Mortiis: „Solange ich inspiriert bin!“
Fast 30 Jahre teilt Mortiis nun seine Musik und Inspiration mit uns. Von den Anfängen mit Emperor zu seinem Solo-Material, vom Maskentragen zum Make-up und zurück zur Maske, von Dreadlocks zu kurzem Haar zurück zu den Dreadlocks, wir haben alles gesehen. Letztens kehrte er mit der Musik der Era 1 zurück, als Mortiis noch hauptsächlich instrumental war und er alleine auf der Bühne stand. Zurück zu den Wurzeln und zurück zum Masken tragendem, mysteriösem Musik-Genie, das er immer war.
Vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, um unsere Fragen zu beantworten. Du bist schon eine Weile mit Era 1 auf Tour; wie war es für dich im Vergleich zu den letzten Tourneen zusammen mit einer Band?
Das war ein Solo-Unternehmen, also ist es offensichtlich, dass ich die einzige Person zum Streiten bin, was mehr als genug sein kann manchmal, haha! Aber im Grossen und Ganzen, muss eines gesagt sein zum Solo: viel weniger Komplikationen, weniger Ausgaben (offensichtlich), mehr Platz auf der Bühne, und vielleicht der grösste Vorteil, wenn etwas schief geht, dann muss ich nicht eine Menge anderer Leute anschreien, es ist ziemlich sicher alles mein Fehler, wenn etwas schief läuft (mit ein paar Ausnahmen). Auf der anderen Seite ist es viel mehr Arbeit, da die meiste Arbeit auf mich abfällt. Aber bisher ist alles gut.
Hast du Pläne, wie lange du mit Era 1 touren möchtest, vielleicht nochmal zurück nach Europa später in diesem Jahr? Da es noch kein Konzert in der Schweiz gab, muss ich fragen, ob es auch eine Chance gibt, dass wir dich hier performen sehen.
Ich habe das Gefühl, dass es noch eine Million Orte gibt, die ich noch nicht besucht habe für eine Show. Die Schweiz ist einer davon. Es kommt immer aufs Interesse der Promoter an. Ich meine, sie entscheiden, was ihr zu sehen bekommt und was nicht. Ich bin wie die meisten anderen Bands und Künstler, das bedeutet, ich gehe dahin, wo auch immer ich für eine Show gebucht werde. Wir versuchen immer noch eine Show in der Schweiz zu bekommen, so wie auch in anderen Orten. Und ich mache das, solange ich die Era 1 Sache machen möchte… Solange ich inspiriert bin. Das ist eigentlich so, wie ich es mit allem im Leben handhabe.
Wie waren die Fans Reaktionen darauf, dass du zurück auf der Bühne bist mit der Maske, aber nur mit den instrumentalen Songs der 90er?
Sehr gut, würde ich sagen. Ich meine, wenn du ein paar blöde Kommentare sehen willst, kannst du immer in den Kommentarfeldern auf unseren YouTube Videos nach unten scrollen. Natürlich ist YouTube ein grosser Magnet für Trolle und Schwachköpfe, also gebe ich dem ganzen nicht viel Gewicht und achte nicht zu sehr auf diesen Scheiss. Tatsächlich schaffen es die meisten dieser Kommentare gar nicht durch den Filter, also verschwenden sie ihre Zeit und Energie, haha!
Die wunderschöne Bühnendekoration bei deiner Show in Helsinki, war das deine Idee und reist du mit diesem Stage-Set, oder war es die Idee des Clubs?
Es war tatsächlich extra für die zwei Shows in Finnland gemacht, die wir Ende Dezember im letzten Jahr hatten. Ich fände es toll, wenn ich solche Sachen mitbringen könnte, das müssen wir in Zukunft sehen. Ich finde es sehr effektvoll. Ich brauche nicht zu sagen, dass das Visuelle eine grosse Sache bei Mortiis ist. Ja, es war meine Idee. Ich hatte sie nach dem Video für „Visions of an Ancient Future“, welches eine ähnliche Deko hatte.
Ich nehme an, es gibt einige die auch nach Era II Songs fragen, ist das auch eine Option diese zurück zu bringen oder denkst du wir werden etwas komplett neues sehen nach dem du mit der Tour zu Era I fertig bist?
Das steht zur Zeit noch komplett offen. Ich habe einige Optionen, im Blick wohin ich die Sache bringen möchte. Ich bin nicht dagegen Era 1 Material zu machen während dem ich auch andere Style mache, vielleicht mit einer Band. Die Zeit wird es zeigen.
