Orden Ogan – The Sky is the Limit
Auch wenn Orden Ogan laut Wikipedia bereits 1996 existieren, einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden sie erst 2010. In diesem Jahr kamen ihr zweites Album „Easton Hope“ sowie ihr erstes Album „Vale“ als Re-Realease auf AFM heraus. Eines war auf diesen Alben bereits klar: Die Band bringt alles mit, was man braucht, um in melodischen Metal groß zu werden. Ein gutes Gespür für eingängige Melodien und funktionierende Arrangements und dazu die technischen Fähigkeiten, um ihre Ideen ansprechend umzusetzen. Die frühen Vergleiche mit deutschen Schwergewichten wie Running Wild und Blind Guardian waren durchaus angebracht. Seit dem Release von „Easton Hope“ gibt es für die sympathische, bodenständige Band aus dem Sauerland nur eine Richtung: aufwärts. Headliner-Touren, gute Chartplatzierungen, immer größere Venues… The Sky is the Limit! Oder doch nicht? Sänger Sebastian „Seeb“ Levermann klärt uns auf:
Zunächst möchte ich einen Blick in die Vergangenheit werfen: Ich habe mir vor dem Interview noch mal euer bisheriges Schaffen angeschaut. Mein Eindruck ist, dass ihr euren Sound mit „To the End“ gefunden habt. Stimmst du mir zu?
Nein! Ich denke, dass Orden Ogan immer schon das war, was es heute ist. Es ist natürlich völlig legitim, wenn du das anders wahr nimmst. Manchen sagen, dass „Easton Hope“ das Meisterwerk schlecht hin ist, andere halten alles außer „Gunmen“ für Müll. Das ist auch legitim und das wirst du bei jeder Band haben. Das gleiche gilt auch für Bands wie Iron Maiden oder Metallica. Vielen halten „Master of Puppets“ für das beste Metallica Album, ich hingegen „And Justice For All“. Bei Iron Maiden sind es oft „Number of the Beast“ oder „Powerslave“, ich sage „Fear of the Dark“.
Mir geht es nicht um gut und besser, sondern um den Sound. „Easton Hope“ und „Vale“ haben für mein Verständnis wenig von dem, was heute Orden Ogan ausmachen.
Sehe ich nicht so. Einen Song wie ‚To New Shores of Sadness‘ kannst du in einer Linie mit ‚To the End‘ oder ‚In the Dawn of the AI‘ sehen. Wenn man die Produktion anpassen würde, könnte er genauso auf „Final Days“ sein können, rein vom Spielerischen her. Aber es gibt natürlich eine Evolution und ich denke ich weiß, was du meinst. „Vale“ ist vom Songwriting her etwas verfahren, etwas einfacher, während „Easton Hope“ eher progressiv ist mit vielen verschiedenen Parts. Die Quintessenz, die Harmonien, die Melodien, die Grundausrichtung, die modernen Riffs findet man auf allen Alben. Ich verstehe aber, was du meinst. Auf „To the End“ haben wir versucht, die orchestralen Elemente zurückzufahren und dafür die Lead-Gitarren weiter nach vorne zu stellen. So schreiben wir zwar schon immer Songs, aber auf „Easton Hope“ haben wir viele Lead Gitarren durch Orchester substituiert. Dann wirkt natürlich der ganze Song anders. Im Kern waren Orden Ogan aber immer schon Orden Ogan.
Lass uns nochmal bei der Entwicklung des Sounds bleiben: In welche Richtung wolltet ihr euch mit „Final Days“ entwickeln?
Gar nicht, das ist nie ein aktiver Prozess. Das gleiche gilt für die Produktion. auch da nehmen wir uns nicht vor, ein Album zu machen, das noch fetter als „Gunmen“ klingt. Zwischen „Final Days“ und „Gunmen“ liegen drei Jahre, und das heißt drei Jahre mehr üben, drei Jahre mehr Ahnung haben und noch eine extra Mile mehr zu gehen. So kommen viele Details zusammen, die dafür sorgen, dass es in der Summe besser klingt. Das haben wir gemacht! Wir haben nochmal jeden Stein umgedreht, um zum Ziel zu kommen.
Eure Alben stehen seit jeher unter einem einheitlichen Konzept, was Cover, Titel, Lyrics und Bühnenkleidung anbelangt. Stell bitte einmal das Konzept von „Final Days“ vor!
