Helsinki Metal Meeting 2012
Freitag, 17.2.2012 Interaktive Fotogalerie am Textende
Die Apokalyptischen Reiter eröffneten die diesjährige Finnish Metal Expo/ das diesjährige Helsinki Metal Meeting. Es drängelten sich bereis für diese Zeit (17:30 Uhr) ungewöhnlich viele Pressevertreter im Fotografengraben, wovon gefühlt die Hälfte Deutsch sprachen. Ein ähnliches Verhältnis von Deutschen und Finnen bemerkte ich im Publikum und in mir schwelte der Verdacht, dass ich sich da eine Wissenslücke vor mir auftat. Dieser Verdacht bestätigte sich auch, als ich die ersten Songs, u.a. „Revolution“ hörte. Mir war der Keyboarder Dr. Prest auf Anhieb sympathisch, erinnerte er mich doch stark an meine Lieblingsband Turmion Kätilöt. Allerdings überraschten mich die zum Teil sehr hoffnungsvollen Texte („Der Weg“), hatte ich mir doch unter dem Bandnamen mehr Düsternis und Mittelalter vorgestellt.
Frontmann Fuchs beeindruckte mich sehr mit seinem Gesang. Er schaffte es auch mühelos, die Leute zum Fäuste strecken, Auf-und-ab-hüpfen und näher zusammen rücken zu animieren. Beim Titel „Seemann“ bat er eine Dame auf die Bühne und freute sich bereits auf eine Finnische Lady. Diese entpuppte sich allerdings als Deutsche, die natürlich trotzdem von den Fans im Schlauchboot auf Händen getragen wurde. Was soll ich sagen, wer sich schon so zeitig eingefunden hatte, wusste warum. Und Dank kostenlosem WLAN konnte man kleine Wissenslücken schnell füllen…
Zum nächsten Gig ging’s einmal quer über das komplette Messegelände an allen Ständen vorbei zur Puristamo-Bühne. So schnell wie ich waren nicht viele, es gab ja auch viele interessante Dinge zu sehen. Deshalb wartete die Band auch ein paar Minuten, bis wenigstens eine Handvoll Leute den Weg gefunden hatten. (GK)
Auf dem Weg von der Haupt- zur kleinen Bühne fiel einem sofort auf, wie klein die Expo geworden war. Schon letztes Jahr waren weniger Aussteller dagewesen als früher – ich denke mit etwas Wehmut an 2006 zurück, als sich fast 70 Stände auf 3 Hallen verteilten – aber diesmal waren keine vierzig mehr übrig, und alles passte in einen Saal. Glücklicherweise waren wenigstens ein paar Newcomer dabei. Der esoterische Parfümstand war mehr von optischem als von praktischem Wert, aber es waren mehrere bedarfsgerechte und einsteigerfreundliche Services für Bands dabei, von Posterdruck und Merch (Keikkajuliste.net, Sound Industries) bis zu Proberäumen und Anlagenverleih (Sound-Inn, SoundHire).
Photo: Tina Solda
Am interessantesten war Music Kickstarter, eine neue Plattenfirma auf Cloud-Basis, die nach eigenen Worten bestrebt ist, sich als kreativitäts- und kollaborationsbetonte „Community-Platform“ für MusikerInnen und die Industrie zu etablieren, wobei alle Rechte am produzierten Material in den Händen der Bands bleiben. Gegen eine geringfügige jährliche Servicegebühr bietet die Firma Vertragsverhandlungen, Rechtemanagement, Industriekontakte, Kollaborationsmöglichkeiten und den weltweiten kommerziellen Vertrieb, in physischer wie auch in digitaler Form. Angesichts der Misere der eher zur Verteufelung des Internets neigenden traditionellen Plattenindustrie erscheint die Zeit reif für künstlerorientierte Graswurzelinitiativen dieser Art, und ich wünsche dem ehrgeizigen Unterfangen alles Gute.
Die räumliche Verkleinerung der Veranstaltung war im Hinblick auf die gesunkenen Besucherzahlen durchaus gerechtfertigt – zum zweiten Mal nacheinander waren weit unter 4000 Leute da, früher dagegen 5000 oder mehr – und gibt ein bißchen Anlass zur Sorge um die Zukunft der FME. Ein willkommener Vorteil des neuen Layouts war aber immerhin, dass es erstmals einen Schankbereich an der kleinen Bühne gab.
