Hollenthon: Billiger telefonieren
Wie viele österreichische Metalbands fallen dir spontan ein? Wetten, dass die meisten da Pungent Stench erwähnen. Tja, diese Band ist mittlerweile Geschichte, aber deren Frontman Martin Schirenc hat schon längst ein weiteres As im Ärmel: Hollenthon. Das Debut aus 1999 „Domus Mundi“ ließ mich schon vor Begeisterung im Kreis springen, der Nachfolger „With Vilest Of Worms To Dwell“ 2001 war fast noch geiler – und nun ist endlich das nächste Meisterwerk „Opus Magnum“ am Markt. Klar, dass ich Hollenthon-Mastermind Martin gleich mal auf den Zahn fühlen musste…
Wieso lag die Band 7 Jahre lang auf Eis? War die „Doppelbelastung“ mit Pungent Stench – trotz der Parallelen in den Line-Ups – zu viel Stress?
Ich war mit Pungent Stench ziemlich viel unterwegs, das ist immerhin der einzige Weg, um von der Musik leben zu können, also hatte ich die Hollenthon-Platte immer wieder verschoben. Als Mario dann noch bei Pungent Stench ausstieg, wusste ich natürlich auch, dass ich mir einen neuen Bassisten für Hollenthon suchen muss. Na ja, und so sind dann die Jahre ins Land gezogen, aber das wird nicht mehr vorkommen – das nächste Album kommt schneller.
War es schwierig, ein festes Line-Up zu finden?
Nicht wirklich, da Gregor ja schon seit 2006 Bassist bei Pungent Stench war, war es natürlich nahe liegend ihn zu fragen, ob er auch bei Hollenthon mitspielen will. Er hat sofort zugesagt und Martin Arzberger, mit dem er in seiner eigenen Band, Defender KFS, gespielt hat, als zweiten Gitarristen empfohlen. Wir haben ein paar Mal zusammen geprobt und das hat gut geklappt, also war das Line-Up komplett.
Woher kam ursprünglich die Idee zum Projekt Hollenthon?
Den Grundstein hatte ich schon 1994 gelegt, allerdings war es damals wirklich nur ein Ein-Mann-Projekt und nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Ich wollte einfach nur mit verschiedenen musikalischen Einflüssen in Verbindung mit Metal experimentieren und so ist schließlich Hollenthon entstanden.
Wie hat sich aus Deiner Sicht Hollenthon musikalisch weiterentwickelt? (Ich find´s ja zunehmend komplexer & progressiver)
Ja, es ist komplexer geworden, besonders was die Drums und Gitarrenarbeit betrifft. Außerdem ist unser neues Album auch um eine ganze Ecke härter als seine beiden Vorgänger. Aber prinzipiell sind wir, glaube ich, unserer Linie treu geblieben und die alten Fans sollten eigentlich keine großen Probleme haben, sich mit ‚Opus Magnum´ anzufreunden. Man muss die Scheibe vielleicht ein- bis zweimal öfter hören, aber das sehe ich nicht unbedingt als Nachteil.
Nun ist Stil-Cross-Over (Black/Death Metal, Industrial, Sampling etc) ja eher in „Mode“ als damals bei der VÖ von „Domus Mundi“. Siehst Du das als Chance für die Band?
Ich hoffe natürlich, dass wir von der zunehmenden Offenheit in der Metal-Szene profitieren können, aber am Ende zählt trotzdem nur, ob das Album gut ist, und was noch wichtiger ist, dass du das Ganze auch auf der Bühne rüberbringen kannst. Deshalb proben wir auch sehr intensiv und wollen soviel wie möglich live spielen.
Worum geht es in den Texten?
Im Wesentlichen geht es um die Menschheit und ihren Drang sich selbst und ihren eigenen Planeten zu zerstören. Die Texte sind also ziemlich sozialkritisch und behandeln alltägliche Themen wie Umwelt, Krieg, Welthunger und Habgier, allerdings unter Verwendung biblischer Symbolik und einer teilweise poetischen Sprache.
Woher holst du dir die Inspiration (zu Texten und Musik), und woher stammen die Samples?
