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The Blanko: Höre auf die Innere Stimme

Die drei extrem talentierten Jungs aus Helsinki, aus welchen die Band The Blanko besteht, durchleben im Moment ziemlich aufregende Zeiten. Das zweite Album Into The Silence hat gerade das Licht der Welt erblickt und ich plauderte ein wenig mit Pauli Hauta-aho, dem Gitarristen und Sänger der Band. Er hatte meine Interviewfragen etwa eine Woche vor der Album Releaseparty in Helsinki erhalten und gestand, dass er deswegen total aufgeregt sei, aber wie sich herausstellte, war er auch super-beschäftigt damit, das Album zu promoten. Was zu erwarten war.

Jedoch hatte er hinterher genügend Zeit, sich hinzusetzen und Antworten zu meine Fragen zu verfassen. wir führten eine nette und ziemlich ausführliche Diskussion via e-mail über die Philosophie bei The Blanko und die vielfältigen Aspekte ihrer Arbeit an ihrem zweiten Album.

Als ich euer neues Album anhörte, wurde mir klar, dass euer einzigartiger Stil sich noch stärker entwickelt hat. Kannst du uns etwas mehr über den Prozess erzählen, der zu diesem Album geführt hat? Was wolltet ihr damit ausdrücken?
Ursprünglich hatten wir ungefähr 40 mehr oder weniger fertige Songs am Tisch, von denen suchten wir die aus, die sich zu dieser Zeit am besten anfühlten. Unser Producer Erno Laitinen gab uns seine „Aussenseitermeinung“ zu den Songs und half uns so, Entscheidungen zu treffen. Unsere Arbeit ist grossteils auf Intuition aufgebaut, und die aktuelle Gefühlslage war präsent, als wir die Songs fertigstellten. Jeder Song hat seine eigene Seele, die uns sagt, was zu tun ist. Wenn ich neue Musik schreibe, brauche ich Raum und Zeit für mich selbst, so dass der flüchtige Augenblick der Kreativität stattfinden kann. Bei diesem Album sagt der Titeltrack Into The Silence etwas über die Botschaft dieses Albums aus: ”Deine Stimme ist viel zu kostbar, um sie an die Stille zu verlieren …” Auf deine eigene innere Stimme hören, sie zu verstehen und ihr zu vertrauen, sie laut auszudrücken – das ist eine der zentralen Botschaften dieses Albums.

Gibt es einen Song auf diesem Album, der dir besonders viel bedeutet?
Es ist noch immer so ein frisches Albu, dass alle Songs ihre eigene Wichtigkeit haben. Jeder Song hat seinen Platz, was aus einer bestimmten Situation oder Gefühlslage her kommt. Die Tracks des Albums sind ziemlich vielfältig, also ist es schwierig, einen bestimmten Song als einen Lieblingssong festzunageln. Ich wäre morgen schon völlig anderer Meinung.

Eure Musik wird als „Modern Retro Rock“ bezeichnet. Seid ihr da alleine in diesem Genre, oder findest du, dass noch mehr Bands diesen Stil mit euch teilen? Könnten diese Bands auch als muskalischer Einfluss auf die Musik von The Blanko genannt werden?
Tja, Musik ist eine universelle Sprache, die Leute auf so vielfältige Weise verbindet. Es ist natürlich cool, sagen zu können, dass du als Band ein eigenes Genre hast, aber ich glaub nicht, dass es vernünftig ist zu behaupten, dass dir der Spielplatz ganz alleine gehört. Viele andere spielen auch dort. Du musst dich einfach daran erinnern, dass es so viele Sichtweisen gibt wie es Menschen gibt. Eine weitere Band könnte z.b. exakt dieselbe Sache nur einfach anders bezeichnen.
Als Songwriter und Gitarrist sind Jeff Buckley und Jimi Hendrix meine Haupteinflüsse. Auch der Stand Up Comedian Bill Hicks hat viel von meiner Zeit beansprucht. Sie alle haben etwas gemeinsam. Sie haben mutig ihr eigenes Ding durchgezogen, und das hat auch The Blanko von Anfang an getan. Der inneren Stimme vertraut und versucht, ohne Furcht dem Pfad des Verständnisses zu folgen.