Photo: Tina Solda
Die erste Band auf selbiger war Artificial Heart aus Tuusula, eine Death-Metal-Band mit starkem Metalcore-Einschlag und ziemlich fettem Sound. Letztes Jahr hatte ich sie beim Bandwettbewerb von Century Media verpasst, aber ihre Fantruppe dort war unübersehbar gewesen. Zum Sieg reichte es zwar nicht, aber dafür wurde ihr Demo bei den weiter unten noch ausführlicher zu erwähnenden Finnish Metal Awards zum besten des Jahres gewählt, und einen Vertrag heben sie mittlerweile auch in der Tasche. Das Debütalbum soll im Laufe dieses Jahres bei Spinefarm erscheinen. Eine interessante Nachwuchsband mit ordentlich Live-Potential, vor allem dank des energiegeladenen Frontmanns Matias Jyläskoski. (TS)
Kaum bei Artificial Heart eingetroffen, begannen sie sofort wie die Berserker in die Mikros zu brüllen. Dabei ging leider sehr viel von dem Klargesang und Shouts der zweiten Stimme und der eigentlich sehr anspruchsvollen Komposition verloren. Einen deutlich besseren Eindruck hinterlässt die Band auf myspace, wo man sich „City of Lights“ und „Broken Bones & Buried Dreams“ in deutlich besserer Qualität anhören kann. (GK)
Photo: Tina Solda
Auf der großen Bühne ging es danach mit Oldschool weiter, von denen ich ehrlich gesagt noch nie etwas gehört hatte – was aber offensichtlich auch für den Rest des dünn gesäten Publikums weitestgehend zutraf. Laut Veranstalterinfo stammen sie aus St. Petersburg und sind dort wohl auch recht bekannt, aber Tatsache ist leider, dass selbst die größten russischen Bands diesseits der Grenze praktisch keiner kennt. Was Oldschool angeht: der Name trifft zu, sie klangen wie eine klassische Hardrockband aus den Siebzigern und sahen auch so aus. Ihren Job machten sie gut, musikalisch waren sie aber weniger mein Ding – das Ganze wirkte wie ein Covergig, obwohl die Band ihr eigenes Material spielte. [TS]
Die Schweden Deals Death bekamen morgens einen Anruf ihrer Plattenfirma Spinefarm mit der Info, dass eine andere Band ausgefallen sei, und Punkt 19:30 rockten sie die Puristamo-Bühne. Ich finde, sie waren sehr guter Ersatz und so nach und nach füllte sich auch die Fläche vor der etwas undankbar (ab)gelegenen Bühne. Soundtechnisch gab es ordentlich Bass auf die Ohren und … na gut, ich geb’s zu … es gab ordentlich was für die Augen und ich habe mehr hingesehen als hingehört.
Soen nennt sich die neue Band um Ex-Opeth-Drummer Martin Lopez, Bassist Steve DiGiorgio (hat u.a. bei Death oder Testament gespielt), Sänger Joel Ekelöf (ehemals bei Willowtree) und Gitarrist Kim Platbarzdis. Nach den ersten etwas unsicheren Tönen begrüßte uns die Band zu ihrem allerersten Gig und bedankten sich gleich auch fürs Kommen. Danach präsentierten Soen Songs ihres Debut-Albums „Cognitive“ unglaublich sensibel umrahmt von abwechselnd harten Bässen oder leisen, langsamen Tönen oder einfach nur der ebenfalls sehr gefühlvollen Zweitstimme von Kim Platbarzdis. (GK)
Photo: Tina Solda
Am Stand von Sound Shop wurde derweil ein Tisch für die Autogrammstunde der Pearl-Drummer Adrian Erlandsson (Paradise Lost), Kai Hahto (Swallow the Sun), Jan Rechberger (Amorphis) und Heikki Saari (Norther) vorbereitet. Der fünfte Stuhl in der Mitte blieb leer: es wäre der Platz von Tonmi Lillman (Lordi, Ajattara u.v.a.m.) gewesen, der zwei Tage zuvor verstorben war. Sein plötzlicher Tod mit nur 38 Jahren kam völlig unerwartet für seine Angehörigen und Freunde, einschließlich der vier Kollegen hier am Tisch. Die in seinem Andenken verteilten Fotokarten waren eine taktvolle Ehrung für diesen talentierten und vielseitigen Musiker, der sein Drumkit viel zu früh verlassen musste. [TS]