Du wirst im März und April in Nord Amerika touren, worauf freust du dich besonders dabei?
Ich weiss nicht. Ich meine, wir planen ein ähnliches Bühnenset wie in Finnland zu benutzen, also hoffe ich, dass es schmerzlos klappen wird. Wenn ich auf eine Tour gehe, habe ich nicht wirklich Hoffnungen, ausgenommen davon, dass die Tour reibungslos läuft und es keine Unfälle oder abgesagte Shows gibt. Das wäre am schlimmsten, und es ist sehr schlimm für Tourneen im Allgemeinen (Unfälle, abgesagte Shows). Aber es passiert sehr selten. Ich freue mich darauf, die Era 1 Sachen in den USA zu zeigen. Es ist sehr lange her, dass ich das gemacht habe, und ich kenne niemand dort drüben, der etwas Ähnliches macht, also wird es interessant sein herauszufinden, was die Leute davon halten.
In den vergangenen Jahren hast du dich sicherlich daran gewöhnt, eine Band mit dir auf der Bühne zu haben. Wie war es, diese Shows ganz alleine zu spielen? Was bevorzugst du?
Es war ein bisschen komisch die ersten paar Shows, da ich an volle, teils heftig aktive Bühnen, auf denen ich mich viel bewegte, gewohnt war… Aber wenn du mal in der Atmosphäre der Show bist und da dies eine ganz andere Art von Show ist, war es total angenehm.
Wenn ich es richtig verstanden habe, hast du die Era 1 wieder aufgenommen, weil du nicht mehr wirklich mit den Sachen davon zufrieden warst, oder wusstest, dass du es heute besser machen kannst. Und dass du es sehr mochtest, das alles alleine machen zu können, anstelle dich mit anderen Bandkollegen herumschlagen zu müssen, ist das korrekt?
Naja, ja, ich geniesse es, ein Solo Künstler zu sein, da der Tisch einfach sauberer ist, wenn das Sinn macht. Ich sage nicht, ich mag es nicht in Bands zu sein, ich mag es sehr, aber es gibt einige Aspekte dabei, Dinge alleine zu machen, es ist einfacher und eine weniger komplizierte Erfahrung. Das Zurückkommen zur Era 1, ich denke der Grund warum ich das nicht vorher gemacht habe, und ich mache gerade eine sehr lange Geschichte sehr kurz, ich war sehr unglücklich mit einigen der Originalresultate, von einer technischen Perspektive gesehen. Aber ein anderer zusätzlicher Hauptfaktor war, dass meine Psyche nicht gut oder in keinem gesunden Zustand war für eine lange Zeit, und das vernebelte oder verdunkelte meine Sicht auf meine 90er Releases… Ich war nicht in der Lage, über das Negative hinaus zu blicken und konnte das Positive daran nicht sehen, für viele Jahre. Das hat sich langsam verändert, und als die Bandversion von Mortiis langsam zerfiel 2017, beschloss ich, dass jetzt die richtige Zeit war um einen Versuch zu wagen und zu sehen, wie es sich anfühlt. Zum Glück habe ich es genossen. Also habe ich weiter gemacht.
Du hast erwähnt, dass du viel mit Depressionen und mit persönlichen Dingen aus der Vergangenheit zu kämpfen hattest und Era 1 war Teil davon. Ist es eine Art von Therapie, um dich deinen persönlichen Dämonen zu stellen und ihnen die Stirn zu bieten?
Ich habe viele Dinge versucht mit unterschiedlichem Erfolg, um dunkle und ungesunde mentale Orte fern zu halten, oder für mich es zu vermeiden, zu diesen Orten zu gehen. Kreativ zu sein ist sehr wahrscheinlich die beste Medizin, für mich selbst sprechend. Zufrieden zu sein mit den Dingen, die ich kreiere, ist eine gute Art, diesen dunklen Orten fern zu bleiben. Ich habe auch sehr früh gelernt, dass ein guter Sinn für Humor und über viele Dinge zu lachen die Dämonen ebenfalls fern hält. Natürlich hat das Leben manchmal andere Pläne, also wirst du manchmal in einen Abgrund gerissen und du musst wieder einen Weg hinaus finden, und das kann manchmal eine lange Zeit dauern. Das passierte mir viele Male über die Jahre. Ich tendiere dazu, kreative Kanäle zu nutzen, um zu exorzieren oder zumindest diese Dämonen für etwas Produktives zu nutzen… am Ende gewinne ich immer. Aber die Depression oder wie es auch immer von einem Arzt genannt würden, machten es mir sehr schwer, mich gewissen Dingen meiner selbst zu stellen für eine lange Zeit, und wie ich das oben erwähnte, Era 1 war eines davon.
