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Mittelalterliches Phantasie Spectaculum in Rastede

15.-18.05.2023, Rastede, Deutschland

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„Wir sind doch nicht mehr im Mittelalter“ – ein Spruch, den man im Alltag vielleicht hier und da zu hören bekommt – aber niemand in Rastede, wenn wieder zu 4 Tagen Mittealter eingeladen wird. 4 Tage voller Flucht aus der Normalität, hinein in eine andere Welt – mit Heerlager, Ritterkampf, Wahrsager, vielen Ständen für das leibliche Wohl und einer gut ausgewählten musikalischen Mischung.

Ist man schon etwas länger dabei, kennt man noch die guten alten Zeiten, wo der Marktbereich mit seinem Eventprogramm sowie die Hauptbühne noch verschmolzen – dies ist seit den Pandemiezeiten nicht mehr so, und wird wohl auch nie mehr so werden. Will man zur Hauptbühne, so zahlt man extra und muss beim Betreten und Verlassen sein Bändchen zeigen. Kommt es gut an? Es geht, man ist sich uneinig – alteingesessene Besucher sehen die Trennung kritisch, hatte es doch Jahrzehnte auch anders gut funktioniert. Gelegenheits-Mittelalterfans finden es gut, wenn sie sich nu für den Markt oder aber die Hauptbühne interessieren und nicht mehr für beides zahlen müssen. Ich persönlich sehe es kritisch, viele Zäune, viel Ticket vorzeigen, irgendwie geht da das Flair verloren – aber das muss am Ende eines langen Tages mit viel Met und Sonne jeder für sich selbst entscheiden.

15.05.2023

Der Donnerstag ist, zusammen mit dem Sonntag, sind wohl die entspanntesten beiden Tage – man hat viel zeit und Platz, um sich die Stände anzuschauen, in den wundervollen Möglichkeiten einer neuen Gewandung versinken und sich das eine oder andere Gläschen Met oder andere leckere Getränke einverleiben. Für Familien mit Kindern sind dies wohl die einladensten Tage, besonders wenn man Neuling in der Mittelalterwelt ist und ein wenig Eingewöhnung benötigt. Aber auch am Donnerstag gab es einiges auf die Ohren:

Die MPS-Urgesteine Rapalje luden dreimal am Donnerstag auf der Folk-Bühne zum Tanzen und genießen ein, was jedoch nicht ganz so klappte – während die mittägliche Vorstellung noch vergleichsweise gut besucht war, wurde es zum Abend hin immer weniger. Die Frustration versuchte die Band herunterzuschlucken, aber ein wenig merkte man die Enttäuschung dann doch – was ganz verständlich ist, da sie es gewöhnt sich vor deutlich mehr Publikum auf dem Musik gute Laune zu verbreiten.

Harmony Glen, die auch auf der Folk Bühne zu finden waren, zogen ein wenig mehr Publikum an – aber auch das hatte noch Ausbaupotential. Irgendwie schien die Bühne fast verflucht zu sein an diesem Tag, es wollte einfach nicht so klappen wie es sollte, mit dem Anziehen der Besucher.

Auf der noch kleineren Bühne der Spielleute war es hingegen dann immer gut voll, ein vorbeikommen war selten möglich – man hatte etwas richtig gemacht und die richtige Mischung gefunden, auch wenn diese dann doch etwas speziell war: während Bands wie Tir Saor und Comes Vagantes wohl eher etwas für die älteren Gewandteten war, so fand man auch Heavysaurus auf dieser Bühne.

Dort bestanden dann die ersten x Reihen aus glücklichen Kindergesichtern, auch wenn so einige Blicke der Erwachsenen sagten „also eigentlich würde ich da auch gerne vorne stehen, weil es einfach Spaß macht“. Wie jeder Auftritt der Band war es auch hier für Jung und Alt einfach schön, zusammen Spaß zu haben – was gibt es denn auch schöneres, als Familie zusammen etwas zu feiern.

Auf der Hauptbühne gab es dann ein Programm, was nicht von schlechten Eltern war – und ich muss gestehen ich war überrascht, dass man solche Bands schon am ersten Tag des Marktes auftreten lässt: los ging es mit den Sandsacks, die leider auf Grund der sehr frühen Uhrzeit wenig Zulauf erhielten – jeder ging gefühlt erst ein paar Runden über das Gelände um sich zu orientieren, bevor man sich auf den musikalischen Teil des Tages einlassen konnte. Und genau das musste die Band leider auch spüren, und das auch am Freitag sowie Samstag. Mir tat es wirklich sehr leid für die Jungs, da die Musik zu einer anderen Uhrzeit definitiv das Potential gehabt hätte, dass man doch so einige tanzende Menschen vor der Bühne hätte sehen können.

