Myötätuulirock Festival 2010
Rockiger denn je – ist das Motto des diesjährigen MyötätuuliRock-Festivals. Warum man sich dazu entschloss, bleibt unklar, denn Rockfestivals gibt´s in Finnland eigentlich wie Sand am Meer. Und auch das Line-Up besteht vornehmlich aus der Standardgarde finnischer Rockmusik, darunter allerdings auch ein paar neue Gesichter und solche, die man schon länger nicht mehr gesehen hat. Aufgepeppt wurde das Programm mit drei ausländischen Gästen, aus den USA und Schweden. Aber nun, auf in den Sportpark von Hakunila, Vantaa…
Freitag, 18.6.2010
Doom Unit
Die besondere Ehre, das Festival zu eröffnen, gebührt den Herren von Doom Unit. Die Band hat im letzten Jahr mit Erfolg ihr Debüt-Album „Cross the Line“ veröffentlicht und kommt hier auf dem Festival viel besser rüber als bei unserer letzten Begegnung, beim Helsinki Metal Meeting im Februar. Hier draußen kommt der Sound um ein Vielfaches besser an und man hört auch mal was von Sänger Japes Stimme. Die Band schafft es, einige der noch spärlich anwesenden Zuschauer zum headbangen zu bewegen und ist somit eine gute Einstimmung auf das, was uns in den nächsten drei Tagen erwartet. (SM)
Blake
Keine Ahnung, wie viele Male ich diese Band schon live gesehen habe, aber sie konnte mich bis jetzt noch nie so überzeugen wie hier. Die Songs kommen mit dem unglaublich guten Sound, den es hier gibt, viel rockiger rüber und gesanglich gesehen, legt Aaro eine Höchstleistung hin. Sauber gespielte und gesungene Songs, die in jede Zelle eindringen und keinen Fuß am Boden ruhen lassen. Wer hätte gedacht, dass diese Band, quasi zum Highlight dieses Festivals wird – zumindest für mich. (SM)
Viikate
Mit Viikate bekommt man dann eine ganz besondere finnische Spezialität serviert. Metalrock beeinflusst von finnischen Schmachtfetzen der 50er Jahre, dazu noch wohlklingende Texte in Landessprache, die man zwar nicht versteht, sich aber einfach perfekt der Musik anschmiegen. Auch bedarf es vor dem Gig keiner großartigen Vorbereitungen, denn die Musik kommt laut Frontmann Kaarle Viikate direkt aus dem Herzelein. Und so beschränkt man sich auf frisch gegelte Haare, ein lockeres Shake Hands und dann geht´s auch schon ab, um die bunt gemischte Menge mit erfrischender, aber auch melancholischer Musik und kleinen Scherzchen zwischendurch zu erfreuen. (KG)
Tarot
Die älteren Herren gehören mittlerweile auch wieder zum finnischen Festivalsommer wie Kotiteollisuus und Korpiklaani. Nachdem das neue Album nicht wirklich super gut ausgefallen ist, ist auch die Erwartung an den Auftritt heute nicht besonders hoch. Doch glücklicherweise schütteln Tarot doch noch einige alte Songs aus dem Ärmel und schaffen es somit, die Leute auch für Ensiferum und Exodus anzuheizen. (SM)
Ensiferum
Diese Mannen sind seit langem auf den Bühnen dieser Welt unterwegs und derzeit mal wieder im Heimatland auf Streifzug. Neuerdings werden die Schwerttragenden auch tatsächlich von zwei Schwerttragenden in Form von Aleksi Parviainen (Malpractice, Reversion) und einem weiteren, mir unbekannten, Wilden visuell und gesanglich unterstützt. So klingen die Refrains dann schon fast nach einer ganzen Horde Wikinger. Vor der Bühne werden die Songs in üblicher Schlachtstimmung unbekümmert mitgegrölt und sogar ich lasse mich zu einem herzhaften „Lai Lai Hei“ hinreißen. (KG)
Exodus
Die einzig wirklich weit gereisten Gäste des Festivals sind Exodus aus den USA, die am Freitagabend den Auszug der Festivalbesucher aus dem Gelände einleiten. Allerdings mit ziemlicher Verspätung, denn wie es scheint, muss für den Gig alles perfekt sein – der Soundcheck dauert eine gefühlte Ewigkeit. Nun ja, wenn man sich als Begründer des Thrash Metals bezeichnen kann, kann man sich das wohl leisten. Und so haben die noch anwesenden enthusiastischen Fans genug Zeit, sich mit „Exodus, Exodus“ Rufen Gehör zu verschaffen. Als es die Band dann endlich auf die Bühne schafft, wird professionell geknüppelt und gerifft, was das Zeug hält. Ein brutaler Abschluss des ersten Festivaltages! (KG)