So ein richtiges Konzept gibt es gar nicht. Wir waren anfangs recht planlos. Wir sind als Band recht nah am Publikum, sprechen mit unseren Fans, schreiben Autogramme und so weiter. Dabei ergeben sich viele Gespräche über die Musik. Gegen Ende der „Gunmen“-Tour kam in diesen Gesprächen dann oft die Frage auf, wo wir nach der postapokalyptischen Eiswelt von „To the End“, dem Geisterkloster im Sumpf („Ravenhead“) und dem Wilden Westen („Gunmen“) noch hin wollen. Ins Weltall, oder was? Nachdem wir die Frage oft gehört hatten, haben wir dann überlegt, tatsächlich ein SciFi-Album zu machen.
Bei den Themen KI, Androiden und Weltuntergang habe ich irgendwie an „Terminator“ gedacht…
Der Albumtitel stand relativ früh fest. Wir hatten dann erst die Überlegung, zehn Songs mit zehn unterschiedlichen Varianten zu machen, wie die Menschheit vor die Hunde geht. Insofern passt die Künstliche Intelligenz nicht ganz zu Terminator. Ich denke, wenn es auf diesem Wege eines Tages passieren sollte, wird es auch nicht wie bei Skynet* ablaufen. (* das Computersystem, das in den „Terminator“-Filmen versucht, die Menschheit auszulöschen – Anmerkung des Verfassers) Die KI würde sich wahrscheinlich nicht aktiv gegen die Menschen richten, wahrscheinlich würden wir ihr nur bei der Zielerreichung im Weg stehen. Das wäre dann ähnlich wie der Ameisenhaufen, der deinem neuen Haus im Weg ist. Den baggerst du auch einfach weg, weil er dir im Weg steht. ‚It is Over‘ handelt vom Einschlag eines Asteroiden. Wir hatten auch einen Song über einen Killervirus, den wir schon 2019 geschrieben haben. Den haben wir jetzt aber weggelassen. Das Cover-Upgrade mit der Maske ist übrigens auch schon 2019 entstanden.
Grundsätzlich bin ich gar kein Freund davon, mich zu sehr zu limitieren. Ich nehme gerne ein Wortfeld, das man mit dem allgemeinen Thema assoziiert und baue daraus dann Metaphern. Bei ‚Black Hole‘ denkt man wahrscheinlich zuerst an den Weltraum, eigentlich geht es aber um das Leid mit Depressionen. Ähnlich ist es bei ‚Heart of the Android‘, bei dem viele dachten, dass es um die Frage geht, ob Technologie eine Persönlichkeit entwickeln kann. Es geht aber eigentlich um jemanden, von dem erwartet wird, dass er wie ein Roboter funktioniert und seine Aufgaben erledigt, sein Seelenleben aber dabei völlig ignoriert wird. Ich arbeite sehr oft so. Auch auf unseren anderen Alben gibt es viele Beispiele dafür. So geht es bei ‚Vampire in Ghosttown‘ auch nicht um Vampire, sondern darum, mit der falschen Person in einer Beziehung zu sein. Schön ist es immer, wenn ich Jahre später von Fans angesprochen werde, die sagen, dass sie nun verstanden haben, worum es in einem Songtexte geht. So geht es mir ja manchmal auch bei fremden Songs.
Lass uns nochmal auf die Musik als solche zurück kommen: Würdest du mir zustimmen, dass „Final Days“ euer bislang poppigstes Album ist?
Ich würde sagen, dass es unser bislang vielfältigstes ist. Es gibt so Songs wie ‚In the Dawn of the AI‘, der auch vom gleichen Album wie ‚To the End‘ stammen könnte. ‚Hollow‘ ist sehr vertrackt und unser vielleicht härtester Song und könnte somit auch gut von „Easton Hope“ sein. Natürlich klingt ‚Inferno‘ ultra-poppig, aber wir hatte auch schon Songs wie ‚Farewell‘ auf der „Vale“, der auch nicht sehr weit davon weg ist. Jetzt haben wir auch einen Song wie ‚Let the Fire Rain‘ mit einem 80er Jahre Heavy Metal Riff. Ohne Quatsch, ich habe die ganze Ronnie James Dio Diskographie durchgehört, um sicherzustellen, dass wir das Riff nicht von Dio geklaut haben. Und der Chorus mit seinen Synthies könnte auch ein 80er Pop Chorus sein.
Das ist genau das was ich meine. Der Song ist keine Ballade, ganz klar, aber er hat starkes Pop-Appeal.
Das wird gerne als Schimpfwort benutzt, synonym zu einer Beleidigung. Das sehe ich aber nicht so. Ich verstehe was du meinst und nehme das eher als Kompliment, haha.
Ich habe vorhin schon die optischen Aspekte bei euch angesprochen. Auch dieses Mal habt ihr wieder sehr auffallende Kostüme, was mittlerweile Tradition bei euch hat. Wo kommt ihr an diese Kostüme?
