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Accordion Wrestling / Haitaripainia

13.5.2010, Kaapelitehdas, Helsinki, Finnland

“Akkordeon Ringen”, in Finnish Haitaripainia, beschreibt wohl ziemlich deutlich, was bei der ersten Unterrichtsstunde an diesem Instrument passiert…
Jedoch das ist nicht wirklich, was der Künstler Kimmo Pohjonen, bereits bekannt für seine ungewöhnlichen Projekte, hier im Sinn hatte. Haitaripainia / Accordion Wrestling / Akkordeon Ringen hatte seine Premiere bereits im April, in Turku, der EU Kulturhauptstadt 2011, einen Monat später auch in Helsinki. Und um es vorwegzunehmen, das könnte Pohjonens bestes Projekt bisher sein, da es auf brilliante Weise (Live) Musik, Theater, Tanz, Sportwettbewerb, Geschichte und Multimedia Show verbindet – und dennoch absolut unterhaltsam anzusehen ist.

Einige Details dazu:
Zur Einführung erzählt ein Sprecher, ganz im Stil des finnischen Epos Kalevala, von den mythischen Anfängen des Ringkampfes und des Akkordeons, und wie eng beide daher verbunden sind. Auch wer kein Finnisch versteht, kann da über die englischen Texte, die auf eine grosse runde Leinwand projiziert werden, leicht folgen. Dieser Multimedia-Aspekt zieht sich durch die gesamte Show, auf diese Art wird der geschichtliche Hintergrund (via Interviews mit Ringern und Musikern) vermittelt. So erfährt man beispielsweise, dass Akkordeonspieler bei Ring-Wettbewerben in Finnland Tradition haben – hauptsächlich um die Flatulenzen der Sportler zu übertönen.

Hier hat die Musik jedoch nicht – in erster Linie – diese Funktion. Und wer Kimmo Pohjonen noch nicht kennt, sei darauf hingewiesen, dass seine Musik ohnehin nicht mehr viel mit “Akkordeon” zu tun hat…
Genau wie bei einem Sport-Event sind es zunächst die Herren und Damen vom Helsinki Nelson Team, die die Arena betreten und Ringkämpfe im klassisch-römischen Stil, so wie er bei den Olympischen Spielen gepflogen wird, vorführen (also nicht jenes andere Wrestling, das ohnehin schon Sport, Theater und Comedy verein, ahem).
Allerdings werden auch hier diese Bewegungen immer mehr zum Tanz, der Kampf immer mehr zum Drama (im positiven Sinne), dann kommt Kimmo Pohjonen dazu, als “Zeremonienmeister”, jedoch ändert sich seine Funktion ständig – mal verkörpert er den Coach, dann den (unfairen) Schiedsrichter – das spaltet die Ringer in Freunde und Feinde. Diese Szenen beinhalten auch einige der lustigsten Momente der Performance. Eine atemberaubende Licht/Multimedia Show verstärkt den Eindruck, dass es hier um ein homogenes Ganzes, ein “menschliches Drama”, geht, die Grenzen zwischen Kampf/Sport/Tanz, Wettkampf/Schauspiel, Tanz/Comedy (z.b. Das “Wikingerbegräbnis”) verschwimmen… der Musiker, der sonst nur “kommentiert”, wird im wahrsten Sinne des Wortes Akteur, sogar ein (physisch höchst beanspruchter) Ringer, und schliesslich wird sogar der Titel der Produktion sehr wörtlich genommen…

photos: K. Weber

Und mehr soll dazu auch nicht mehr gesagt werden, denn so eine brillante, gleichsam bewegende und unterhaltsame Darbietung lässt sich schwer beschreiben und noch schwerer kategorisieren. Das
Helsinki Nelson Team agierte so überzeugend, dass ein Freund tatsächlich dachte, Theaterprofis und nicht “echte” Sportler vor sich zu haben. Kimmo Pohjonen, verantwortlich für Konzept und Kompositionen, hat hier wirklich gut recherchiert und viele liebevolle Details untergebracht, wo einige wohl wegen der Action in der Arena ein wenig untergehen. Unterstützt wurde er von Regisseur Ari Numminen, die Visuals trug Mikki Kunttu bei.

Kimmo Pohjonen / Helsinki Nelson - Accordion Wrestling

Klaudia Weber

Rücksichts- und gnadenlose Diktatorin, kniet vor mir! Anders gesagt: Chefredakteurin, Übersetzerin, Webseiten- und Anzeigenverwaltung, also "Mädchen für alles" - - - Schwerstens abhängig von Büchern (so ziemlich alles zwischen Herr der Ringe und Quantenphysik) und Musik, besonders von Metal finnischer Prägung. Weiters Malen, Zeichnen, Film, Theater... also könnt ihr mit einer vielseitigen Website rechnen. Mag.phil., zwei in 5 Jahren parallel abgeschlossene Vollstudien (English & American studies, Medienkommunikation) und stolz darauf, denn als Mädel aus einer Arbeiterfamilie in einem erzkonservativ-katholischen Land ging das nur dank Stipendium und etwas später im Leben als andere....