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Jalometalli 2011

Wenn du schon zu viele Megafestivals besucht hast, mit tausenden von Leuten, riesigen Campingzonen und viel zu vielen Bands, dann fühlt sich ein kleineres Festival mit einem exzellenten und gut gewählten Line-Up wie eine Erfrischung an. Das finnische Jalometalli ist gemütlich und eine Art Kreuzung aus Open Air und Club Festival. Die Hauptbühne befindet sich vor dem grossen Teatria Gebäude, und drinnen ist eine weitere Bühne. Diesmal gab es noch eine weitere Kleinbühne im Hinterhof für Nachwuchsbands. Leider hast du bei drei Bühnen das Problem, dass du dir nicht alle Bands ansehen kannst.
Da Jalometalli keine Campingzone bietet, ist ein Angebot “Hotel plus Ticket” wohl die beste Lösung. Und wenn schon gemeckert werden muss, dann über die Bierpreise und das wohl lächerlichste Rauchverbot, das du dir vorstellen kannst. In einer Bierzone im Freien darf man nicht rauchen? Was kommt als nächstes, dass man auch nicht mehr trinken darf?
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Das Festival war schon voll im Gange, als wir am Freitag nahezu direkt vom Flughafen ankamen, gerade rechtzeitig zu Napalm Death. Obwohl mit der Zeit die Songs länger und die Musiker glatzköpfiger wurden, klingen sie noch immer roh und kompromisslos.

Auch ihre Anti-Kriegs-Message hat nichts an Aktualität oder Authentizität verloren, schon wegen der Ehrlichkeit und Wut, die Sänger Mark „Barney“ Greenway sowohl in Songs als auch Zwischenbemerkungen legt.

Eine angenehme Überraschung an diesem Tag war die finnische Doom Band Caskets Open auf der kleinen Bühne, die ruhig und konzentriert spielten, dass es eine Freude war. Diesen Act sollte man sich merken. Da Caskets Open unsere volle Aufmerksamkeit beanspruchten, blieben nur ein paar Songs der LA Thrasher Evildead zum Anhören übrig, als wir die Saalbühne erreichten. Aber zugegebenermassen haben wir nicht viel verpasst. Nicht schlecht aber auch nicht besonders aufregend.

„Groovy“ ist vielleicht kein Ausdruck, um eine Metal-Band zu beschreiben, aber beim Freitag-Headliner passte es: Sepultura. Der mächtige Schatten der Cavalera-Brüder schien sie jahrelang zu erdrücken, aber nur die Stursten können sich jetzt noch nach den „guten alten Zeiten“ zurücksehnen. Sepultura heute und Sepultura damals sind zwei verschiedene Dinge, und obwohl es toll ist, die alten Klassiker live zu hören, muss sich die Band nicht alleine darauf oder ihren Ruf aus der Vergangenheit stützen. Sänger Derrick Green hat sich schon als kraftvoller Fronter der Band erwiesen, der über die Bühne tobt, growlt und mit solcher Energie auf Trommeln einschlägt, dass du beinahe fühlen konntest, wie die kühle finnische Abendbrise durch das flammende südamerikanische Temperament aufgeheizt wurde.

Gitarrist Andreas Kisser, nahezu von Anfang an mit dabei, spielt eine wichtige Rolle beim Sound der Band. Seine Professionalität beim Spielen und Performen macht ihn wohl zu einem der einflussreichsten Gitarristen der Metalszene. Da es im Laufe des Sepultura-Gigs Nacht wurde, kamen auch die Künste des Lichttechnikers voll zur Geltung und machten diese Show zu einem tollen Erlebnis.

Am Samstag wurde die langsam auftauende Menge von Sonne und dem Gig der finnischen Thrasher A.R.G. begrüsst, welche sich nach fast 20 Jahren wieder reformiert hatten. Alte Fans (und Familienmitglieder?) schienen sich da versammelt zu haben, denn es gab nahezu durchgehend ein kleines, aber eifriges Moshpit. Dieser Enthusiasmus und der Anblick der Jungs (im reiferen Alter, wie Sänger Tepa Karjalainen selbst anmerkte) wie sie hier Spass daran haben, nach so langer Zeit alte A.R.G. Songs zu spielen, brachte dich einfach zum Grinsen. Das Material klang noch immer aktuell, obwohl die Band selbst ihre eigenen Kompositionskünste damals als jugendliche Thrash-Enthusiasten bestenfalls „interessant“ fand. Vielleicht steckt hinter der Reunion auch nur die Idee, mit alten Kumpels mal wieder Spass zu haben – aber manchmal reicht das ja auch. Zumindest der Techniker nahm seine Rolle sehr ernst und nebelte die Büne dermassen ein, dass man die Band manchmal nur hören, aber kaum sehen konnte…

Eine weitere finnische Reunion Oz gab drinnen auf der Bühne ihr bestes, aber uns reichten ein paar Songs. Wir waren nicht beeindruckt genug, um den signierten Frisbees nachzujagen, welche die Band ins Publikum schleuderte.