Die Jungs sehen ja noch recht moderat aus. Mein „Imperator Seeb“ Kostüm ist von der Designerin Transylvania aus Köln. Die hat früher viel für das Fernsehen gemacht, unter anderem die ganzen Kostüme für Hella von Sinnen. Ich habe ihr in einer Mail geschrieben, dass mir was zwischen Hellraiser und Star Trek Nemesis vorschwebt und keinen Tag später kommt ein Scribble mit diesem Outfit zurück. Dann mal los, so einfach kann es manchmal gehen, haha.
Auch bei diesem Album habt ihr als Bonus eine Live-DVD dazu gepackt. Wo habt ihr die aufgenommen?
Die Aufnahmen stammen von der letzten Show von der „Gunmen“ Tour und damit von der letzten Show, die wir überhaupt gespielt haben. Das Event nannte sich „Saloon Showdown“ und fand im Saloon des Fort Fun Abenteuerlandes in Besteig im Sauerland statt. In diesem Saloon haben wir damals schon die Drum-Aufnahmen für die „Gunmen“ gemacht. Dort haben wir auch eine Listening Session und eine Release Party gemacht. Auch einige Parts für das ‚Gunman‘ Video sind dort gedreht worden. Außerdem ist die Location einfach cool, deswegen war es naheliegend, dort diese Show zu machen. Es stellt einen schönen Abschluss der „Gunmen“-Tour da.
Ihr seid wiederholt als „Erben von Blind Guardian“ bezeichnet worden. Was sagst du zu diesem „Titel“?
Interessanterweise habe ich das zu „Gunmen“-Zeiten kaum gehört, zur Zeit kommt es aber wieder häufiger vor. Ich kann dir erklären, wo das her kommt. Als die „Vale“ rauskam, hat Götz Kühnemund damals im RockHard gesagt, dass Orden Ogan der einzig legitime Blind Guardian Nachfolger ist. Der Metal Hammer hat zur „Vale“ geschrieben, dass Orden Ogan die neuen Running Wild sind. AFM fanden das cool und meinten, dass wir damit rausstellen können, dass die Band ihren ganz eigenen Sound hat, denn man kann ja nicht gleichzeitig wie Running Wild und Blind Guardian klingen. Aus diesem Grund kam das ins Presseinfo und hat sich dummerweise gehalten.
Ich habe das bisher kaum von Fans gehört. Wir denken auch nicht, dass wir wie Blind Guardian klingen. Ich habe mich auch mal mit Marcus von Blind Guardian darüber unterhalten. Er meinte, dass er den Vergleich auch nicht versteht. Die ganzen Harmonien sind komplett anders. Das einzige was uns verbindet, sind die Chöre, aber selbst die sind anders produziert als bei Blind Guardian. Es gibt sicher schlechtere Vergleiche als Blind Guardian, aber ich finde es nicht passend.
Das gilt auch für das Label „Power Metal“, das wir haben. Ich finde, das wird unserer Musik nicht gerecht. Natürlich benutzen wir Elemente des Power Metal, aber eben auch viele andere. Bei „Power Metal“ denke ich eher an die typischen „Happy Metal“ Bands. Ein paar von solchen Spaß Songs haben wir zwar auch, aber in Grunde ist alles wesentlich düsterer. Riffs wie im Zwischenteil von ‚New Shores of Sadness‘ findet man nicht im Power Metal. Einige unserer Songs haben, wenn man sich den Gesang und das Orchester weg denkt, viel mit Metalcore gemeinsam. Alles in allem denke ich, dass das Label „Power Metal“ am ehesten zu uns passt, aber eigentlich kochen wir unser eigenes Süppchen.
Auch wenn ihr mittlerweile schon ein paar Jahr mit Orden Ogan unterwegs seid, seid ihr nichtsdestotrotz noch eine vergleichsweise junge Band. Was können junge Bands heutzutage noch im Musikbusiness erreichen?
Ich persönlich habe mir da keine großen Ziele gesetzt. Mein Hauptziel habe ich erreicht, nämlich von der Musik leben zu können. Das gilt sowohl für Orden Ogan, als auch für mein Studio. Momentan ist es natürlich etwas schwieriger, da wir nicht touren können, aber sonst könnte ich von der Band alleine tatsächlich leben. Eine absolute Luxussituation, sein Hobby zum Beruf zu machen.
Unser Erfolg ist insofern immer weiter zu marschieren. Wir sind halt Musiker. Denk an David Bowie, der schon schwer krank war und trotzdem noch ein Album gemacht hat. Was soll er auch sonst tun? Er ist halt Künstler!