Für die Texte ist ausschließlich Elena (Hollenthon-Sängerin und Martins Ex-Gattin, Anm. d. Red) verantwortlich und sie ist von klassischer Literatur, Geschichte, aber auch Politik inspiriert. Meine musikalische Inspiration kommt eigentlich von überall her und ich besitze haufenweise Sample-Libraries von Instrumenten und Gesängen aus aller Welt.
Wie entsteht ein Hollenthon-Song?
Das ist verschieden, aber auf „Opus Magnum“ habe ich oft mit Mike, unserem Drummer, gejamt, um ein paar Grundideen und Riffs zu sammeln. Danach setze ich im Studio die einzelnen Fragmente zusammen, ergänze oder verwerfe manche Ideen und füge die klassischen Arrangements hinzu. In manchen Fällen baut aber ein Song auch auf ein Sample, wie etwa einem Flöten-Loop, auf und entwickelt sich daraus. Es gibt also keine feste Formel, wie ich unsere Songs schreibe.
Für Bands aus Österreich scheint es ja noch immer verdammt schwer zu sein, über die Landesgrenzen hinaus bekannt zu werden, besonders wenn die Band nun NICHT aus Wien stammt… Woran liegt das, Deiner Meinung nach?
Leider muss ich sagen, dass das oft an den Bands selbst liegt. Viele betreiben die Musik einfach zu halbherzig und investieren nicht die nötige Zeit und den persönlichen Einsatz der notwendig ist, um heutzutage aus der Masse herauszustechen. Ein anderes Manko ist oft auch der Mangel an Originalität, bzw. der Mut was Eigenes zu kreieren, anstatt sich zu sehr an ihren ausländischen Vorbildern oder gegenwärtigen Trends zu orientieren. Aber ich finde nicht, dass Wien die Nase da weit vorne hat, denn es gibt einige Bands aus anderen Bundesländern, die auch im Ausland bekannt sind.
Im Vergleich zu Finnland sieht es mit der Metalszene in Ö ja noch immer etwas dürftig aus (z.b. Live-Clubs, Medien). Und nichts scheint sich wirklich zu verändern, die Aktiven sind seit 20 Jahren eigentlich dieselben, ebenso die ausgesprochen bescheidenen Umstände für die Bands… dein Kommentar dazu??
Natürlich ist die Medienlandschaft hierzulande sehr dürftig und viele können nicht einmal einen gewissen lokalen Status erreichen, aber wir leben in der EU und es steht jedem frei, in ein anderes Land zu ziehen, wenn er sich dadurch einen Vorteil verspricht. Das würde ich machen, wenn ich der Meinung wäre, dass man es in Österreich nicht schaffen kann.
Und anscheinend wird Ö nach wie vor von Death / Grind und extremen Images/Texten beherrscht, was neue Bands betrifft – stimmt da mein Eindruck?
Ich weiß nicht recht, ob man das so sagen kann. Ich gehe ja selbst auf sehr viele Konzerte und hab auch viele melodischere Bands gesehen, aber ich glaube, dass für die generell ein bisschen das Publikum und somit auch der Support fehlen. Österreicher lieben Grindcore und Black Metal, oder aber was gerade der neueste Trend ist.
Apropos Extreme – im Vergleich zu Pungent Stench ist das Hollenthon-Image (und Texte) ja auch relativ (ahem) „harmlos“ – Absicht, oder hat sich das so ergeben?
Obwohl das vielleicht komisch klingt, aber für mich war das extreme Image von Pungent Stench immer zweitrangig. Ich fand es zwar passend zur Musik, aber ganz sicher nicht zwingend. Hollenthon ist in dieser Hinsicht ernsthafter, aber dadurch auch viel persönlicher.
Was hat sich in all den Jahren für dich persönlich in der Metal Szene – zum Positiven, zum Negativen – verändert?
Ich finde, dass die ausufernde Anzahl von Festivals die Clubszene sehr stark beeinträchtigt hat. Die Leute gehen kaum mehr auf Konzerte bei denen „nur“ drei Bands auftreten, und es wird für die Veranstalter und Bands immer schwieriger, eine vernünftige Tour auf die Beine zu stellen. Ich spiele natürlich auch sehr gerne auf Festivals, aber die Qualität einer Show ist in einem Club oft viel besser. Besonders was Sound- und Lichtverhältnisse angeht. Positiv finde ich aber, dass die Szene immer größer wird und viel mehr Leute harte Musik hören.