Wie zufrieden bist du mit dem Ergebnis von deiner Zeitreise zurück in die Vergangenheit? Ist es so rausgekommen, wie du es erwartet hättest?
Nein ist es nicht, denn als ich damit anfing, dachte ich, ich würde ein paar spezielle Performances machen mit einer neu aufgenommen Version von “Ånden som gjorde Opprør”. Es wurde zu Shows auf der ganzen Welt, eine Neuaufnahme, die mehr oder weniger ein neues Album wurde ( wir veröffentlichen es dieses Jahr, unter dem Titel „Spirit of Rebellion“) und ich arbeite zur Zeit mehr oder weniger an ganz neuer Era 1 mässigen Musik. Wir haben auch eine Tonne von Merchandise kreiert (alles unter meiner Aufsicht, natürlich) und haben so viel Era 1 Sachen wie möglich neu auflegen lassen. Es wurde offensichtlich zu einer größeren Sache, als ich das erwartete. Es fällt mir immer noch auf, dass viele Medien Mortiis ignorieren, wie sie es eine lange Zeit gemacht haben, hauptsächlich weil wir keine grossen Inserenten sind und fast alle Magazine verlangen, dass man eine Werbung schaltet heut zu Tage, ehe sie dich mit einem Interview oder etwas anderem präsentieren. Es ist einfach das, was aus der Medien Welt geworden ist.
(Anmerkung der Redaktion: STALKER hat niemals nach dem Prinzip „zuerst Geld her, dann berichten wir“ gehandelt und keiner von uns hier verdient irgendwas mit STALKER, ganz im Gegenteil… Die Chefred im Namen der gesamten Crew)
Und warum hast du dich entschlossen, die Maske wieder zu tragen? Wenn ich mich richtig erinnere, hast du mir mal gesagt, dass du es nicht wirklich magst, die Maske zu tragen.
Naja, es ist körperlich nicht sehr bequem sie zu tragen, das ist wahr, ich „mag“ es wirklich nicht sehr, sie zu tragen. Wie auch immer, damals war die Maske sehr mit der Era1 in Verbindung, obwohl ich sie weit über die Era1 Zeit hinaus trug… Das alles hängt damit zusammen, wie ich mich psychologisch zu fühlen begann und die Assoziationen, die ich mit der Maske machte und Era1. Ich habe damals einen Punkt erreicht, an dem ich den Punkt oder die Verbindung zwischen der Maske und der Musik und den Texten, die ich schrieb und performte, nicht mehr sah. Ich denke immer noch, es war die richtige Entscheidung, weil es gab massive Unterschiede zwischen Era1 und den Jahren, die darauf folgten.
Deine Kinder wurden beide in einer Zeit geboren, als du die Maske nicht gebraucht hast, wie mögen sie denn ihren Daddy mit der Maske?
Haha, ich glaube nicht, dass es sie sehr interessiert was ich mache, sie sind so an diesen komischen Typen mit den Dreadlocks gewohnt, der wie keiner der anderen Väter aussieht, die ihre Kinder von der Schule abholen… Sie wissen, ich mache Musik, aber sie sind um mich herum aufgewachsen. Ich befürchte, sie denken, ich bin ein bisschen berühmter als ich es wirklich bin! Haha! Meine Tochter ist ein ziemlich typisches 10 Jahre altes Mädchen. Sie versteht oder mag Metal nicht, oder Hard Rock… Das ist das, was ich meistens höre. Sie mag Sachen wie Shakira und Beyoncé, haha! Und mein Sohn ist immer noch in seiner Spielephase, er ist 7… Er hat gerade angefangen, Schlagzeugspielen zu lernen, und wir haben ihm gerade ein Drum Kit besorgt, also wird er das hoffentlich weiterhin machen.
2018 hast du “The Perfect Reject”, einen Remix des “Perfectly Defect” Album aus 2010, herausgebracht. Du hast dafür sehr gute Reviews bekommen. Hast du Pläne für ein anderes Remix Album von einem der älteren Sachen oder etwas komplett anderes mit dem neuen Release?