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Samstag, 19.6. 2010
Der zweite Festivaltag beginnt bereits zu früher Mittagsstunde und zieht sich bis weit nach Mitternacht. Ausdauer oder wie´s so schön im finnischen heißt Sisu ist hier gefragt, vor allem auch, weil der Wetterbericht für den heutigen Tag nichts Gutes verheißt…
The Milestones
Diese Band ist von70er Jahre Bands wie The Allman Bros, AC/DC und Bad Company beeinflusst. Ich würde aber auch sagen, dass der ein oder andere Country-Star ebenfalls Einfluss auf die Band hatte. Was bei dieser Mischung heraus kommt, sind rockige Songs, die hin und wieder ein wenig nach Country klingen und, bei denen Sänger Olavi Tikka auch gerne mal die Mundharmonika zückt. Tikka glänzt aber nicht nur an der Mundharmonika, auch seine besondere Stimme hat einen hohen Wiedererkennungswert hat und verleiht dem Sound das gewisse Etwas. Dafür, dass es noch so früh ist, sind auch schon einige Rock-Liebhaber da, denen es auch zu gefallen scheint. (SM)
Los Bastardos Finlandeses
Was da auf die Bühne kommt, sieht aus wie ein richtiger Biker-Club und das nicht zuletzt aufgrund der Motorradlenkstange, die vorne am Schlagzeug von El Bastardo Grande befestigt ist. Die schon etwas älteren Herren, allesamt in Leder, liefern feinsten Rock im Stil von Tito & Tarantula, nur um Längen besser. Ein genialer Auftritt – ich kann diese Band jedem Old Rocker nur empfehlen, denn diese Finnen rund um ihren englischsprachigen Sänger haben was zu bieten. Einzig und allein ein kleines Verständigungsproblem zwischen Sänger und Publikum, musste kurz durch Mr. Grande beseitigt werden, denn die finnischen Zuschauer waren wohl noch zu müde, um eine Fremdsprache zu verstehen. (SM)
Kiuas
Die Kriegerseelen des Nordens schmeißen mit einem Hit nach dem anderen um sich. Die Setliste ist einfach nur genial gewählt – neben einigen neuen Songs, darf natürlich auch nicht der bekannteste „Worrior Soul“ fehlen. Sänger Ilja Jalkanen stellt auch heute mal wieder unter Beweis, dass er kein 0815 Sänger ist und eine breite Stimmpalette beherrscht. Zwar sitzt hin und wieder der Ton nicht richtig, aber auch das passt irgendwie wieder zum Rest der Musik. Mikko Salovaara begeistert derweil mit seinen Gitarrenklängen. Während die anderen der Band das ganze etwas gelassener angehen, wirbelt Ilja ununterbrochen über die Bühne. (SM)
Diablo
Leider gibt´s für den nicht-finnisch Sprechenden wenig über Diablo herauszufinden. Lediglich, dass die Band in den späten 90ern gegründet wurde und seither fünf Alben auf den Markt gebracht hat, wobei das letzte schon länger zurückliegt. Was auch immer der Grund sein mag, weshalb diese Band in Mitteleuropa kaum bekannt ist, hier in Finnland sind sie beliebt. Man könnte sagen, dass Diablo die finnische Version von Metallica sind, wobei sie meinen Geschmack eher treffen. Zum Zuschauen ist es aber eher ein bisschen lahm, da die Band meistens an Ort und Stelle stehen bleibt. (SM)
Mokoma
Mit Mokoma fängt dann das Übel des zweiten Festivaltages in Form von Dauerregen an. Die Zuschauer lassen sich aber von ein paar Regentröpfchen nicht beirren und gehen ab wie Schmidts Katze auf Baldrian. Das war auch nicht anders zu erwarten, denn die Band hat in Finnland Kultstatus. Mit ihrem derben Suomi-Thrash, aber auch mal etwas ohrenfreundlicheren Melodeien liefert die Band ein solides Set ab, bei dem die Festivalbesucher sicher nicht nur wegen des Regens am Ende völlig durchnässt sind. (KG)
Korpiklaani
Wie könnte man das Konzert anders beginnen, als mit dem Stimmungsmacher Song „Vodka“. Der schlägt auch sofort beim Publikum an und sehr wahrscheinlich floss der Alkohol dann gleich noch mehr, als ohnehin schon zuvor. Kurz vor dem Konzert fing es wieder an zu regnen, so dass sich einige lieber in die wenigen Unterstände zurückzogen. Aber Korpiklaani liefern immer die gleiche Show, egal wo, wann und vor wie vielen Leuten sie spielen, in den Gesichtern von Sänger Jonne und Gitarrist Cane überwiegt das Grinsen und bei den Herren an der Violine und am Akkordeon herrscht Regungslosigkeit. Aber alles in allem war es ein stimmungsvoller Auftritt mit den besten Songs der Band. (SM)
