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Dobbeltgjenger – Master Of Failure

Apollon Records, 14.02.2025

Was für ein Name für ein Album – die Frage ist nur: geht es darum, das Scheitern zu meistern (und so darüber hinwegzukommen) oder ein Meister des Scheiterns zu sein (d.h. viel zu scheitern)? Zumindest ist die Antwort klar, wenn man sich das Album anhört, denn diese zwölf Songs sind alles andere als ein Fail. Die norwegische Band hat es geschafft, ein Album zu schaffen, das einen beim Hören berührt, das Songs hat, die direkt ins Herz gehen – auf eine vielleicht nachdenkliche, aber auch motivierende und eindeutig sehr offene Art.

Ich persönlich mag es sehr, wenn sich Bands Themen aussuchen, die so viele Menschen in der heutigen Gesellschaft betreffen – seien es Depressionen, Süchte, allgemein psychische Gesundheit oder was auch immer ein Thema sein mag, über das man nicht sprechen sollte, obwohl es genau diese Themen sind, die wir ins Licht rücken müss(t)en.

Der Anfang und das Ende des Albums, „Master of Failure“, sind als Einheit zu sehen – denn sie tragen nicht nur den Titel des Albums als Songtitel, sondern sind auch Teil I und II. Schon die musikalische Seite der beiden Tracks gibt einen guten Einblick in das Album – melodisch, immer mit einem Hauch von Rock und ein wenig kantig, und eine wirklich gute Gesangsleistung. Während Teil I sehr nachdenklich ist und ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit vermittelt, setzt Teil II noch einen drauf – und das ist Power, es gibt einem musikalisch und textlich Kraft, den Willen, auszubrechen aus dem, was einen runterzieht, den Willen, darüber zu reden, was los ist. Und das ist auch der Grund, warum „Master of Failure (Part II)“ ganz klar DER Song auf diesem Album ist, den ich jedem empfehlen würde, anzuhören.

Genauso melodisch geht es mit „Weatherman“ weiter – der Song hat einen klaren Fokus auf den Gesang, während die Musik im Hintergrund bleibt und die Lyrics schön umspielt. Viele kleine Details machen das Stück musikalisch hörenswert, und auch die Gesamtstimmung gibt einem wirklich diesen Hauch von Unheil. Als säße man draußen und könnte spüren, dass sich etwas (zum Schlechten) verändert, aber man kann es nicht greifen. Ganz passend zum Songtitel „Weatherman“ und seinem Text – der natürlich metaphorisch und nicht wörtlich als Wetter zu verstehen ist. Ein bisschen von dieser unheilvollen Stimmung findet sich auch bei „Growing is too dull“ – der Gesang wirkt irgendwie zerbrechlich, weich, nur leise von den Instrumenten untermalt. Es ist rein, es ist ehrlich, es ist roh, und es geht direkt ins Herz mit seinen ehrlichen Texten.

„Isolation“ kommt mit einem interessanten Gesangsstil daher, der sich deutlich von den restlichen Songs des Albums abhebt – eindeutig ein Track, den man sich aufgrund des Gesangs und des groovigen Sounds merken sollte. Und während wir bei „Weatherman“ alle tief in der Düsternis versunken waren, vermittelt dieser Track dem Hörer ein leichteres Gefühl, was dem Titel und dem Text durchaus widerspricht…aber manchmal ist es genau das, was ein Track braucht.

Mixt man den groovigen Sound mit der vorhergegangenen Düsternis, dann kommt wohl „Credit Card“ dabei heraus – die Lyrics rechnen mit einer Beziehung ab, „bin ich nur eine Kreditkarte für dich“, und machen das auf eine wieder sehr ehrliche und deutliche Art. Definitiv kein Song, wo ich sagen würde: der ist musikalisch rund. Muss er aber nicht, denn genau weil er es ist nicht und mit ganz vielen Ecken und Kanten daher kommt, ist er auch so hörenswert.

Musikalisch weiterhin weniger melancholisch, und wieder die kantige Seite der Band zeigend, sind „Ticket to the boogieman“ und „Chameleon Life“ – während das erstgenannte Stück fast schon funky ist und mit seinem kantigen Gesang sehr drückend wirkt (ich bin mir sicher, dass dieses Stück auch live sehr gut funktioniert), ist das letztgenannte Stück etwas, das im Radio gespielt werden könnte und sich trotzdem sehr gut in den Köpfen der Leute festsetzen würde.

Mit „F.M.L.“ hat die Band einen Song geschaffen, der sich zumindest bei mir wie mit Sekundenkleber festgeklebt im Kopf festsetzt. Keine Chance, ihn jemals wieder loszuwerden – der eingängige, aber dennoch nicht durchschnittliche Beat und die Melodie sowie der nasal klingende Gesang. Die Texte tun ihr Übriges, sie gehen vielleicht nicht ganz so tief wie bei anderen Songs, aber sie erfüllen ihren Zweck und sind eingängig und bringen einen fast zum Mitsingen. Gleich, aber doch anders ist für mich „Right now I feel alright“ – eine ganz andere Klangwelt als „F.M.L.“ mit einem instrumental volleren Sound, der die Texte begleitet, aber gerade diese Texte brennen sich ins Gedächtnis ein und bleiben dann auch dort. Die Schwierigkeit bei diesen Liedern ist, dass man trotzdem genau auf die Worte und ihre Bedeutung achten sollte – es klingt alles so leicht und man wippt einfach mit, aber: glaubt mir, da steckt mehr dahinter – nämlich wie unendlich schön es sein kann, nach langer Zeit endlich auch wieder die positiven Gefühle zulassen und genießen zu können!

Apropos eingängig, „Good-looking human on the other side of the road“ ist auch einer dieser Tracks, die einen beim ersten Durchlauf einfach mitgrooven lassen, und dann zwingen sie einen zum Aufhören und wieder zum von vorne Anfangen. Und warum? Weil der schön verpackte Text in seiner Bedeutung weniger klar ist und man seine Fantasie benutzen muss, um zwischen den Zeilen zu lesen. Einen kleinen Minuspunkt muss ich dem Track aber dennoch verpasse:  der Song scheint nach der ersten Hälfte endlos weiterzugehen – musikalische Themen werden wiederholt, und die Melodie verliert einiges an Kraft, um einen beim Zuhören zu halten.

Das Fazit? Es ist ein unglaublich gutes Album, das mit der großen Vielfalt an Sound und Gesang punktet, die Ehrlichkeit in den Texten ist unglaublich und hat zumindest mich voll angesprochen. Hört euch dieses Album einmal an, und dann auch direkt ein zweites Mal – ich kann euch versprechen, ihr werdet bei jedem Durchlauf neue Facetten entdecken. Und hört genau genau hin, die Lyrics haben es verdient.

 

  • 10/10
    Bewertung / rating - 10/10
10/10

Carina Ullmann

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