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Tarja, Marko Hietala, Delain, Illumishade @ Z7

08.07.2023 @ Konzertfabrik Z7, Pratteln, Schweiz

Selten hat die Ankündigung einer Konzertreihe so hohe Wellen geschlagen: es dauerte keine 24 Stunden bis zur Nachricht überall, dass zwei ehemalige Nightwish Mitglieder gemeinsam auf Tour gehen. Was natürlich für reichlich Spekulation sorgte und auch im Nightwish Camp für Unruhe gesorgt haben dürfte. Jedoch wurde schnell klargestellt, dass die beiden nicht gemeinsam eine komplette Show spielen, sondern jeweils mit eigener Band auf der Bühne sein werden. Klar hoffen hier in Pratteln alle, dass es so nicht ganz stimmt bei der ersten Show der Tour, wo einige Nationen zusammenkommen für dieses potenziell historische Ereignis.

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Vier Bands bei bestem Wetter (32 Grad) als Open Air vor der Z7 Halle. Illumishade aus der Schweiz beginnen ihre Show vor noch nicht ganz so zahlreichen Publikum – eine halbe Stunde Einlass reichte nicht, so sind einige noch vor der Türe. Diese Band wartet mit interessanten Persönlichkeiten auf: Fabienne Erni, bekannt als Mitglied von Eluveitie, hat mit Illumishade ein zweites Standbein aufgebaut. Die Ausbildung als Pop-Sängerin kann man klar heraushören, auch wenn am Anfang die Töne nicht ganz so sitzen wie sie sollten. Die eher zarte Stimme von Erni passt zur Musik von Illumishade. Am Keyboard und am Theremin wird sie von Mirjam Skal begleitet, welche schon für einige Filme die Musik geschrieben hat. Eine vielseitige junge Frau, die mit ihren blauen Haaren wie eine Meerjungfrau auf der Bühne wirkt und total in Ihrem Element aufgeht. Jonas Wolf, ausgebildeter Gitarrist, und Yannick Urbanczik bilden die saitenzupfende Garde zur Linken und Rechten von Fabienne, während Marc Friedrich für die Beats sorgt. Die Schweizer verbreiten gute Stimmung mit Frontfrau Fabiennes  gewinnender Art und ziehen das Publikum auf ihre Seite. Ein gelungener Start.

Delain zum ersten Mal unterwegs mit ihrem Neuzugang am Mikrofon. Ein bisschen nervös kann man da schon sein – wird sie von den Fans angenommen, kommen die alten Songs genauso gut an oder nicht, das ist immer eine quälende Frage. Charlotte Wessels, die ehemalige Sängerin, war eine schillernde Persönlichkeit; obwohl sie auf mich immer sehr distanziert wirkte, lieferte sie meinst eine gute Leistung ab. Wie wird das mit Nachfolgerin Diana Leah? Auch am Bass haben wir mit Ludovico Cioffi eine neue Figur für den männlichen Gesangspart. Anstelle von Timo Somers ist Roland Landa zurück in der Band, also eine Mischung aus alten und neue Gesichtern. Solange Mastermind Martijn Westerholt nicht die Segel streicht, funktioniert auch ein neues Line-Up bei Delain (mehr dazu in unserem Videointerview.)

Diana aus Rumänien hat als neue Fronterin wahrlich keine leichte Aufgabe, aber sie macht sie ganz gut. Zwar ist ihre Stimme etwas feiner und höher, aber dennoch bringt sie die Songs gut rüber. Allerdings ist gerade bei «We are the Others» ein bisschen Power der Key und dort fehlt mir etwas Dampf, aber das Publikum scheint trotzdem Spass an dem Auftritt zu haben und so geht es auch der Band. Diana kann nicht nur singen, sondern ist wohl auch Kochbuch Autorin und Food Fotografin. Interessante Mischung und wie sie so zum Metal kommt, das finden wir bestimmt auch noch irgendwann heraus. Auf jeden Fall schien die ganze Band sehr dankbar das das Publikum sie trotz grösserem Line-Up Wechsel so willkommen heisst.

So kurzer Umbau und ab geht’s mit Nummer Eins der altbewährten Nightwish Crew – Marko Hietala. Ja, ich weiss, immer die alte Leier, aber für mich gibt es Nightwish seit dem Ausstieg von Tarja nicht mehr; ehrlich gesagt finde ich nur noch die Songs gut, bei denen Herr Hietala quasi alleine gesungen hat. Da dieser jetzt auch nicht mehr dabei ist, für mich umso besser, muss ich mir mir die Neuzeit Nightwish nicht mehr antun. Herr Hietala war zu Valentinstag 2020 schon mal hier im Z7 und präsentierte sein Soloalbum, was nicht mehr viel mit Metal zu tun hat. Markos Lieder sind mittlerweile sehr andächtig und ruhig und auch ab und an mal auf Finnisch. Um das Publikum nicht ganz im Dunkeln tappen zu lassen, was er da eigentlich singt, erklärt er den Leuten die Texte und das ist den meisten, wie ich im Nachhinein höre, zu viel Gerede. Ich finde die Erklärungen gut, aber lange Ansagen sind eben nicht jedermanns Sache. Mit kleinen Soundproblemen kämpfend, die zeitweilen von Keyboarder Vili Ollila herrühren, ist es ein sehr kurzweiliges Konzert. Mir sind Markos Mitmusiker aus Finnland bekannt, irgendwie lustig, diese Jungs nach so vielen Jahren wieder mal performen zu sehen und teilweise die musikalische Veränderung. Anssi Nykänen hat mit vielen Grössen der finnischen Musikszene gespielt, genauso wie Vili Rope Ollila und Tuomas Wäinölä, der bei Ari Koivunen, Jarkko Ahola, Raskasta Joulua und sogar bei HeviSaurus mitgewirkt hat. Grossartige Musiker, die auch hier mit Marko zusammen beweisen, was sie können. Einfach nur schön, ihnen allen zuzuhören.