Als dann ein wenig später Rauhbein die Bühne betraten, war es dann doch schon etwas voller vor der Bühne – die ersten Reihen waren jedoch mehr mit Fans von dArtagnan und Schandmaul gefüllt, als mit Zuschauern, die wegen Rauhbein gekommen waren. Eine bessere Stimmung als zuvor war es aber dennoch, die Leute kamen in Schwund und in Stimmung, sich der Musik hinzugeben und Spaß zu haben. Das war dann am Meisten bei dArtagnan sichtbar – der Platz war voll, man stand eng zusammen, und schaute in freudige Gesichter, es wurde getanzt und jeder schien textsicher mitzusingen. Man könnte schon fast denken, sie seien der Hauptact des Tages gewesen, so bombastisch war die Stimmung.

Aber nein, es kamen ja auch noch Schandmaul – und es wurde noch voller, und dank kuschelig engem stehen, tanzen und genießen bemerkte man auch gar nicht, wie frisch es dann doch zur abendlichen Stunde geworden war. Gut durchmischt war die Setliste, voller Schwung, Power aber auch mit den ruhigen Momenten, die jeder zu genießen schien – jeder konnte etwas für sich finden, und so war dieser Tagesabschluss auf der Hauptbühne wirklich ein gelungener. Wie gelungen merkte man beim Verlassen des Geländes, wo Fans leise „Dein Anblick“ anstimmten als sie von Dannen zogen, und immer wieder stimmten die Überholten mit ein. Leise, aber doch mit Leidenschaft.

16.05.2023

Hatte man sich vom ersten Tag erholt, ging es am Freitag dann auch schon relativ früh wieder los – auf den kleineren Bühnen gaben sich Harmony Glen und die Cobblestones die Klinke in die Hand, und konnten bei sonnigem Wetter und warmen Temperaturen dann doch mehr Leute ziehen, als es am ersten Tag der Fall gewesen war. Und das, obwohl es generell weniger voll war als am Tag zuvor – den Brückentag hatten sich wohl nicht alle frei nehmen können, überraschend war es dennoch. Auf viel Zuspruch stießen auch wieder The Dolmen auf der Bühne der Spielleute, dass sie wieder dabei waren erfreute alle und das wurde auch im Nachgang noch auf Social Media als eines der positivsten Punkte hervorgehoben.

Auf der Hauptbühne startete das Programm dieses Mal sogar noch einen Ticken früher als vorher – und die Sandsacks waren wieder als Opener dabei, und hatten wieder mit der nicht vorhandenen Menge zu kämpfen. Es schienen noch weniger Fans vor der Bühne zu sein als vorher, man fand die Mehrheit dann doch erneut an den Getränke- oder Verkaufsständen an. Schlagartig wurde es dann aber voller, denn Fiddler´s Green wollte sich zu Recht niemand entgehen lassen.  Die Band rockte, wie sollte es auch anders sein, die Bühne und wie immer sprang der Funke problemlauf auf das Publikum über, auch wenn es kleine Startschwierigkeiten gab. Das Set strotzte vor Spaß und Power, und jeder hatte eine sichtbar gute Zeit – wie könnte es auch anders sein, wenn da eine Band ist, die weiß, wie mit dem Publikum agiert, quasi als Sahnehäubchen auf der guten Musik.

Das Highlight des Tages war aber dennoch eine andere Band – und zwar Knasterbart. Es stand das letzte Konzert der Bandgeschichte an, es wurde vom Veranstalter passend dazu kostenloser Fusel ausgeschenkt, die Bar leer getrunken und die Bühne war zwar mit für Späße zu habenden Musikern besetzt, aber man merkte dann doch die Melancholie des kommenden Abschieds direkt von Beginn an. Die ersten Reihen waren voller Fans, die sich zwar auf den Auftritt freuten, aber dann noch mit Tränen in den Augen dem Abschied entgegenblickten – die Band hatte eine Gemeinschaft geschaffen, was nicht oft in diesem Maße passiert. So war es dann auch wenig verwunderlich, dass sehr viele andere Künstler sich mit auf die Bühne gesellten und den Abschied zu einem sehr würdigen werden ließen, während die Band die „Klassiker“, die wohl jeder erwartet hätte, noch einmal spielten. Als es dann vorbei war, wurde es still. Fast schon gespenstisch still tauschten sich die Menschen in den ersten Reihen weitgehend aus, und es war schon fast so, als wären Knasterbart nicht da gewesen. Es wurde gepilgert zu den Ständen, der Frust-Met musste her, und dann ging das Pilgern zum Merchandise-Stand weiter – ein letztes Mal sich Souvenirs sichern.

Den Abschluss des Tages machten dann Subway to Sally, deren Set zumindest mich sehr überraschte – die Anzahl an alten und gut bekannten Liedern war groß, und die Mehrheit im Publikum doch sehr glücklich darüber. Selbst diejenigen, die die Band vielleicht nicht verfolgten, konnten mitsingen und dadurch dazugehören, und umso mehr genießen. Die band hatte sichtbar Spaß und war zu Scherzen aufgelegt, es gab Feuer (irgendwie ist es ein essentieller Teil fast jedes Tages-Headliners geworden), und ich persönlich hätte noch stundenlang so weiter machen können. In der Menge, oder an einem der vielen Feuer sitzend – es hätte kein besseres Ende des Tages geben können, gehypt und doch erschöpft zog man dann zu den Campsites, zum Heerlager oder doch klassisch wieder nach Hause. Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht.

