Alcest, Svalbard, Doodseskader in Helsinki
27.11.2024 Kulttuuritalo, Helsinki, Finnland
Man kann sich auf einen hochqualitativen Gig verlassen, wenn man Ville Valo erspäht, der diesem aus einer Ecke mitverfolgt. Einige Internetnutzer spekulieren, dass er die Band kennen könnte, da seine jüngste Vorgruppe, die isländische Post-Punk-Band Kaelan Mikla, mit Alcest bekannt ist (bis zu dem Punkt, dass er sich ihren Illustrator auslieh, der die Grafik für ihr Album „Undir Köldum Norðurljósum“ gemacht hat).
Das Kultuuritalo ist eine klassische Veranstaltungshalle der alten Schule (erbaut von dem berühmten Alvar Aalto in den 1950er Jahren). Die Halle verfügt über einige Tribünen und einen Graben, der je nach Show als Steh- oder Sitzplatz genutzt werden kann. Die Bedeutung dieses Ortes für extreme Musik ist gestiegen, da die Stadt in den letzten Jahren mehrere Clubs wie Nosturi und Circus verloren hat. Er liegt nicht wirklich im Stadtzentrum, aber auch nicht so weit entfernt und ist gut erreichbar, obwohl das Venue inmitten der nicht besonders gemütlichen Straßen von Alppila liegt und es der Gegend generell an Ästhetik fehlt.
Die Nacht begann mit Doodseskader („Todesschwadron“), die sich selbst als „sonic terror“ bezeichnen und in Rezensionen als eine Mischung aus Metal, Hardcore, Hiphop, Rap und einigen anderen Musikrichtungen beschrieben werden. Der Sound scheint ziemlich avantgardistisch und genreübergreifend zu sein. Meinem eigenen Eindruck nach ist das nicht jedermanns Sache, und wenn ich mich nicht in meiner Erinnerung an den Gig irre, hörten die meisten Leute einfach nur zu ohne jegliche Reaktion und nur jemand in der Mitte sprang rum und winkte mit den Händen.
Als nächstes Svalbard (Startfoto) – trotz des Namens keine norwegische Black-Metal, sondern eine englische Post-Hardcore-Band. Nach der radikalen Präsentation von Doodseskader war der Sound der Band für einen Metal-Hörer eine einfachere Kost. Die Sängerin Serena Cherry ist für die gesamte Action auf der Bühne verantwortlich. Wie die vorherige Band traten sie mit einer eher einfachen Beleuchtung auf und nutzten eine große Projektion auf ein Backdrop und sich selbst.
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Um ehrlich zu sein, haben beide Bands nicht wirklich etwas mit dem Stil von Alcest zu tun, sie klangen aber auch nicht zu andersartig. Alcest war jedoch ein völlig anderes Erlebnis. Die Bühne war mit Deko-Motiven geschmückt, die an den Symbolismus ihres letzten Covers erinnerten, gezeichnet vom erstaunlichen zeitgenössischen präraffaelitischen Maler Yoann Lossel – Schilfbüsche, zwei Reiher und ein Mond. Die Beleuchtung ist sehr ausgeklügelt – es gibt Glühbirnen auf dem Boden vor den Bandmitgliedern, Strahler, die die Büsche und den Mond beleuchten, und Scheinwerfer über dem Kopf, die allesamt ein sehr ausgeklügeltes und dynamisches Ensemble bilden, was die unheimliche Musik unterstützt. Die Band präsentiert keine wirklichen Rockshow-Moves, die vielleicht nicht zur Stimmung der Songs passen würden. Neige erzählt die Show mit seiner sanften Stimme, indem er z.B. nur ankündigt: „Das ist Améthyste“. Für meinen Geschmack klingt die Live-Performance interessanter als die Platte, da die Musik von Alcest in einer gewissen Isolation von Ablenkungen erlebt werden sollte. Insgesamt war die Show mitreißend und schön und wird zu den besten Konzerten gehören, die ich in diesem Jahr gesehen habe.
Alcest haben bereits ihre Rückkehr nach Finnland für das Tuska-Festival angekündigt.
Text & photos: Askar Ibragimov