Welche Hoffnungen und Ziele hast du für The Blanko nun mit dem zweiten Album? Touring in Finnland, vielleicht auch ausserhalb Finnlands? Den grossen Durchbruch?
Into The Silence ist natürlich ein spezifischer Moment in der Bandgeschichte, und das Album setzt die Geschichte fort, die mit unserem ersten Album Flying Colours begann. Auch wenn ich die Alben nun nicht zu sehr an einem bestimmten Datum festmachen will.
Ich hoffe, dass Into The Silence die Leute Emotionen wahrnehmen lässt, die sie einen Schritt näher zu The Blanko bringt. Einen Schritt näher zu verstehen, dass Gefühle zeitlos sind und dass die Liebe zur Musik niemal stirbt. Die Person, die dieses Interview irgendwann mal in 1000 Jahren liest, wird wissen, was ich meine. 😉
Na klar würden wir gerne im Ausland spielen! Es gibt nicht so viele Leute in Finnland, und wir fühlen, dass wir so viel mehr zu geben haben. Das Problem ist, die richtigen Leute zu finden, die mit uns arbeiten wollen, auch wenn sie, sagen wir mal, nur halb so stark an uns glauben, wie wir es tun.

Den Moment zu leben und jeden Augenblick so zu schätzen, wie er eben passiert, scheint für dich sehr wichtig zu sein.
Das stimmt! Der Augenblick, der dich gefangen nimmt, kann einfach genial sein! Es ist einfach, einem Augenblick nachzuhängen, schwierig loszulassenb, aber es fühlt sich als notwendig an, dann doch loszulassen, um die Möglichkeit zu haben, den nächsten Augenblick zu geniessen, der da ankommt. Du musst gewissermassen Platz für eine neue Emotion machen. Auf diese Weise wird es ein Ganzes, das alles umarmt. Das ist auch die Art, wie ich Musikmachen sehen. Jede Idee muss ausgeschrieben und so vollständig wie möglich gemacht werden, es spielt keine Rolle, wie schlecht die Idee sein mag. Das ist die einzige Möglichkeit, Platz für neue Ideen zu machen.
Ich hoffe, das ist nun nicht zu hochtrabend… Hahah!

Nein gar nicht, keine Sorge. Es ist interessant, eine Einsicht in die Philosophie von The Blanko zu bekommen. Das bringt mich und hoffentlich auch die LeserInnen auch einen Schritt näher zur Band. Gehen wir trotzdem weiter. Ich habe bemerkt, dass ihr vor kleinem Publikum spielt (glücklicherweise nun wohl nicht mehr!), aber dennoch das volle stürmische Programm liefert. Es scheint, dass eure Arbeitsethik, die Attitüde eines Stadion-Rock-Acts und die Leidenschaft für Musik einfach durchbrechen. Woher stammt diese Energie?
Das meiste dieser Energie stammt sicherlich von unserer Leidenschaft, die wir für die Musik fühlen. Es gibt auch diese wortlose Kraft, die uns aneinander bindet – die Bühne ist unser Zuhause, wo wir total offen und ehrlich sein können, die Gefühle rauslassen und uns dem Moment hingeben können. Wenn der Gig super läuft, ist er wie eine Reise, und du vergisst alles um dich herum für eine Weile. Dann gibt es nur die Musik, und wir filtern sie in den Augenblick durch unsere Gefühle. Es gibt keine andere Möglichkeit, das zu erklären. Musik ist unsere Religion.

Mit dem zweiten Album kamen viele Veränderungen im The Blanko Team, etwa was die neue Plattenfirma betrifft, ihr seid nun bei Sony Music Finland. Wie hat dieser Wechsel den Arbeitsprozess beeinflusst? In einer Rezenzion der Single Face The Fear fragte jemand, ob der Vertrag mit einer multinationalen Plattenfirma bedeuten sollte, dass The Blankos Musik nun ”gefälliger” werde. Gab es Druck, ”eingängigere” Musik zu machen? Ist Modern Retro Rock auf dem Weg zur ”Gefälligkeit”?
Unsere Arbeit bleibt dieselbe, es spielt keine Rolle, welches Team im Hintergrund arbeitet. Ich meine, schreiben und arrangieren von Songs, Musik machen und kreieren – das ändert sich nicht. Ich schreibe und komponiere die Songs und normalerweise arrangieren wir sie gemeinsam mit den Jungs. Danach kommt die Feinarbeit mit unserem Producer Erno Laitinen.  Jedwede Erwartungen von Leuten, die mit der Plattenfirma zusammenhängen, müssen sich eigentlich – mehr oder weniger – darauf beschränken, was nach der Veröffentlichung des Albums passiert.
Der vielleicht grösste Unterschied in der Produktion von Flying Colours und Into The Silence war der eigentliche Aufnahmeprozess. Flying Colours wurde in drei getrennten Sessions aufgenommen, wohingegen Into The Silence gewissermassen ”eine einzige Reise” war. Wir hatten nur zu Weihnachten mal Pause, und dann musste ich vom Gesangaufnehmen eine Pause nehmen wegen einer Erkältung.
Jedoch stellte sich heraus, dass alles einen Grund hatte. Als ich krank war, schrieb ich drei Songs, und einer davon war „Let Me In“. Nachdem ich ihn den anderen per e-mail geschickt hatte, verfolgte er uns irgendwie so lange, dass er schliesslich auf dem Album endete!
Was das ”gefällig” sein betrifft, dazu hab ich nicht viel zu sagen. Ausser, dass ich es toll fände, wenn sich mehr Türen öffnen würden für Musik, die etwas anspruchsvoller ist, wenn die Leute nur aufwachen würden aus dem komatösen Zustand, der von Reality TV ausgelöst wurde. Ich bin ernsthaft überzeugt davon, dass durch Livemusik tolle Emotionen erfahren werden können, und ich will Teil von dieser Ursprünglichkeit sein.