Bei Axegressor war der Name Programm. Der Sound war laut und aggressiv. Zudem wurde ich beim Eintritt in den Fotografengraben erst mal „getauft“, höchstwahrscheinlich stilecht mit Bier. Ansonsten hatten zu diesem Gig auf der Puristamo-Bühne erstaunlich viele Leute den Weg gefunden. Und zum ersten Mal konnte ich auch etwas Bewegung im sonst eher zurückhaltenden Publikum ausmachen. Auf der Bühne ging natürlich die Post ab, die Bewegungsfrequenz von Johnny Nuclear Winter & Co stand der Drumfrequenz um nichts nach. (GK)
Photo: Tina Solda
Der zweite Debütgig dieser FME stellte ebenfalls das neue Projekt eines Exmitglieds einer legendären skandinavischen Band vor: ICS Vortex. Im Gegensatz zu Soen, die in vieler Hinsicht stark nach Opeth klangen, ließ sich jedoch Vortex seine Dimmu-Vergangenheit nicht weiter anmerken. Sein Solomaterial ist schwer einzuordnen, man könnte es grob als Groove-Metal mit stark progressiver Tendenz bezeichnen. Der Bass spielte erwartungsgemäß eine wichtige Rolle, wurde allerdings von Steinar Gundersen gespielt, während Vortex die Gitarre bediente und sang. Die Publikumsreaktionen waren sehr gemischt – die Kommentare, die ich mitkriegte, reichten von „geil“ bis „beschissen“. Ich selber war anfangs recht skeptisch, aber im Verlauf des Gigs fand ich immer mehr Gefallen an der Sache. Keine Mischung, die auf Anhieb reinhaut, aber ein interessantes Projekt, dem es gelingen könnte, sich eine ganz eigene Nische einzurichten.
Photo: Tina Solda
Es kann wirklich nur am Zeitplan gelegen haben, dass Swallow the Sun sich mit der kleinen Bühne zufrieden geben mussten. Die sechs Bandmitglieder fanden kaum Platz, und der nicht besonders große Saal war auch nicht für eine Band mit Headlinerqualitäten geschaffen, deren neues Album eine Woche zuvor auf Platz 2 in die Charts eingestiegen war. Das Album bildete auch den bei weitem größten Teil des Sets, dem ein originelles Intro vorausging: das Wiegenlied „Sininen Uni“, das Juha Raivio vor kurzem als eine der Hauptinspirationsquellen für das Konzept der neuen Scheibe bezeichnet hatte. Einschlafgefahr bestand während des intensiven und leidenschaftlichen Gigs freilich zu keinem Zeitpunkt. Angesichts der wichtigen Rolle der Frauenstimme in „Cathedral Walls“ wäre es schön gewesen, statt dem Playback eine Gastsängerin dabei zu haben, aber die Originalstimme Anette Olzon aus Schweden einzufliegen wäre etwas teuer gewesen, und einen passenden Ersatz zu finden vielleicht nicht die leichteste Aufgabe…
Photo: Tina Solda
STS spielten etwas über die angesetzten 45 Minuten hinaus, daher ging ich während des letzten Stücks, um nicht den ersten Song von Paradise Lost zu verpassen. Von der Atmosphäre her passten die zwei Bands perfekt nacheinander, und es schien, dass viele Leute speziell wegen diesen beiden gekommen waren. Auch vor der Hauptbühne war jetzt endlich richtig was los. Nick Holmes war offensichtlich froh, wieder hier zu sein und lobte die unübertroffene Gastfreundlichkeit in Helsinki, das er nach eigener Aussage noch nie nüchtern verlassen hat. Die Band erschien mir noch besser in Form als im Nosturi vor gut zwei Jahren, schade war bloß, dass kein Song von meinem PL-Favoriten Icon auf dem Programm stand. Zum Ausgleich gab´s dafür ein paar Leckerlis von Draconian Times und One Second. Wir kriegten sogar eine Kostprobe vom erst im April erscheinenden neuen Album zu hören: „Honesty in Death“ fügte sich nahtlos ins Gesamtbild ein und lässt für die anstehende Veröffentlichung Gutes hoffen.