Ein richtiges Live-Vergnügen, die lebhafte Show der UK-Thrasher Evile auf der Hauptbühne, Wenn man sich ihre authentischen Thrash-Songs anhört, kann man kaum glauben, dass es sie erst seit sieben Jahren gibt. Wir kriegen sowohl alte als auch neue Songs zu hören, darunter auch einige des demnächst erscheinenden Albums „Five Serpent´s Teeth“.

Nicht so viele Leute fanden sich zu Beginn des Gigs drinnen bei den schwedischen Heavy Metallern Grand Magus ein, wohl weil sich viele erst von der Evile Thrash-Attacke erholen mussten – oder sich im Bierbereich erst mal re-hydrierten und von dort aus zusahen. Die Meute am Bühnenrand wurde schon mal mit dem Conan the Barbarian (groarrr!) Soundtrack eingestimmt, ehe Grand Magus den Saal mit eingängigen Riffs und Metal Songs bewaberten.

Die Schweden teilten sich den Slot mit den einheimischen Death Metallern Napoleon Skullfukk, und diese tiefen Growls machten diese Band im Vorfeld von Entombed richtig interessant. Vor der kleinen Bühne versammelten sich ziemlich viele Leute, wohl weil dieser Act schon beim Jalometalli Winterfest 2009 einen guten Eindruck machte.

Zweifellos war diese eine der am sehnsüchtigsten erwarteten Bands am Samstag – Entombed gaben alles, wie erwartet, auf der Hauptbühne. Ein grosses Moshpit tobte vorne, und die Menge schien jeden einzelnen Song zu geniessen. Als Delikatesse gab es das Cover des leidenschaftlichen Roky Erickson Songs „Night Of The Vampire“. Locker aber kraftvoll unterhielten Entombed, allen voran Fronter Lars Göran „LG“ Petrov, die Meute 75 min lang. Mit zwei Gitarristen klang die Band einfach unglaublich und es war ein Vergnügen, ihnen zuzusehen und zuzuhören.

Eine weitere heiß ersehnte Band waren die guten alten Sodom aus Deutschland. Die Show fing etwas verspätet an, da Mr. Tom Angelripper verschlafen hatte. Ein weiteres Missgeschick war die Tatsache, dass die Instrumente der Band in Helsinki hängengeblieben waren und sie mit geborgten Gitarren spielen mussten, klarerweise gab´s dadurch auch technische Probleme während des Sets. Jedoch schien die Menge begeistert und viele lobten hinterher diesen Gig am meisten.

Das Festival endete mit einem tollen Gig von Cathedral, die sich ja Ende dieses Jahres bewusst auflösen wollen. Die Menge bekam eine lange und hypnotische Show geboten, Fronter Lee Dorrian dominierte die Bühne mit seiner characteristischen Haltung und kreativer Handhabung des Mikrofonkabels – der Gig liess niemanden kalt.

Alle hier im Teatria schienen zu verstehen, dass dies die letzte Chance war, diese alten Doomrocker nochmal live zu sehen und bejubelten daher Songs wie „Cosmic funeral“ und „Hopkins (The Witchfinder General)“ mit grossem Enthusiasmus. Es ist schade um diese Band, denn von der Musik her gesehen und ihren Live-Darbietungen in den letzten beiden Jahren schien sie alles andere als müde oder am absteigenden Ast. Aber vielleicht besser so abzutreten, mit Stil – anstelle weitermachen als müder Abklatsch, weil man nicht loslassen kann. Wir werden Cathedral vermissen, sind aber gespannt, was da an Neuem kommt.

Die offiziellen Aftershow-Parties (mit den Finnen Sacrilegious Impalement und Ajattara) an beiden Tagen fanden im Nuclear Nightclub im Zentrum Oulus statt . Hevimesta war ein weiterer Club, der die Meute nach Schliessung des Festivalareals um 2 h morgens anzog. Trotz der neuen Raucher-Regelungen (die der Security nur mehr Arbeit verursachten und FestivalbesucherInnen übel aufstiessen) zeigte sich Jalometalli einmal mehr gut organisiert und konnte das 10. Jubiläumsjahr mit einer ansehlichen Publikumsmenge, tollen Bands und annehmbaren Wetter feiern. Ausserdem hatten sich übermässig viele Oldschool-Fans eingefunden, was dem ganzen gelegentlich eine „Reise in die Vergangenheit“ Atmosphäre verlieh. Ein grosses Plus – das praktisch angelegte Bierareal, von wo man aus alle drei Bühnen sehen konnte und daher nicht unbedingt schnell austrinken musste, wenn wo eine Band anfing zu spielen. Ein weiteres Plus, die Ticketpreise – für einen Tag 50 und beide Tage 67 Euro.

text Tanja Bastamow & Meri Tikkala, transl. K Weber

photos: Jane Oliver
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GastmitarbeiterInnen / guest contributions

Reguläre GastmitarbeiterInnen u.a. Melanie Kircher, Tatjana Tattis Murschel, Grit Kabiersch, Marina Minkler, Maria Levin, Jasmine Frey, Nina Ratavaara, Elvira Visser, John Wisniewski