Wie kam es, dass Gastmusiker bei diesem Album mitmachten – wie kamen sie zu diesem Projekt? Wie war es, mit ihnen zu arbeiten? (Cellist Eicca Toppinen von Apocalyptica und Gitarrist Angelo Bruschini von Massive Attack sind beide als Gastmusiker am Album zu finden.)
Ich traf Eicca Toppinen in den Inkfish Studios in Helsinki damals, als wir Flying Colours aufnahmen. Er erzählte mir, dass er bei unseren Gitarrensessions an der Tür gelauscht hatte und als wir uns dann trafen bei einigen The Blanko Gigs, sagte er mir, dass er ein echter Fan sei. ´Absurd´ mag das richtige Wort sein, was ich in diesem Moment dachte! Ein Mann, der schon alles gesehen hat, ist Fan unserer Band? Aber so war es. Dann fasste ich mir ein Herz und fragte ihn, ob er beim Album mitmachen wollte. Er und sein Cello sind bei Krazy Heart zu hören.
Ich lernte Angelo Bruschini vor ein paar Jahren kennen über einige andere Kanäle in der Musikindustrie. Nach einem langen Studiotag rief ich ihn an und fragte, ob er auf unserem neuen Album vertreten sein möchte. Er freute sich sehr, etwas machen zu können und spielt bei Fade Away, dem Abschlusstrack des Albums.
Wir gaben unseren Gastmusikern jede Freiheit und sind sehr froh über deren Input.

Also, normal seid ihr nur zu dritt in der Band. Es muss so sein wie unter Brüdern, oder zumindest stell ich mir das so vor. Habt ihr eine bestimmte Rollenaufteilung innerhalb der Band?
In der Tat, wir sind wirklich sowas wie Brüder. Im Guten wie im Schlechten – aber hauptsächlich im Guten. Wir kennen einander wirklich sehr gut und manchmal sind wir wie Tick, Trick und Track, wenn wir gegenseitig unserere Sätze beenden.
Die Rollenaufteilung ist ziemlich klar: Jakke an den Drums, Marko am Bass und ich singe und spiele Gitarre … Hahah! Naja, nein, ernsthaft, wenn wir darüber reden, wie sich die Rollen ausserhalb des Spielens eines bestimmten Instruments verteilen, hängt es von der Situation ab. Heutzutage muss jeder, der in einer Band spielt, auch gewisse Fähigkeiten am Computer haben, T-Shirts verkaufen, einen Bandbus fahren und Kenntnisse der Gesetzeslage haben, wenn es z.b. um Verträgeunterzeichnen geht. Diese Liste ist ziemlich lang, also müssen wir eine Art von Schichtdienst zum Abarbeiten unserer „to-do-list“ haben.

Gut, dass ihr eine klare Rollenaufteilung habt… Hahah! Wäre auch zu verwirrend, dich beim nächsten Gig hinter den Drums zu sehen… Tja, das war schon ein ausführlicher Chat und ich weiss, dass ihr viel zu tun habt mit der Albumpromotion – gibt es noch etwas, das du gerne den STALKER LeserInnen mitteilen möchtest?
Geniesst den Herbst! It´s the best, at its best!

Johanna: Vielen Dank für deine Zeit, Pauli, es hat Spass gemacht, mit dir zu plaudern. Ich warte schon auf die Into The Silence Tourdates und empfehle in der Zwischenzeit den STALKER LeserInnen, sich Into The Silence reinzuziehen. ROKK, Bple! (Wie es The Blanko oft ausdrücken) 🙂

Autor: Johanna Ahonen, transl. K.Weber Photos: The Blanko / Veli Granö, J. Ahonen (live-shots)

GastmitarbeiterInnen / guest contributions

Reguläre GastmitarbeiterInnen u.a. Melanie Kircher, Tatjana Tattis Murschel, Grit Kabiersch, Marina Minkler, Maria Levin, Jasmine Frey, Nina Ratavaara, Elvira Visser, John Wisniewski