Photo: Tina Solda
Nach der melancholischen Schönheit von Swallow The Sun und Paradise Lost hätte ich mich beim besten Willen nicht für deutschen Powermetal begeistern können, zumal es noch nicht mal Mitternacht war und Edguy erst um 00:30 anfangen sollten. Stattdessen gingen wir ins Virgin Oil, einen Club im Stadtzentrum, wo Waltari einen Covergig spielten. Was insofern keine Überraschung war, als dass sie kürzlich zum 25-jährigen Bandjubiläum ein Album mit Coverversionen herausgebracht hatten. Die Show war aber eher von Unterhaltungs- als von musikalischem Wert, und ehrlich gesagt hätte ich nichts dagegen gehabt, wenn stattdessen Paradise Lost eine halbe Stunde länger gespielt hätten… [TS]
Edguy fanden nach 6 Jahren Abstinenz endlich mal wieder den Weg nach Finnland. Und sie wurden sehnsüchtig erwartet. In den ersten Reihen herrschte starkes Gedränge und einige wirkten stark gequetscht. Das Publikum ließ auch geduldig alle Animations-Spielchen wie Handzeichen-Jubeln und Hei-Rufe über sich ergehen. Nagut, als Frontmann Tobias Sammet meinte, hier wäre die beste Heavy-Metal Location, schmeichelte das mir das schon. In Finnland gehört Metal zur Kultur, während es in Deutschland eher als Muskelkrankheit angesehen wird. Und zwischendurch gab‘s auch Musik, überwiegend von den letzten beiden Alben „Age of the Joker“ und „Fucking with Fire“. Mehr davon – die Show war echt freakig – und dann dürft ihr auch öfter kommen. (GK)
Setlist: Nobodys Hero / The Arcane Guild / Tears of Mandrake / Rock of Cashel / Lavatory / Robin Hood / Drumsolo / Ministry of Saints / Save Me / Babylon / Superheroes / Encore: Vain Glory Opera / King of Fools
Samstag, 18.2.2012
Auch der zweite FME-Tag begann im Zeichen großer Melodien und packender Atmosphäre, diesmal dargeboten von Evergrey.
Photo: Tina Solda
Schade, dass sie so früh anfingen, genauer gesagt bereits nachmittags um halb vier. Ich wollte trotzdem von Anfang an da sein, was ich allerdings nicht ganz schaffte. Als ich ankam, waren sie schon bei „Masterplan“, und nur zwei Songs später gingen sie bereits von der Bühne, was mich dann doch etwas irritierte. Hätten die nicht einen längeren Set spielen sollen…? Zum Glück kamen sie schnell wieder zurück und machten weiter, eingeleitet vom schönen langen Keyboardintro von „Recreation Day“. „Broken Wings“ danach war der große Moment von Gitarrist Marcus Jidell, der sich dabei den Flirtversuchen von Tom S. Englund nicht ernsthaft erwehrte. Aber danach war leider wirklich schon Zeit für den letzten Song – in Englunds Worten, „thank you so very much, get fuckin´ drunk, stay gay, this one´s called A Touch Of Blessing!“ [TS]
Da Evergrey etwas überzogen hatte, kam ich leicht verspätet zum Gig von Pressure Points. Nach und nach kamen noch ein paar Leute dazu, die nicht unterwegs an den Ständen hängen geblieben sind. Nach einem halben Jahr Pause war es heute das erste Konzert mit Timo Ruokala als festes neues Bandmitglied. Ich finde, diese Entscheidung war sehr gut. Ich empfand das Zusammenspiel zwischen Gitarre, Bass, Keyboard, Drums und Gesang sehr gut. Dieses Zusammenspiel gipfelte in sehr langen Instrumental-Sessions, die ausreichend Zeit zum Headbanging boten.