Das wäre grossartig. Ich würde liebend gerne ein Remix Projekt leiten für „The Smell of Rain“. Ich meine, wir haben es bereits für „The Great Deceiver (The Great Corrupter) und „The Grudge (Some Kind of Heroin)“ gemacht, also wäre „The Smell of Rain“ fantastisch. Das Problem ist, dass „The Smell“ Earache Records gehört und sie haben Null Interesse daran gezeigt, irgendetwas von Mortiis zu veröffentlichen in den letzten paar Jahren, also habe ich keine Ahnung, wie das zustande kommen könnte, ausser das ganze Album noch mal aufzunehmen und die neuen Masters für mich zu behalten. Das wäre eine Riesen Arbeit und Earache besäße noch immer die Veröffentlichung, trotz der neuen Masterbänder.
Du hast 50 Kopien von der “The Unraveling Mind” LP mit deinem eigenen Blut unterschrieben und verkauft, was es zu einem sehr speziellen Merchandise Stück macht. Was planst du als nächstes? Gibst du ein Teil deiner Dreadlocks weg?
Haha! Das habe ich schon gemacht. Ich habe meine ursprünglichen Dreadlocks 2013 abgeschnitten, als ich ihrer Leid war. Ich habe sie aber auf dem Dachboden aufbewahrt, und als The Great Deceiver heraus kam, habe ich eine sehr limitierte Auflage davon mit einer Dreadlock zusammen verkauft. Wir haben die Edition „Dreadful Stalker“ genannt, haha!! Ich habe meine Dreads zurück seit Sommer 2015, da ich gemerkt habe, dass keine andere Frisur für mich funktioniert außer den Dreads. Ich habe einfach ausgesehen wie ein Schwanz… Haha!
Du hast so viele unterschiedliche musikalische Sachen gemacht, du hast deinen Fans auch viele Gelegenheiten gegeben, unterschiedlichstes Merchandise zu kaufen, das man sonst von anderen Künstlern nicht bekommt. Gibt es etwas, das du gerne mal gemacht hättest, aber bisher noch nicht machen konntest? Ein Mortiis Film, eine spezielle Kunstsammlung, ein weiteres Buch?
Ich mag die Idee sehr, eine dunkle, brutale Comicbuch-Version des Mortiis Universums zu machen. All das verrückte Zeug vom Buch, alles was das Mortiis Universum ausmacht und von dem alle Era 1 Aufnahmen ihre Konzepte haben.
Bei unserem letzten Interview in 2011 hast du erwähnt, dass es immer ein Problem ist, einen guten Plattenvertrag zu bekommen und eine Firma, die dich so unterstützt wie du es brauchst und du trotzdem noch davon leben kannst. Ich habe gesehen, dass du heute alles selber machst, ist das richtig? Du hast dein eigenes Plattenlabel namens Omnipresence Productions gegründet?
Yeah, haha, das ist das Resultat davon, dass ich realisiert habe, wenn du keinen sehr guten Deal, der lukrativ für alle ist und nicht nur für ein Platten Label (und vielleicht dein Management) hast, solltest du all deine Rechte behalten und die Arbeit selber machen. Ich habe das viel in den 90ern gemacht, also war das eine Einstellung, die ich wiederentdeckt habe bald nachdem mein Vertrag mit Earache beendet war. In der Phase mit dem Vertrag habe ich erfahren, wie unfair ein Plattenvertrag sein kann und ich hab einen Eid geschworen, dass ich das nie mehr machen würde. Dann lieber aufhören. Übrigens war Omnipresence etwas, das ich bereits 2001 begann und ich setzte seither immer das Omnipresence Logo auf alles, sogar die Earache Records Veröffentlichungen. Wenn du sie dir ansiehst, kannst du das Omnipresence Logo sehen.
Ist es einfacher oder sogar profitabler für dich, alles selber zu machen?
Die kurze Antwort ist, JA! Es ist sehr einfach, deine Rechte zu verkaufen oder dich auf schlechte Sachen einzulassen, wenn du den Vertrag nicht verstehst. Oder wenn du bequem wirst und es dir gefällt wenn jemand anders die Arbeit erledigt. Wie ein Plattenlabel, eine Merchandise Firma… aber das kostet alles seinen Preis. Natürlich, wenn du sehr erfolgreich wirst, muss es jemand anders machen, es wird dir nicht mehr möglich sein, alles selber zu erledigen, aber dann hast du die Macht zu verhandeln und sicher zu gehen, dass man dich nicht über denn Tisch zieht. Naja, theoretisch solltest du das sowieso.
Danke dir viel mal für deine Zeit und wir wünschen dir alles Gute für die US / Kanada Tour!
Danke dir 🙂
Photos: Mortiis & Fernando Serani, Livefotos K. Weber
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