Swallow The Sun
Namentlich sind Swallow the Sun ja schon mal genau die Band des Tages, denn die Sonne scheint tatsächlich verschluckt worden zu sein. Und schon beim Intro gibt´s dann auch akustisch gleich noch mehr Regen – da verkriecht sich ein Großteil der Zuschauer erst mal in wärmere und trockenere Zonen des Geländes, denn bei STS kann man sich nicht wirklich in nem Circle Pit warm oder gar trocken tanzen. Der Düsterdoommetal lädt doch eher zu aufmerksamem Zuhören und laaaaangsamem Headbangen ein. Nichtsdestotrotz liefert die Band einen guten Gig ab, den die meisten jedoch eher aus der Ferne beobachten. (KG)
Stam1na
Noch mehr Suomi-Metal gibt´s dann bei Stam1na und auch ähnlich wie bei Mokoma kann man hier herrlich die Sau rauslassen und genau das tun die Zuschauer auch ganz eifrig. Nasse Füße und langsam abfrierende Hände interessieren bei diesem Gig keinen mehr, denn Action ist vor und auf der Bühne, wie eigentlich immer bei Stam1na, garantiert. (KG)
Hevisaurus
Monsterrock war gestern, heute ist Dinorock angesagt. In weitaus niedlicheren Kostümen als die Herren von Lordi betreten Hevisaurus als Überraschungs-Act die Bühne. Und niedlich sind nicht nur das Outfits, sondern auch die Künstlernamen – da gibt´s Herra Hevisaurus am Mikrophon, Milli Pilli am Keyboard, Riffi Raffi an der Gitarre, Muffi Puffi am Bass und zu guter letzt Komppi Momppi am Schlagzeug.
Wer tatsächlich unter den Kostümen steckt, wird auch auf dem MTR nicht enthüllt. Die Show der rockenden Saurier ist allerdings sehr unterhaltsam mit Feuer, einer Indianer-Domina, einem Piraten und einem angehenden Rockstar-Knirps in Kiss-Montur, der inklusive Kinderklampfe kräftig abrockt. Im Publikum geht´s auch heftig zur Sache, allerdings kann man sich nicht so recht zwischen Wall of Death und Circle Pits oder Polonaise und Paartanz entscheiden. Alles geht bei diesem Gig! (KG)
Turisas
Der zweite Festivaltag wird dann von einem weiteren Kostümspektakel beendet – Turisas betreten das zu diesem Zeitpunkt schon sehr mitgenommene Schlachtfeld und steigen sofort mit „To Holmgard and Beyond“ ein, kurz darauf folgen der Standardgrölsong „One More“ und auch das Black Sabbath Cover „Supernaut“. Auch hier gibt´s wieder etwas Feuer am Bühnenrand, was jedoch nur für eine kurzfristige Erwärmung der Gliedmaßen sorgt. Und auch Warlord Nygård muss das Publikum immer wieder daran erinnern, es ist zwar kalt, spät und nass, aber wir lassen uns nicht unterkriegen! Da in meinem Adern allerdings kein Wikingerblut fließt, gebe ich mich den Witterungsbedingungen geschlagen und trete meinen persönlichen warägischen Weg nach Hause an. (KG)
Sonntag, 20.6. 2010
Leicht verschnupft gehen wir dann den dritten Festivaltag an, der mit etwas mehr Sonne und vor allem keinem Regen lockt. Dennoch ein kalter Wind lässt einen auch im Sommer an Handschuhe und Schal denken…
Reckless Love
Die erste Frage, die sich bei dieser Band stellt, ist wohl, wie viele Dosen Haarspray brauchen sie für einen Auftritt? Vom Make-up mal ganz abgesehen. Manchmal ist es einfach ein wenig zu viel. Musikalisch gesehen spielen Reckless Love ihren Idolen Europe und den früheren HairMetal Bands nach. Wem das gefällt, wird seine wahre Freude an den püppchen-artigen Jungs haben. (SM)
Raaka-aine
Englische Infos zur Band gibt es leider nicht. Aber wer auf typisch finnischen Pop-Rock mit einer kratzigen Stimme steht, sollte sich die Band mal anhören. Sie haben einige Songs, die ganz gut klingen, aber für mich sind die ersten beiden Bands hier nicht wirklich der Hit und ich finde, es hätte eine bessere Wahl geben können. (SM)
Peer Günt
