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Devin Townsend Project / Fear Factory

Unter den mittlerweile regelmäßigen Gastspielen von Devin Townsend in Helsinki ist besonders sein Doppelheadliner-Auftritt von Tuska 2010 in Erinnerung geblieben (Weltpremiere von Ziltoid The Omniscient am ersten Tag und regulärer DTP-Gig am zweiten). Auch auf der laufenden Tour spielte er an zwei aufeinanderfolgenden Abenden in Helsinki, allerdings diesmal nur mit minimalen Variationen in der Setliste. Der einzige nennenswerte Unterschied bestand darin, dass der erste Gig ohne Altersbeschränkung war und der – von mir besuchte – zweite ab 18. Was theoretisch bedeutete, dass das Mitnehmen von Getränken vor die Bühne erlaubt war; die Praxis sah freilich mal wieder so aus, dass zwischen Bar und Bühne kaum ein Durchkommen war. Das Markenzeichen von Circus sind rundum Engpässe und schlechte Sicht – Gigs mit einigermaßen akzeptablen Ticketverkaufszahlen sind eigentlich nur Leuten über 1,85 zu empfehlen.


Den Anfang machten Fear Factory, die Devin später als wichtigen persönlichen Einfluss bezeichnete. Unter diesem Gesichtspunkt war ihr Dabeisein allemal besser zu verstehen als unter rein musikalischen. Andererseits waren FF in den letzten Jahren deutlich seltener hier als DTP, und ein durchaus nennenswerter Prozentsatz des Publikums schien vorrangig wegen ihnen dazusein. Den auf Sänger Burtons entsprechende Frage folgenden Handzeichen nach zu schließen, hatte auch das neue Album The Industrialist unter den Anwesenden zahlreiche Käufer gefunden. Zur Belohnung gab es einen recht langen und aggressiven Set. Als Nicht-Industrial-Fan hätte ich mir zwar einen melodischeren Opener gewünscht, aber das sei als Geschmackssache abgetan. (Vollkommen objektiv ist hingegen die Feststellung, dass die gelegentlich durchaus vorhandenen melodischen Passagen live wahrhaftig NICHT zu Burtons Stärken zählen.)


Devin Townsend
Zur Pausenunterhaltung gab es ein lustiges Video, in dem neben einem Aerobic-Kurs für Pudel auch der gute alte Ziltoid zu sehen war, der uns wissen ließ, dass seine Leidenschaft anstelle von Kaffee nunmehr Obst gilt, genauer gesagt Mangos. Wir werden sehen, wohin seine nächste Mission führt… Sein alter Alter Ego Devin kam danach in Person auf die Bühne und legte direkt mit „Supercrush“ los – mein DTP-Favorit und ein hervorragender Einstieg. Interessanterweise war die Setliste fast gleichmäßig in Songs aus den Neunzigern (fünf) und aus den letzten drei Jahren (sieben) gesplittet, mit nur zwei Vertretern der dazwischenliegenden Dekade. Unter den alten Schätzchen sei vor allem der Walzer „Colonial Boy“ von Infinity (1998) erwähnt, den Devin zwar mal irgendwann akustisch, aber bis zu diesem Herbst nie mit voller Band live dargeboten hatte. Keine Ahnung, warum es so lange gedauert hat, denn der Song ist ziemlich cool.Die kürzlich erschienene Scheibe Epicloud war mit vier Stücken vertreten, von denen vor allem „Where We Belong“ für Gänsehaut sorgte.


In seiner Ansage widmete Devin das Stück Helsinki, wo es nämlich letztes Jahr entstand. Für Spaß sorgte etwas später „Lucky Animals“, bei dessen Refrain das Publikum – auf Devins Aufforderung – mit den Händen in der Luft wedelte wie der Meister höchstselbst im „unoffiziellen Video“ (auf youtube zu begutachten). Apropos Videos, selbige liefen auf dem Hintergrundbildschirm den ganzen Gig über weiter; passend zu „Lucky Animals“ beispielsweise waren Hunde, Affen und Kätzchen zu sehen. Immer gerne doch… Der letzte neue Song des Abends war „Grace“, an sich eine gute Wahl, aber leider auch eine Erinnerung daran, wer fehlte: Anneke von Giersbergen. Ihre Stimme vom Band war nicht annähernd dasselbe wie ihre Präsenz auf der Bühne bei meinem letzten DTP-Gig 2011. Vielleicht bin ich zu verwöhnt, aber nach den Festival-Spezialshows der letzten Jahre wirkte dieser normale Clubgig einfach ein bisschen zu, sagen wir mal gewöhnlich. Nichtsdestoweniger war es ein solider Auftritt eines äußerst sympathischen Künstlers, un die Rückkehr von Ziltoid mit „Color Your World“ in der Zugabe – angesagt von „The Omniscient“ persönlich in Gestalt einer Handpuppe – war ein Bonus von sozusagen omniversellen Proportionen. Und nicht zu vergessen die Besonderheiten am Merchstand – vergesst Shirts und Aufkleber, bei Devin Townsend gibt´s iPod-Schalen und Luftbedufter…

Setliste:
Supercrush!
Kingdom
Regulator
Truth
Planet of the Apes
Where We Belong
War
Colonial Boy
Vampira
Lucky Animals
Juular
Grace
Encore:
Color Your World
Bad Devil

Tina Solda

tina@stalker-magazine.rocks - Konzert- und Festivalberichte, Fotos, Interviews - - - Bevorzugte Musikrichtungen: melancholischer Death-, unkonventioneller Black-, melodischer Doom-, dramatischer Folk- und intelligenter Paganmetal (Schwerpunktregionen: Island, Finnland & Norwegen) - - - Sonstige Interessen: Gitarre, Bücher, Bier, Kino, Katzen.