Kannst du dir vorstellen, dass es eine jüngere Heavy Metal-Band nochmal schafft, ein Arena-Niveau zu erreichen, ähnlich wie die alten Helden Iron Maiden, Judas Priest und Black Sabbath?
Die Frage erübrigt sich, wenn man sieht, welchen Satz Sabaton oder Powerwolf gemacht haben. Ich finde es großartig, dass diese Art von Musik heutzutage noch so viele Menschen erreichen kann. Beide Bands haben lange und hart dafür gearbeitet und haben meinen absoluten Respekt, dass sie dahin gekommen sind. Insofern kein Zweifel, dass das heute noch geht. Ob es an deren Alben liegt, die eine Band alle drei Jahre veröffentlicht, oder ob es doch anderen Faktoren liegt, weiß ich nicht. Wahrscheinlich wird die nächste Arena-Band auf Twitch geboren.
Lass uns am Ende noch über Lineup sprechen! Euer Gitarrist Tobi ist nicht mehr Teil der Band. Wie kam es dazu und wer ersetzt ihn?
Ich erzähle die ganze Geschichte von vorne, sonst wird das etwas kompliziert. Auslöser war, dass ich mir 2018 oder 2019 den Daumen gebrochen habe und deswegen nicht mehr Gitarre spielen konnte. Das war zwei Wochen vor einer Festivalshow, die wir nicht absagen wollten. Da Nils ein absolut fantastischer Bassist ist, war schnell klar, dass er meine Parts übernimmt. Ich habe dann nur gesungen, was mir total gut gefallen hat. Das Feedback der Fans, der Band und selbst von anderen Bands war richtig gut. Also haben wir uns gedacht, dass wir es dabei belassen. Gitarre spielen kann ich auch schließlich zuhause und im Studio genug.
Der Wechsel mit Nils an die Gitarre war also naheliegend. Dann stellt sich nur die Frage, wer jetzt Bass spielt. Die Besetzung erfolgte total unaufgeregt: Wir überlegten und einer sagte dann: „Steven“. Wir anderen so: „Ja, Steven!“ Also habe ich Steven angerufen und er meinte: „Ja, dann komme ich mal zum Proben vorbei.“ Steven ist der ehemalige Basser von Xandria. Wir kannten ihn von einer gemeinsamen Supporttour für Powerwolf und er ist einfach ein super Basser, ein echtes Monster auf der Bühne und, was uns total wichtig ist, ein total netter Typ.
Was Tobi anbelangt, will ich nicht zu sehr ins Detail gehen. Wir haben 2018 schon gemerkt, dass Tobi etwas off ist. Manchmal ändern sich im Privatleben einfach bestimmte Sachen. Wir haben das schnell gemerkt und mussten der Realität ins Gesicht sehen, auch wenn wir es so nicht wollten. Manchmal ist das einfach so. Das war eine echte Scheißzeit für mich, denn wir kennen uns schon super lange und Tobi ist einer meiner besten Kumpel.
Es war also klar, dass eine Veränderung würde kommen müssen. Jemanden zu finden war dann echt schwer. Das was wir spielen ist kein einfacher Stoff. Die Rhythmusgitarren schon nicht, aber die Leads erst recht nicht. Man muss also schon Gitarre spielen können. Dann kommt dazu, dass wir eine total tiefenentspannte Band ohne jeglichen Egoscheiß sind. Wir sind halt ganz normale, bodenständige Typen. Jemanden, der Gitarre spielen kann, zu uns passt und dann auch noch frei gewesen wäre, ist uns nicht eingefallen. Irgendwann rief mich dann ein Kumpel und empfahl mir Patrick Sperling. Ich kannte ihn bis dahin nur vom Sehen und fragte deshalb, was er für ein Typ ist. Mein Kumpel sagte, dass er aussieht wie eine junge Version von Zakk Wild, spielt wie eine junge Version von Zakk Wild und darüber hinaus ein Orden Ogan-Fan ist und nur 30 Minuten entfernt wohnt. Das klang wie ein Lottogewinn! Ich habe Patrick also angerufen und als erstes lacht er voll los. Ich fragte ihn dann irritiert, warum er lacht. Er meint nur, dass er gewusst hätte, dass dieser Anruf eines Tages kommen würde. Dann entgegnete ich, dass er dann die Frage ja kenne und er antwortete nur „Ja, ich weiß was du fragen willst, ich bin dabei!“ Patrick ist jedenfalls ein unfassbar guter Gitarrist. Wir haben jetzt vielleicht die stärkste Version von Orden Ogan, die wir jemals hatten. Ich freue mich schon auf Shows.
Ein schönes Schlusswort! Ich drücke die Daumen, dass es mit den Shows dann klappt.
www.ordenogan.de
Fotos: Band
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