17.05.2023

Ja, hier und da schaute man in ein paar müde Gesichter, wenn man sich durch die Gassen in Rastede auf den Weg zum Gelände machte – die Sonne, die lange Tage, das viele sich bewegen und der ein oder andere Met hatte dann doch sichtbare Spuren hinterlassen. Das schmälerte aber nicht die Vorfreude auf einen weiteren Tag mit Freunden, der Familie und noch vielen unbekannten Zuschauern, die Freundes-Potential haben könnten. Hier auf dem MPS hält man zusammen, verlorene Gegenstände sind schneller wieder beim Besitzer als dieser überhaupt gemerkt hat, dass er da etwas verloren hätte, das DRK kümmert sich mit viel Charme und Humor um all die Blessuren, die man sich auf dem Markt so holen könnte und ist auch musikalisch nicht ganz abgeneigt von dem, was da so vor sich geht. Die Ordner begrüßen einen mit einem ehrlichen Lächeln, und spät Abends wird man gefragt wie es denn war – wer da nicht gut gelaunt in den Tag startet und diesen wieder beendet, dem kann man nicht helfen.

Der Begann, wie der zu vor – mit den Cobblestones vor nicht viel Fans auf der Folkbühne, und das gleiche nur in Größer mit den Sandsacks auf der Hauptbühne. Irgendetwas muss sich da in der Zukunft tun, denn solche Auftritte sind einfach nur traurig – die Bands geben ihr Bestes, und bekommen dafür kaum Applaus, weil die Menge an Fans mehr als nur überschaubar ist. All die Bands, die so früh auf der Bühne stehen, haben einfach mehr Aufmerksamkeit und Zuspruch verdient. Danach folgte das selbe Spiel wie zuvor – in der Umbaupause wurde es dann wieder gut voll, denn Mr. Hurley & Die Pulveraffen sind dafür bekannt, nicht nur viel Publikum vor die Bühne zu ziehen, sondern den Bühnenbereich auch in eine einzige große Party zu verwandeln. Und wie erwartet, ist dies auch geschehen – er wurde (noch mehr als eh schon) getrunken, getanzt und lauthals mitgesungen – nicht immer schön, aber dann doch irgendwie einzigartig, schon allein das ließ einen den bewölkten und unsommerlichen Tag dann direkt mehr genießen.

Wer noch etwas vom Markt sehen wollte, der musste sich heute entscheiden – Markt sehen, oder einigermaßen etwas auf der Hauptbühne sehen können? Denn die Fans waren gekommen um nicht mehr zu gehen, die Wechsel der letzten Tage gab es nicht, und so erinnerte auch das Spectaculum an all die anderen Festivals, wo sich die Fans nicht mehr aus den ersten reihen seit den frühen Morgenstunden wegbewegten. Weiter ging es dort dann nämlich mit Versengold, die für ihre leidenschaftlichen und standhaften Fans durchaus bekannt sind – aber wenigstens dann auch trotz des langen Stehens gut Stimmung gemacht haben. Besonderes Highlight der Show um die Bremer Band waren die neuen Lieder des kommenden Albums, welche gespielt wurde, inklusiver einer Hommage an den Norden als absolute Live-Premiere. Nicht zu vergessen, dass sich Sänger Malte und Bassist Eike munter ins Volke stürzten um von da aus weiter zu musizieren – und sich dafür feiern zu lassen, denn nur noch die wenigsten Bands gehe so auf Tuchfühlung mit den eigenen Fans während der eigenen Show.

Als dann am Abend die Feuer angezündet wurden, so fand sich gefühlt der gesamte Markt vor der Hauptbühne ein, um sich Saltatio Mortis anzuschauen – wie jedes Jahr eine der Highlight-Bands, wenn man die Fans befragt – die Fangemeinde ist riesig, und ich denke ohne die Mittelalter-Märkte wäre die Band nie so groß geworden, wie sie es jetzt sind. Musikalisch hat sich einiges verändert, was aber die Meisten nicht zu stören scheint – den Wandel haben auch Versengold hinter sich, viel von den Mittelalter-Klängen von einst sind nicht mehr über, dafür ist es rockiger geworden, und politischer. Und das ist nicht notwendigerweise ein negativer Wandel, es ist einfach nur anders – und genau das hört man leise hier und da bei den Feuern, wo die weniger fanatischen Zuschauen sich wärmen und zum Takt den Kopf wippen.

Für mich war nach der Saltatio Mortis Show leider Schluss – während einer meiner Gänge über den vollen Markt hatte ich mir den Fuß vertreten, war beim DRK gelandet und hatte dort zwar eine gute Zeit mit viel Schnack über gute Musik, ein Auftreten war aber seither kaum mehr möglich. Daher ein Tipp an alle: festes Schuhwerk, und immer schauen, wo man hintritt, egal wie wuselig es um einen herum ist!

 

 

 

Carina Ullmann

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