Was ist der Vorteil eines Labels „vor Ort“, sprich Ö Napalm Records? (Im Vergleich z.b. mit Pungent Stench)?
Die Telefonkosten sind niedriger wenn man dort anruft.
Siehst du das Internet und Phänomene wie z.b. Myspace eher als Segen oder als Fluch?
Ich bin ein totaler Internet-Junkie! Zugang zu so viel Information und Unsinn auf Knopfdruck muss man einfach lieben! Myspace ist als Band natürlich mittlerweile selbstverständlich, da viele Leute schon da nachsehen, bevor sie überhaupt auf die offizielle Band-Seite gehen.
Rückblickend auf deine lange Karriere, was würdest du lieber anders/ungeschehen machen?
Ich würde das meiste genauso wieder machen, aber ich wäre manchmal gerne ein bisschen vorsichtiger gewesen, wenn es um Vertrauen ging. Da war ich sicherlich oft zu blauäugig und das ist im Musikgeschäft, wie auch in jeder anderen Industrie, unangebracht und kann dich sehr viel Geld kosten. Trotzdem überwiegen die guten Zeiten, und ich bin dankbar für jeden Tag meines Musikerdaseins.
Was machst du, wenn du nicht als Musiker auf einer Bühne / im Studio stehst? Kannst Du mittlerweile rein vom Musikmachen leben?
Momentan kann ich nicht so gut davon leben, da mit dem Ende von Pungent Stench auch meine Haupteinnahmequelle versiegt ist. Konzerte sind wie gesagt notwendig, um als Musiker regelmäßig Geld zu verdienen und die sind momentan noch nicht so häufig. Das wird sich aber jetzt, wenn die Platte auf dem Markt ist, hoffentlich bald wieder ändern. Aus Erfahrung weiß ich aber, dass dieses Business sehr unbeständig sein kann und daher lege ich für solche Notzeiten immer Kohle zur Seite.
Das bizarrste Erlebnis deiner Karriere?
Kann ich leider nicht erzählen, sonst müsste ich ins Gefängnis.
Musst du an die Gemeinde Hollenthon nun Tantiemen zahlen? Oder umgekehrt, wurdest Du dort mittlerweile zum Ehrenbürger, wurde eine Strasse/ein Platz nach Dir benannt (wie z.b. Lordi in ihrer Heimatstadt Rovaniemi geehrt wurden)?
Weder noch, aber ich finde auch, dass sie eine ihrer beiden Strassen nach mir benennen sollten.
Zwar nicht mehr ganz aktuell, aber – wie siehst du die Chancen, dass eine astreine Metalband, z.b. Hollenthon, Österreich beim Song Contest vertritt? Würdest du da mitmachen?
Ich sehe die Chancen nicht sehr groß, und ich bin auch froh darüber. So komm ich wenigstens erst gar nicht in Versuchung, bei diesem Scheiß mitzumachen. Ich hätte zwar kein Problem, irgendeinen Song für jemand anderen zu schreiben, aber Hollenthon möchte ich bei dieser Veranstaltung nicht sehen.
Du hast ja schon einiges erlebt und viel erreicht – aber gibt es noch was, einen Traum, was du unbedingt mit Hollenthon erreichen möchtest?
Ich würde gern mal in Ländern spielen in denen ich noch nicht mit Pungent Stench war, also Lateinamerika und Japan zum Beispiel. Und ein bisschen mehr Kohle wäre auch nicht schlecht.
Und zum Abschluss: Kommt ihr bald nach Finnland (EU Tour)????
Auf der Europatour im Oktober sind leider keine Shows in Finnland geplant, aber vielleicht kann man das mit Russland verbinden – Helsinki ist ja schließlich nicht allzu weit entfernt von St. Petersburg. Ich würde auf jeden Fall gerne wieder einmal in Finnland spielen.
http://www.hollenthon.com/