Zum Konzert von Ghoul Patrol war ich pünktlich und bekam noch den letzten Hauch Soundcheck mit. Aufgrund des strikten Zeitplans ging’s dann aber auch gleich los. Allerdings hatten sie wohl trotzdem noch einige Probleme mit der Technik/ den Instrumenten. Beim zweiten Song verschwand Gitarrist Jani Rapo kurzerhand von der Bühne. Frontman Pekka Okuloff kommentierte die Pausen, die dadurch zwischen den Songs entstanden, sehr finnisch mit „vittu“ [fuck]. Ansonsten versuchte er die Probleme durch Show-Einlagen auf den Boxen nah am Publikum wettzumachen. Ab dem dritten Song war Jani Rapo mit neuer Gitarre zurück und es gab die komplette Dröhnung aus Growl-Gesang, Bass und Gitarren-Geschrammel. Trotzdem endete der Gig überraschend schnell und sehr abrupt.
For the Imperium legten sofort mit voller Power los. Es war unglaublich viel Bewegung auf der Puristamo Bühne, selbst der Boxenturm war vor einem Ansturm von Bewegung nicht sicher. Und auch die Mimik des Sängers Hakim Hietikko spiegelte jede Menge Gefühle wider. Das Publikum dagegen wirkte auf mich absolut überrannt. Auf die Begrüßung „Hyvää ilta“ [Guten Abend] gab es nur eine wirklich lautstarke Antwort. Aber immerhin waren ziemlich viele Leute da und die applaudierten auch.
Aus der Sicht vom Fotografengraben mag ich den Einsatz von Nebelmaschinen überhaupt nicht. Es ist wahnsinnig schwer, durch den Nebel hindurch ein scharfes Foto zu machen. Bei Amoral muss ich aber zugeben, dass sie mit dem Nebel eine wirklich sehr schöne Atmosphäre kreiert haben. Praktischerweise benutzten sie auch Windmaschinen intensiv. Die ließen nicht nur die langen Haare effektvoll wabern, sondern pusteten den Nebel auch gleich wieder weg. Zusätzlich war das Licht die meiste Zeit über sehr gut zum Fotografieren, das nur (wie üblich) die ersten drei Songs über erlaubt war. Gegen Ende des dritten Songs flackerte das helle Licht in extrem schnellen Intervallen, so dass ich getrieben von der Angst, es könnte einen epileptischen Anfall auslösen, mich schnell verzog. Von der Bar auf dem Balkon genoss ich dann vor allem noch die Gitarren-lastigen Passagen des Gigs. (GK)
Vor einem Jahr hatte es am Ende der Verleihung der jährlichen Finnish Metal Awards geheißen, dass dieses Jahr alles anders würde, mit neuen Kategorien und so weiter und so fort. Aber als im November das Wahlformular veröffentlicht wurde, sah es doch wieder genauso aus wie immer. Neu war nur, dass diesmal der große Gewinner nicht von vornherein feststand, da weder Mokoma noch Stam1na 2011 neue Alben herausgebracht hatten. In ihrer Abwesenheit hätte normalerweise Nightwish abgeräumt. aber anscheinend hatten sie ihr Album entweder zu spät im Jahr veröffentlicht, oder es war nicht „metal“ genug, denn diesmal gingen die Preise stattdessen an Turisas.
Photo: Tina Solda
Die größte Überraschung waren dabei nicht deren vier ersten Plätze, die sie erzielten, sondern der, den sie nur um ein halbes Dutzend Stimmen verpassten: noch nie war ein Geiger mit klassischer Ausbildung so nahe am Titel des besten Instrumentalisten im finnischen Metal wie Olli Vänskä dieses Jahr. Lobende Erwähnung gebührt auch Insomnium, die meiner Meinung nach ruhig in einer der Kategorien hätten gewinnen dürfen, in denen sie Zweiter wurden.
