Hit der Band zu sein, denn “Where The Rainbow Ends” fand doch einige Leute, die sich an der Mitsingaktion beteiligten.

Hatte sich das für einen Dienstag doch überraschend zahlreich erschienene Publikum typisch verhalten – sprich, die wenigen Die-Hard-Fans ganz vorne beim Bangen, Mitsingen, Fäuste Hochreissen etc, der Rest mit Respektabstand, eher sitzend als stehend, übt sich in Zurückhaltung – war bei ARIA Schluss mit lustig. Zumindest, wenn man versucht, ein paar Fotos zu kriegen… lasst es mich so beschreiben: weiter hinten konntest du dir locker Sitzplätze aussuchen, egal in welchem Bereich des Clubs … Die ARIA Sprechchöre gingen schon weit vor Beginn des Gigs los, und als die Herren Mikhail Zhitnyakov (voc), die Gitarristen Vladimir Kholstinin und Sergey Popov, Vitaly Dubinin (b) sowie Drummer Maxim Udalkov pünktlich um 22:30h die Bühne enterten, kannten die Fans kein Halten mehr…


Da ich kein Russisch spreche und auch nicht Kyrillisch lesen kann (unten findet ihr daher ein Foto der Setlist), versuche ich einfach zu beschreiben, wie das Ganze klang und auf mich wirkte. Das heisst, wenn ich Bands als Vergleich heranziehe, heisst das nicht, dass ARIA die kopieren…
Nun, was mir schon bei genannten Alben auffiel, die Gitarrenarbeit, die komplexen, abwechslungsreichen Songs und der hervorragende Sänger drängen den Vergleich mit Iron Maiden auf, wobei ARIA jedoch eher in die Power Metal Ecke tendieren. Oder Accept – vom Sound und auch showmässig, wenn sich das String-Trio versammelt und im Takt abrockt… Dazu noch ein bisschen klassischer Hardrock und Balladen, die nichts von dem Kitsch/Schmalz sogenannter Power-Balladen fürs Radio haben, sondern eher vom Kaliber unsterblicher Perlen wie “Child In Time” sind. Neben Deep Purple kommen einem da die Scorpions in den Sinn, oder Saxon, wenn die Jungs derber einschenken und es richtig krachen lassen – dabei aber immer melodiös, emotional und leidenschaftlich bleiben und nicht in die Speed/Thrash-Ecke abwandern.


An Status Quo musste ich eher wegen der Stage-Show von Vladimir Holstinin denken, der eher zurückhaltend als der “alles-überblickende-Mastermind” agierte und die Action den anderen überliess. Letztere oblag natürlich vorwiegend Mikhail, der sympathisch-charismatisch auch stimmlich glänzte und beim Publikum mit ein paar Brocken Finnisch (“Kiitos” – Danke) zusätzlich punktete.

Da die Russen ihren eigenen Lichttechniker dabeihatten, wurde das 2h (!!!!) Programm plus 2 Zugaben durch eine spektakuläre Show untermalt. Aber ich vermute, die Fans im Virgin Oil wären auch bei Kerzenlicht völlig ausgerastet: sie kannten jede Bridge, wussten sofort wann was zum Mitsingen gefragt war und waren bis zum Schluss am Toben – ein Publikum in Helsinki dermassen aus dem Häuschen, wahrlich ein seltener Anblick… Dass es der Band dieser Auftritt selbst Riesenspass machte, kam absolut rüber, auch Maxim konnte man hinter den Tomms am Dauergrinsen sehen. Nach 30 Jahren im Biz noch so hungrig und frisch zu wirken, das soll denen mal einer nachmachen…

Was soll ich sagen, eine geile Band mit geilen Ohrwurm-Songs, ein fehlerloser Auftritt ohne Durchhänger oder “Löcher”, die Stimmung durchgehend super, die Zeit verging wie im Flug. Dass man da kein Wort versteht, spielt nicht wirklich eine Rolle – eigentlich nur dann, wenn man auch gerne was Mitgrölen würde… Mehr von ARIA, bitte, ich würde diese Jungs jederzeit zu nem Festival buchen!
Überzeugt euch selbst, es gibt einiges von der Band auf Youtube, etwa hier:
http://www.youtube.com/user/AriaRussia?feature=watch

Klaudia Weber

Rücksichts- und gnadenlose Diktatorin, kniet vor mir! Anders gesagt: Chefredakteurin, Übersetzerin, Webseiten- und Anzeigenverwaltung, also "Mädchen für alles" - - - Schwerstens abhängig von Büchern (so ziemlich alles zwischen Herr der Ringe und Quantenphysik) und Musik, besonders von Metal finnischer Prägung. Weiters Malen, Zeichnen, Film, Theater... also könnt ihr mit einer vielseitigen Website rechnen. Mag.phil., zwei in 5 Jahren parallel abgeschlossene Vollstudien (English & American studies, Medienkommunikation) und stolz darauf, denn als Mädel aus einer Arbeiterfamilie in einem erzkonservativ-katholischen Land ging das nur dank Stipendium und etwas später im Leben als andere....