Weiter geht es mit einer Band, die bereits seit den späten 70er Jahren existiert. Nach einer längeren Pause und Line-Up Wechseln beschloss Mastermind Timo Nikki 2006, die Band wieder ins Leben zu rufen. Das letzte Album erschien 2009 und daraus gab es natürlich auch einige Songs zu hören. Die Band vermag es, das Publikum mit ihrem Rock´n Roll mitzureißen und der Review Kommentar von 1986 „ Wenn Peer Günt spielt, fliegen Leute herum, und Bäume fallen um“ stimmt auch heute noch. (SM)
Royal Republic
Ganz königlich wird´s dann bei der ersten schwedischen Band des Tages. Royal Republic fallen zuerst mal durch ihre schicken Frisuren und Outfits auf, die durchaus an die Hives erinnern. Danach wird einem auch ziemlich schnell klar, dass es die Jungs absolut ernst meinen, denn im Gegensatz zu den doch recht ausgepowert wirkenden Zuschauern, gibt die Band alles, spielt sehr engagiert und haut auch gleich zu Beginn ihren bisher größten Radiohit „All Because of You“ raus. Der Plan scheint aufzugehen, denn nach und nach lassen sich immer mehr Zuschauer dazu überreden, die Band auch direkt vor der Bühne anzufeuern. (KG)
Suburban Tribe
Alte Hasen im Showgeschäft sind auch Suburban Tribe, die als nächstes das Publikum unterhalten dürfen und was wäre die Band ohne ihren Front-Irren Ville Tuomi? Wie immer im Schlabberlook und mit gewohnten Mätzchen (Bierdosenkopfstoß und ein freundliches Guten Morgen um halb sieben abends) lebt er sein inneres „Manimal“ auf der Bühne aus. Aber mal ganz abgesehen davon, sind die eingehenden Rocksongs der Band perfekt zum mitsingen und –tanzen an einem Sonntagnachmittag geeignet. Vor allem älteres Material wie „Watching you“, „Frozen ashes“, „Oil and Water“ und „If only“ lassen die Hüften mitschwingen. Als Zugabe dann „Silent Rain“, welches man heute im Trockenen umso mehr genießen kann. (KG)
Mustasch
Bevor es für den Headliner auf die Bühne geht, ist noch mal Schwedenpower angesagt. Diese Power kommt von der Rockband Mustasch. Die vier Herren versuchen die Stimmung noch mal richtig anzuheizen, aber das klappt nur hin und wieder kurz. Leider hapert´s auch beim Gesang ab und zu und es klingt ziemlich schief. Da bleibt nur eins zu hoffen, nämlich, dass es schnell vorbei geht und der letzten Act beginnt. (SM)
Amorphis
Mit Amorphis ging dann das MyötätuuliRock-Festival in die allerletzte Runde. Eine stattliche Menge an Zuschauern war auch immer noch geblieben, um sich die Kalevala Rocker anzuschauen und vor allem anzuhören. Ohne größeren Schnickschnack absolvierte die Band fachmännisch ihr „längstes Set des Sommers“ und besann sich beim Songmaterial vor allem auch auf die üblichen Verdächtigen wie „House of Sleep“, „Alone“, „Silent Waters“ und „Silver Bride“. Und obwohl wir eigentlich geplant hatten, schon etwas eher abzuhauen, um dem Run auf die öffentlichen Nahverkehrsmittel zu entkommen, kamen wir einfach nicht weg und ließen uns gern von Tomi Joutsen und co zu einem längeren Verweilen überreden. (KG)
Und jetzt zu etwas ganz anderem…dem offiziellen MTR “Zungenakrobaten” Wettbewerb und Trommelwirbel, bitte…hier sind die glücklichen Gewinner:
1. Ville Tuomi (Suburban Tribe) für den “kreativsten Einsatz seiner Zunge während einer gesanglichen Darbietung”
2. Zachary Hietala (Tarot) für die „spitzeste Zunge vor Ort“
3. Markus Toivonen (Ensiferum) für die „bildungsreichste Demonstration von Schocktaktiken der Wikinger”
Fazit:
Alles in allem war das Line-Up für das Festival gut, nur der Sonntag hat ein wenig geschwächelt, dafür hatte es die Überraschung vom Samstag total in sich. Im Gegensatz zum Festival vor zwei Jahren, gab es nur noch eine Bühne, was einfach ein bisschen längere Wartezeiten forderte, aber total ausreichte. Obwohl das Gelände kleiner war als die Jahre zuvor, scheint es irgendwie immer noch zu groß. Unklar ist, ob die Veranstalter mit mehr Leuten gerechnet haben oder ob das so kalkuliert war. Ansonsten ein sehr gemütliches Festival, das auch Kinder willkommen heißt.
text & photos Kathleen Gransalke, Sandy Mahrer
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