Sonisphere Festival 2010
7.-8.8.2010 Pori, Finnland: Von fast tropischer Hitze und Luftfeuchtigkeit am Samstag bis zu einem Wahnsinnsgewitter am Samstag – einer der Hauptdarsteller bei diesem Sonisphere Festival 2010 war definitiv das Wetter. Vielleicht war es daher eine weise Entscheidung der polnischen Black Metaller Behemoth , ein paar Tage vor ihrem Gig abzusagen, denn die Glut am Samstag hätte sicher das Corpsepaint zum Schmelzen gebracht. Ersatz für Behemoth waren Negative, die hübschen Finnen – also kriegten wir statt verlaufendem Corpse Paint etwas verwischtes Mascara auf der Bühne und davor dahinschmelzende Mädels zu sehen.
Interaktive Fotogalerie am Textende
Serj Tankian
Die Negative Jungs wurden von Serj Tankian
abgelöst, der mit einem irren Grinsen bewaffnet sich voll auf seine aussergewöhnliche Stimme verliess, um sein sehr lässiges Outfit und seine minimale Performance auszugleichen. The 69 Eyes und
Apocalyptica
brachten die Menge zum Rocken, aber der Abräumer des Tages waren The Cult , die einen energiegeladenen Gig abzogen, gewürzt mit Ian Astbury´s zynischen Kommentaren, wie “Mögt ihr Rock Musik wirklich, oder zieht ihr euch nur so an?”, abgezielt auf jene, die sich eher aufs Bier als auf die Musik konzentrierten.
Alice in Chains
nutzten die Gunst der Stunde und brachten mit ihrem Fronter William DuVall die Menge zum Toben, ehe dann endlich nach Volbeat´s stampfenden Metal n´ rock erneut die Teenager in Massen dahinschmolzen, weil der erste Festivaltag
HIM und einer zuckrigen Portion Love Metal endete.
Der Sonntagmorgen war sogar noch heisser und verwandelte die Zelte im Campingareal in Saunas. Schwitzene und bier-durstige Fans füllten bald das Areal, als die Finnen Insomnium und
Profane Omen
den Festivaltag eröffneten.
Mokoma und Anthrax
konnten noch immer in gleissender Sonnen spielen, aber kann es sein, dass Thor höchstpersönlich entzürnt über Slayer´s ziemlich kurzen Gig war, oder vielleicht wurde sein Lieblingssong nicht gespielt, denn plötzlich tauchten ziemlich bedrohlich aussehende Wolken am Horizont auf, und ehe noch richtig klar wurde, was da eigentlich abging, tobte ein kurzer aber umso gnadenloser Gewittersturm über das Areal und verwandelte es in Nullkommanichts in ein Kriegsgebiet.
Anthrax
Tornado-mässige Stürme beschädigten beide Bühnen beträchtlich und fegten Alice Cooper´s und Mötley Crue´s Equipment in Fetzen. Alle wurden von Regenschauern durchnässt, und leider wurden auch ca 40 Leute verletzt, teilweise schwer*, von Metallzäunen und Merchandise-Ständen, die unkontrollierbar davongeblasen wurden.
Slayer
Die Schäden an beiden Bühnen waren so schlimm, dass es einige Zeit unklar war, ob irgendeine Band überhaupt noch auftreten kann. Die wartende Menge wurde von Iggy Pop aufgeheitert, der plötzlich auftauchte und ein akustisches Mini-Set spielte. Als die triefenden Klamotten langsam trockneten und das Bier floss, wurden die sturmgeschädigten Gemüter aus dem Schlamm auch wieder auf Festival-Level gehoben. Die Mötley Crue Fans blieben jedoch untröstlich, die Second Stage war bis zur Unkenntlichkeit beschädigt und die Band musste ihren Gig absagen. Abgesehen von den Mötley Fans jubelten jedoch alle, als Bruce Dickinson von Iron Maiden höchstpersönlich erschien, um dem Publikum für die Geduld zu danken und anzukündigen, dass
Alice Cooper
und Iron Maiden ihre Sets spielen würden, sobald die Bühne repariert war. Und diese Gigs waren die Wartezeit wert! Alice Cooper´s Band spielten mit von Slayer geborgten Equipment, und der Maestro selbst zog eine gute alte Horror-Show ab, als wäre sonst nichts Bemerkenswertes passiert.
Iron Maiden legten mit 2 h Verspätung los, gaben dem Publikum aber eine unvergessliche Darbietung, hauptsächlich mit neuerem Material und neuen Stagevisuals. Bruce Dickinson zeigte bemerkenswerte Multitasking-Talente, als er sang und zugleich die nasse rutschige Bühne mit Handtüchern trocknete. Mitten im Set legte sich auch ein irrer Nebel aufs Festivalgelände – ein surrealer Abschluss eines surrealen Tages, als sich die skelettartigen Reste der Second Stage aus den Schwaden erhoben und sich ein Lichtermeer auf die Menge ergoss, die aus vollem Hals „Fear of the dark“ sang.
Im wahrsten Sinn des Wortes ein Konzert und ein Festival, das ein Leben lang unvergesslich bleiben wird.
Official festival photo gallery: http://fi.sonispherefestival.net/pics/
* August 12, 2010: “We have just received news that the 50-year old male that was critically injured during the freak storm at Sonisphere has passed away. We are obviously shocked and devastated and would like to offer our most sincere condolences to the family and friends of the victim –the thoughts of Team Sonisphere, Iron Maiden and all Sonisphere fans are with you.”
Tanja Bastamow, photos: Pia Sundström