Die Top 3 der jeweiligen Kategorien lauten wie folgt:
Band:
01. Turisas
02. Insomnium
03. Nightwish
Album:
01. Turisas – Stand Up And Fight
02. Insomnium – One For Sorrow
03. Nightwish – Imaginaerum
Sänger(in):
01. Mathias D.G. „Warlord“ Nygård (Turisas)
02. Tomi Joutsen (Amorphis, Sinisthra)
03. Niilo Sevänen (Insomnium)
Instrumentalist(in):
01. Tuomas Saukkonen (guitar/drums/keys, Before The Dawn, Black Sun Aeon, RoutaSielu)
02. Olli Vänskä (violin, Turisas)
03. Alexi Laiho (guitar, Children Of Bodom)
Newcomer:
01. Constantine
02. RoutaSielu
03. Battle Beast
Demo/Selbstkostenproduktion:
01. Artificial Heart – Broken Bones & Buried Dreams
02. Nerve End – Axis
03. Standing Ovation – Scars Suit Me
Albumcover:
01. Turisas – Stand Up And Fight (Album art by Pasi Juhola & Titanik Helsinki)
02. Insomnium – One For Sorrow
03. Nightwish – Imaginaerum
Photo: Tina Solda
Ein ziemlich cooles Album, das 2011 das Licht der Welt erblickte (aber zu abgefahren ist, um irgendwelche Awards zu gewinnen), war Kosmonument von Oranssi Pazuzu, die als nächstes auf der kleinen Bühne spielten. Ich weiß nicht, ob es psychedelischen Spacemetal gibt, aber eine bessere Beschreibung für die Mucke dieser Band fällt mir nicht ein. Live hat sie gewisse Trance-Qualitäten und lädt dazu ein, die Augen zu schließen und sich dem Fluß des Universums hinzugeben, zumal die Songs keine erkennbaren Strukturen haben und die knapp bemessenen Gesangspassagen kaum zu hören sind. Völlig anders, als was es sonst so auf der FME zu hören gab, aber interessant genug, um recht viel Volk anzulocken. [TS]
Meine erste Empfindung, die ich verspürte, als die Engel … ups … als Engel die Bühne betraten, war einfach nur ein Höllenlärm. Die Drums klangen wie Paukenschläge. Nachdem ich vom ersten Song nur Wummern mitbekommen habe, wurde glücklicherweise das Mikro an den Drums neu ausgerichtet und dann bemerkte ich auch die energetische und sehr kraftvolle Stimme von Gott … ups, schon wieder … also des Sängers Mangan natürlich, die sich auch in seinen Bewegungen widerspiegelte. Beim letzten Song erwachte auch endlich das Publikum aus seiner Froststarre und die erste Reihe startete ein kollektives Headbanging. Der Versuch, ein paar Reihen dahinter auch eine Runde Pogen anzustoßen, fand leider nur drei Mitstreiter und wurde kurz darauf wieder abgebrochen. (GK)
Photo: Tina Solda
Während der FMA-Preisverleihung wurde der zweitplazierte Sänger Tomi Joutsen nur als Solist von Amorphis genannt, aber auftreten tat er stattdessen mit seiner weit weniger bekannten anderen Band Sinisthra. Angesichts seiner Popularität mit den erstgenannten hätte ich eigentlich mehr Publikum bei diesem Gig erwartet, aber Sinisthra haben seit Jahren keinen Plattendeal und spielen so selten live, dass es eigentlich kein Wunder ist, wenn sich die Allgemeinheit nicht an sie erinnert. Das Sextett veröffentlichte 2005 ein Album, von dem allerdings kein einziger Song gespielt wurde; stattdessen gab es drei Stücke vom Demo 2008 und ein ganz neues. Soweit ich den Titel richtig verstanden habe, lautet er „The Shining Transience“. Mit diesen vier Songs war die halbe Stunde Spielzeit auch bereits ausgefüllt, da allein der Opener „Closely Guarded Distance“ schon die Hälfte davon in Anspruch nahm. Vielleicht nicht gerade der leichteste Einstieg, aber das umfangreiche Epos demonstriert eindrucksvoll die Qualitäten von Sinisthra: komplexe, dynamische Songstrukturen mit einem Gespür für dramatische Effekte, packende Melodien und poetische Texte, dargeboten von einem der besten Sänger Finnlands. Es wäre wirklich zu wünschen, dass sie ihr zweites Album eines Tages veröffentlicht bekommen. [TS]
Von hinten sahen die Männer von Fleshgod Apocalypse sehr elegant aus in ihren Fracks. Mit den ersten Tönen drehten sie sich jedoch um und mutierten zu Zombies; die Hosen und Hemden waren zerrissen und die Gesichter wild geschminkt. Dieser Eindruck verstärkte sich noch, nachdem die Haare nach dem ersten Headbanging durcheinandergewirbelt waren. Mit ihrer Musik und dem Growl-Gesang hatten sie nur ein Ziel: die Toten im Umkreis von mindestens 50 km zu erwecken. Immerhin, einige Leute wippten auch mit, aber die Masse war für meinen Geschmack immer noch sehr zurückhaltend. Am meisten hat mich jedoch Francesco Paolo, der Schlagzeuger, beeindruckt. Er hat in einem atemberaubenden Tempo seine Geräte bearbeitet … er war definitiv nicht-tot.