So der grosse Moment der Wahrheit kommt jetzt. Die letzte Show, die letzte Möglichkeit, werden Sie zusammen singen oder nicht?! Was glaubt ihr?

Tarja kommt wie eh und je strahlend auf die Bühne. Kaum zu glauben, dass sie 2018 einen Schlaganfall erlitt.  Diese Frau ist an Ausstrahlung kaum zu toppen und mich zieht sie nach wie vor immer in ihren Bann. Auch wenn ich hier gleich zu Beginn protestieren muss, immer diese tränendrücker Momente, die Lobhudelei für die Fans und das viele Bedanken könnte man mal weglassen, Frau Turunen.

Sie ist und bleibt die wohl einflussreichste Frau auf mich – neben meiner Mutter – und hat mich in meiner Jugend sehr geprägt. Alle wollten sein wie Barbie, ich wollte sein wie Tarja, oder zumindest immer so singen können. Was habe ich geheult, als Nightwish sie rausgeschmissen hat, wie sehr habe ich es gefeiert, als sie Solo zurückkam. In den letzten Jahren bin ich ihr allerdings nicht mehr ganz so gefolgt, wie leider allgemein der Musikszene. Daher sind mir auch die ersten Songs unbekannt, nach einer Weile erkenne ich dann endlich mit Müh und Not einen Song und muss feststellen, dass es mir nicht schwerfällt, weil ich ihn nicht kenne, sondern weil Tarja ein wenig Mühe hat die Gesangsmelodie zu treffen. Im Allgemeinen muss man sagen, dass schon sehr viele schiefe Töne mit dabei waren, aber die Dame macht es mit ihrer Präsenz wett  und strahlt im Scheinwerferlicht. Ausser Alex Scholpp und Christian Kretschmar kenne ich die Musiker nicht, aber es dürften allesamt Deutsche sein, es sei mir verziehen, dass ich die Namen nicht mitkriegte.

Nun, die besten Hits sind mit dabei und in der Mitte des Konzerts stimmt man plötzlich «Phantom of the Opera» an. Alle zücken ihr Handy und hoffen darauf, dass jetzt das kommt, worauf sie so sehr gewartet haben – Marko und Tarja wieder zusammen auf der Bühne. Und tatsächlich, nachdem Tarja den ersten Teil des Liedes langsam gesungen hat, tritt Marko auf die Bühne um den männlichen Gesangspart zu übernehmen. Das Publikum ist hin und weg, einige so sehr, dass sie nicht mal mehr applaudieren können und sogar ihr Handy einfach ungenutzt in der Hand verweilt während sie gebannt auf die Bühne starren. Gänsehaut pur, als die beiden denn Song zusammen performen und Marko vor Tarja auf die Knie geht. Ein wunderbarer emotionaler Moment für Menschen wie mich, die die beiden das letzte Mal vor 18 Jahren zusammen mit Nightwish auf der Bühne gesehen haben und einfach finden, dass diese beiden so hervorragenden Musiker  einfach Nightwish waren. Auch die beiden müssen sich nach dem Song erstmal ein wenig fassen, die Reunion scheint auch für sie etwas Emotionales zu sein. Eine Umarmung und die Fans sind kaum noch zu halten, hier wird dann doch die ein oder andere Träne verdrückt, sogar Markos Musikerkollege Vili Ollila, der unweit von mir steht, ist sichtlich gerührt von der Szene. So schön und irgendwie doch viel zu kurz. Aber wir sind alle dankbar, dass es überhaupt dazu kam und man alte Kriege ruhen lässt. Marko überlässt seiner alten Freundin wieder die Bühne und diese schreitet weiter mit voller Power mit dem Konzert voran, während sogar ihre Tochter und ihr Mann im Publikum zusehen.

Ich finde es schön, dass diese Frau einfach ihr Ding durchzieht, ohne viel Haut zu zeigen oder verdammt verkrampft auf die richtigen Töne zu achten und doch immer im Herzen der Fans ist. Mit Power, mit Leidenschaft steht sie auf der Bühne, was sie hoffentlich noch eine halbe Ewigkeit tun wird. Ein kleines freches «Wir haben noch andere Überraschungen in Zukunft für euch» von Tarja lässt hoffen, dass es nicht das einzige Mal mit Marko war. Wird warten gespannt darauf. Danke, Tarja und Marko, für diesen wunderbaren historischen Abend, denn wir nicht mehr vergessen werden. Nach 18 Jahren wieder zusammen auf der Bühne war einfach Magie.

Sandy Mahrer

Fresh Act Redakteurin, Reportagen, Reviews, Fotos - - - Favorisierte Musikrichtungen? - Hard Rock, Heavy Metal und Pop-Rock, etc. Weniger Death, Black, Grind Core