Leipziger Buchmesse 2018: Lesen und Gelesen Werden
„Leipzig liest!“ – Das ganze Jahr über und vor allem Mitte März, während der Buchmesse, deren eigene Geschichte bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht.
Schon seit Mittwoch gab es in der gesamten Stadt diverse Veranstaltungen und Lesungen, ganz im Zeichen der Messe. Vom Bestattungsunternehmen, über das Max Planck Institut für evolutionäre Anthropologie bis hin zu Weinhandlungen – jeder wollte Teil des Bücherfrühlings sein. Am Samstag jedoch erschwerte ein neuerlicher Wintereinbruch die Anreise zum Messegelände. ÖPNV oder eigenes Auto? Nach Blick aus dem Fenster entschieden wir uns, doch das eigene Gefährt zu nehmen. Wie sich später herausstellte – eine weise Entscheidung. Der gesamte Bahnverkehr kam aufgrund eingefrorener Weichen bereits am Morgen vollständig zum Erliegen, Ähnliches galt für die Straßenbahnen. Einige Messe-Veranstaltungen mussten deshalb abgesagt oder verschoben werden.
Unsere Anreise verlief jedoch reibungslos und kurz nach 10 betraten wir die heiligen Hallen – Zusammen mit mehreren zehntausend weiteren Besuchern. Besonders die vielen Cos-Player fielen auf. Seit 2014 teilt sich die Buchmesse Gelände und Zeitraum mit der Manga-Comic Convention. Ein Gewinn für beide Seiten. Mehr Besucher, mehr Vielfalt und ein gegenseitiges Bewundern. „Ohne euch wäre die Messe nüscht“ belauschten wir später ein Gespräch auf der Toilette. So begegneten uns auf unserem Weg durch die Stände tausender Aussteller viele Perücken, tiefe Dekolletees, farbige Kontaktlinsen, fantasievolle Kleider und Kopfbedeckungen (die kreativste wohl ein japanischer Instant-Nudelsuppenbecher im Maxi-Format).
Die Stände wurden jedoch nicht nur von den verschiedensten Buch- und Zeitschriftenverlagen nach Leipzig geschickt. Vertreten waren auch TV- und Radio-Sender, Maler und Illustratoren, Antiquare, Lesestuhl- und Buchregalhersteller und sogar Städte sowie Universitäten. Ein breites Spektrum also.
Bei einigen Ständen wunderten wir uns allerdings schon, was genau sie auf einer Buchmesse verloren hatten. Der ADAC?? Ein Schnapslabel?? Der Bundestag?? Und ein Saunamöbelhandel?? Na ja, lassen wir das mal durchgehen. Was definitiv nicht auf eine Buchmesse gehört, sind „rechte“ Verlage. Bereits im Vorfeld gab es Diskussionen, ob oder ob nicht, diese Verlage zugelassen werden sollten. Das immer gleiche Argument: „Die Diversität muss gewahrt bleiben“ wurde auch hier gezogen. Protest formierte sich dennoch: an fast jedem zweiten Stand prangte der hashtag #verlagegegenrechts, ein Aktionsbündnis gegen rassistisches, antifeministisches und homofeindliches Gedankengut. Gut 80 Verlage (vor allem kleinere) haben ein Statement gegen rechte Hetze auf der Leipziger Buchmesse unterzeichnet. „Wir nehmen die Präsenz völkischer, nationalistischer und antifeministischer Verlage nicht wort- und tatenlos hin. Und werden wie in den letzten Jahren Protest organisieren, wo immer wir auf sie treffen.“
So gab es am Samstag eine Aktion gegen verschiedene rechte Verlage, bei dem es wohl auch zu Handgreiflichkeiten kam. Wir bekamen davon allerdings nichts mit. Was uns aber auffiel, waren die vielen bewaffneten Polizisten, die in den Hallen patrouillierten (vor allem in der Nähe rechter Verlage). Kein angenehmes Lesegefühl.
Kurz vor Toresschluss begaben wir uns noch zu einer Talk-Runde über H.P. Lovecraft. Drei Verlage (Festa, Golkonda, Fischer) stellten ihre Publikationen vor, die sich mit dem „Meister des übernatürlichen Horrors“ beschäftigten. Innerhalb einer Stunde gab es interessante Einblicke in den Lovecraft- bzw. Cthulhu-Kosmos. Zum Beispiel, dass Ridley Scott‘s „Alien“ die kleine Schwester von Cthulhu ist und, dass es in Spanien Cthulhu-Eis gibt.
Zwischen all den Millionen Büchern, die auf der Messe, aus- und vorgestellt wurden, fanden wir sogar eins, das wir mit nach Hause nahmen: Arthur Conan-Doyles (ja, der mit Sherlock Holmes) Reisetagebuch als Schiffsarzt an Bord der S.S. Hope. „Heute dreimal ins Polarmeer gefallen“ vom mare Verlag glänzt mit schickem Einband und Original-Abbildungen des Tagebuchs inklusive zum Teil sehr humorigen Zeichnungen des britischen Arztes und Meisterschriftstellers. Ein Kleinod und zum schnöden Lesen fast zu schade.
Photos: Amrei-Marie (CC-BY-SA-3.0, Buchmesse), Golkonda (Lovecraft), Katapult-Magazin (Punkbands)
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.