Letztes Jahr wurde auf der FME ein Bandwettbewerb veranstaltet. Oddland war die Band, die diesen gewonnen hatte. Den Sound fand ich etwas gewöhnungsbedürftig. Besonders beim ersten Song hatte ich den Eindruck, Sänger Sakari Ojanen würde noch nach den richtigen Tönen geben. Beim nächsten Song wurde es aber besser. Die Band wirkte sehr konzentriert, was so viel heißen soll, dass auf der Bühne nichts los war. Auch die Songs hörten sich sehr ähnlich an. Das Publikum war überschaulich, aber die Leute klatschten immerhin. Für das diesjährige Publikum der FME war das eine eindeutige Sympathieerklärung. (GK)
Photo: Tina Solda
Zur FMA-Preisverleihung erschienen Turisas in Zivil, ein seltener Anblick – zum Gig traten sie jedoch selbstverständlich wieder in voller Kriegsbemalung an, um ihren Triumph in Würden zu feiern. Es war mein erster Turisas-Gig seit dem Besetzungswechsel im Herbst, und es war seltsam und etwas traurig, die Band ohne Netta Skog zu sehen. In den 3 ½ Jahren ihrer Mitgliedschaft waren ihre entwaffnende Bühnenpräsenz und ihr Hightech-Akkordeon (das eher ein Synthesizer mit Balg war) zu einer Art Markenzeichen geworden. Mit Olli Vänskä und Warlord Nygård an der Bühnenfront sind Turisas freilich immer noch eine der charismatischsten Bands der Szene, und der Gig an sich ließ nichts zu wünschen übrig. Mit dabei waren vier Songs vom aktuellen Album in fünf ältere, unter denen besonders die akustische Version von „One More“ herausstach. Hiervon sah ich leider nicht allzuviel, weil ich gerade zu dem Zeitpunkt auf den Balkon gegangen war, um von oben zuzuschauen, was sich leider aufgrund einer neuen Sicherheitsbarriere als unmöglich herausstellte. Also wieder nach unten ins Gedränge, zum Glück fand sich schließlich ein recht guter Platz in Bühnennähe, wo wir auch blieben, bis der Set mit „End Of An Empire“ endete. Was zum Glück kein programmatischer Titel für den derzeitigen Stand der Bandkarriere zu sein scheint.
Photo: Tina Solda
Den Abschluss der Festivitäten bildeten Stam1na mit dem Release-Gig für ihr neues Album Nocebo, in der Vorwoche veröffentlicht und erwartungsgemäß direkt auf Platz 1 gelandet. Sie spielten das komplette Album durch, eine einmalige Aktion als Dankeschön an die Fans. Ich hatte die neuen Songs vorher noch nicht gehört, aber wie eigentlich alles von Stam1na, funktionierten sie live auf Anhieb. Klangen auch vielseitiger als das bisherige Material, soweit mir bekannt; als gutes Beispiel sei der Melodiegesang in „Lepositeet“ genannt. Nach dem letzten Song des Albums erhielt die Band für selbiges goldene Schallplatten, aber der Gig war damit noch nicht zuende. Es folgte noch eine ganze Reihe älterer Songs. Bei „Lääke“ kam ein Überraschungsgast auf die Bühne, Perttu Kivilaakso von Apocalyptica. Ein Cello ist nicht unbedingt das erste Instrument, das einem als Ergänzung zum Stam1na-Sound in den Sinn käme, aber Metal kennt bekanntlich keine Grenzen… [TS]
text & photos: Grit Kabiersch, Tina Solda
No photos available right now.
Please verify your settings, clear your RSS cache on the Slickr Flickr Admin page and check your Flickr feed