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Alcest, Kælan Mikla & Birds In Row

Tavastia, Helsinki 18.2.2020

Ein volles Haus an einem Dienstagabend ist für einen Rockclub wahrlich keine Selbstverständlichkeit, aber der Alcest-Gig im Tavastia war tatsächlich schon im Voraus ausverkauft. Zu meiner Freude war der Laden schon bei Opener Kælan Mikla recht gut gefüllt, was sie – wie ihr Set schnell klarmachte – auch verdient hatten. Ich hatte sie um die Zeit der Veröffentlichung ihres ersten Albums herum ein paarmal in ihrer isländischen Heimat gesehen, aber das letzte Mal war 2017, und seitdem hat sich das Trio enorm weiterentwickelt. Obendrein haben sie in der Zwischenzeit zwei weitere Alben veröffentlicht, so dass das Programm in meinen Ohren praktisch runderneuert war. Außerdem waren sowohl Licht als auch Sound entscheidend besser als bei besagten früheren Gelegenheiten – irgendwann hatte Margrét zwar Probleme, ihren Bass auf der Bühne zu hören, aber im Saal war er die ganze Zeit klar präsent. Apropos Rhythmus: Zu Beginn der Songs den Drumsampler mit einem Leuchtstab in Gang zu klopfen, mag nach Hipsterkitsch klingen, aber in den Händen von Sängerin Laufey hatte die Geste etwas von einem schamanistischen Ritual, getrimmt auf 21. Jahrhundert. Wie jedes andere Detail des Sets akzentuierte es perfekt die mysteriöse Schatten-Licht-Atmosphäre der fragilen, aber kraftvollen Musik von Kælan Mikla.

Kælan Mikla

Die mittlere Band bestand ebenfalls aus nur drei Leuten, repräsentierte aber ein ganz anderes Segment des alternativen Metal-Spektrums. Birds in Row sind Landsleute der Headliner und hatten offensichtlich den Job, einen gewissen Kontrast zu den amosphärischeren und melodischeren Bands vor und nach ihnen zu bieten. Sie machten ihre Sache im Prinzip nicht schlecht und hatten auch einige interessante und halbwegs progressive Riffs dabei, aber irgendwie fand ich nicht so ganz den richtigen Zugang, zumal ich nicht dazu gekommen war, die Songs vorab anzutesten. Ohne Frage der schnellste und brutalste unter den drei Acts des Abends, aber ehrlich gesagt fand ich die Show eher anstrengend als mitreißend. Letztendlich auch der Lautstärke wegen eine willkommene Ausrede für ein Bier im Vorraum, wobei ich die Gelegenheit auch direkt zum Shopping am gut sortierten Merchstand nutzte.

Birds In Row

Alcest nahmen das Tempo ein wenig zurück und legten stattdessen mehr Dynamik in ihre Darbietung: von reflektiv bis ekstatisch war alles dabei, untermalt von träumerischen Lichtkulissen. Nicht ganz so intim wie vor ein paar Jahren im Korjaamo, aber die emotionale Tiefe ihrer Musik schafften die Franzosen auch vor größerer Zuhörerschaft effektiv zu vermitteln. Der Status der Venue war ihnen im Übrigen durchaus bewusst; Neige nannte das Tavastia zu Recht „legendär“. 50 Jahre im Geschäft, der erste Club seiner Art in unserer Stadt und vielleicht schon bald der letzte – HIMs riesiges Heartagram an der Decke ließ mich mit Trauer ans Nosturi denken, Helsinkis anderes legendäres Rockmekka, in dem dieses Logo jahrelang gehangen hatte und das in der Woche zuvor der Abrissbirne zum Opfer gefallen war… Zum Glück war Melancholie aber nicht das einzige, was Alcest zu bieten hatte, im Gegenteil, die Show ließ sich geradezu als erhebende Erfahrung beschreiben. Fast die Hälfte des geschickt konstruierten Sets stammte von der hervorragenden Neuheit Spiritual Instinct, aber alle Alben bis auf das erste wurden berücksichtigt und das Finale mit dem zehnminütigen „Délivrance“ von Shelter (2014) war ein purer Triumph.

Alcest

Tina Solda

tina@stalker-magazine.rocks - Konzert- und Festivalberichte, Fotos, Interviews - - - Bevorzugte Musikrichtungen: melancholischer Death-, unkonventioneller Black-, melodischer Doom-, dramatischer Folk- und intelligenter Paganmetal (Schwerpunktregionen: Island, Finnland & Norwegen) - - - Sonstige Interessen: Gitarre, Bücher, Bier, Kino, Katzen.