Interviews

Wolfheart: „Die Leute sind manchmal sonderbar“

Wenige Stunden vor der Show in Hamburg (wir berichteten) konnten wir Wolfheart-Mastermind Tuomas Saukkonen mit unseren Fragen konfrontieren – und unsere „good cop, bad cop“ Strategie machte sich bezahlt, denn wir konnten ihm ansonsten streng unter Verschluss gehaltene Informationen entlocken… Daher überspringt lieber die SPOILER ALARM Abteilung, die ebenfalls als Audio-Clip zur Verfügung steht, denn sonst fühlt ihr euch eventuell genötigt, euch den gesamten Saukkonen-Katalog nochmal genau reinzuziehen (was ja nun nicht sooo schlimm wäre… ) Dennoch, es soll keiner behaupten können, wir hätten euch nicht vor ”etwaigen Nebenwirkungen” gewarnt!

Zunächst einmal, wie war die Tour bisher?
Es lief alles sehr gut, es war ein wirklich gutes Arrangement für uns, wenn man bedenkt, dass unser neues Album in 6-7 Wochen auf den Markt kommt, also ist diese Tour für uns perfektes Timing, um dieses Album zu promoten, ehe es erscheint. (”Tyhjyys” wird am 3.3. veröffentlicht, die Red.)

Was hat sich hier am schwierigsten erwiesen, abgesehen von Zeitplänen?
Nichts war wirklich schwierig; abgesehen von dem Üblichen, das immer auf einer Tour passiert und nicht einmal die Erwähnung wert ist, gab es bisher keine Komplikationen. Die Bands kennen sich gut, die Crew ist aus Finnland, ebenso der Tourmanager, also wäre schon einiges notwendig, um da ein echtes Problem entstehen zu lassen. Daher war es bisher eine wirklich, wirklich, WIRKLICH lockere Reisegesellschaft!

Was wäre denn notwendig, um ein echtes Problem auszulösen?
Mir fiele da nicht mal was ein (Gelächter). Da müsste es schon riesige Streitereien zwischen mehreren Leuten geben, um sich auf die allgemeine Stimmung auszuwirken, aber wir kennen uns schon lange, wie sollte das also passieren. Technische Probleme zählen nicht, denn bei 17 Gigs hintereinander muss es Venues mit technischen Problemen geben, so ist es einfach nun mal.

Was können die Leute denn vom neuen Album erwarten?
Es wird ziemlich variantenreich sein, besonders im Vergleich zum Debütalbum (”Winterborn”, die Red.). Bei ”Shadow World” (dem 2. Album, die Red.) gab es schon viel schnellere Songs, weil Joonas (Kauppinen) da trommelte, und seitdem wurde er noch viel schneller, was man dem neuen Album auch anhört. Die Kombination ist breiter gestreut – die erste Single Boneyard ist wohl der schnellste Song des Albums, und die zweite Single The Flood (siehe Videoclip am Textende, die Red.) dürfte wohl der langsamste Song des Albums sein.

Hast du diesmal mehr mit den anderen Bandmitgliedern zusammengearbeitet?
Nein, nicht wirklich. Ich habe darauf hingearbeitet, aber Mika (Lammassaari, lead git; die Red.) wurde Vater eines Sohnes und hatte unglaublich viel zu tun, also habe ich nur einen Song gemeinsam Mika und Lauri (Silvonen, Bass; die Red.), geschrieben, und auch Joonas war super beschäftigt, also habe ich den Rest ganz alleine gemacht, so ziemlich die gesamte Vorproduktion und die Arrangements und habe dann die Jungs ihre Beiträge lernen lassen. Es war also sogar noch weniger Teamwork als bei Shadow World. Aber jeder hat seinen Part im Studio selbst eingespielt – ich hab diesmal alle Rhythmusgitarren übernommen, Mika spielte alle Soli – aber das war auch von ihren eigenen Zeitplänen abhängig.

Ich habe bemerkt, dass – wieder mal – jemand anders auf der Bühne die meisten Ansagen übernimmt, warum – war das eine natürliche Entwicklung?
Ich glaube, das war bei Wolfheart schon von Anfang an so. Ich steh nicht so aufs Quatschen, nämlich GAR nicht (Gelächter) – ich tat es, weil ich musste, aber als Lauri vor 3 Jahren Esa (Uusimaa) ablöste, war es für ihn total OK, und mir war es nur recht.

Lauri

Aber wirklich freiwillig gemeldet hat er sich nicht… ?
Ihm macht das sogar Spass, das macht er ja auch in seinen anderen Bands (z.B. Bloodred Hourglass, the ed.), und er hat auch viel in Coverbands gespielt, also macht ihm das nichts aus. Und zugleich macht es mir nichts aus, das er es macht – ich hab null Interesse an reden.

Yeah – ich weiss … Auf dem neuen Album wird ein ”Krieger-Chor” zu hören sein, wie kamst du auf die Idee, deine Familie als Sänger bei einem Track anzuheuern?
Ich hatte das eigentlich schon bei einigen Alben davor im Hinterkopf, und es ist eher ein Schrei-Chor, kein Gesang, musikalisches Können ist da nicht wirklich nötig. Mein Vater stand schon immer, von Anfang an, auf meinen Band-Kram, er hat sich auch viele Gigs angesehen, und er steht seinen Brüdern echt nahe. Und ich habe nun eine Menge Songs – nicht so viele bei Before The Dawn, sondern eher bei Black Sun Aeon und Wolfheart – die mich an mein Heimatdorf erinnern, die Natur, Plätze, wo ich als Kind war – also passt das ganz gut.

Weil du grad Natur erwähnst – was fasziniert dich so an Winter, sodass du viele Songs oder ganze Albumthemen dieser Jahreszeit widmest?
Es gibt sogar zwei Gründe, einer ist, dass ich im Sommer zu viel zu tun habe. Ich habe keine Möglichkeit, mich auf Musik zu konzentrieren. Ausser gebuchter Gigs oder Studiozeit kann ich mich auf gar nichts anderes konzentrieren. Wie letzten Sommer, wo ich 270 Stunden im Monat gearbeitet habe, der schlimmste war 380, mein Rekord letzten Sommer, das war mein Juni. Daher konzentrierst du dich nicht auf neue Musik, erschaffst nichts Neues – nur Ackern und versuchen zu schlafen. Im Winter habe ich dann Zeit, wenn der Boden gefroren ist und ich nichts zu tun habe. Was den Job betrifft. (Falls ihr euch fragt, welcher Job das ist – HIER – die Red.)
Und der Winter ist viel faszinierender als der Sommer. Mir gefällt es, dass alles wie tot scheint, aber nicht tot ist – und besonders oben im Norden, in Norwegen oder Lappland, ist es absolut schön – nicht wie in Helsinki, wo es im Winter echt Scheisse ist (Gelächter). Oben im Norden sieht es dann echt cool aus. Es ist eine schöne Jahreszeit, und für mich, wenn es Winter wird, kommt mein Leben zur Ruhe, und ich bin dann ganz alleine.

Aber dennoch hattest du doch was mit Gärtnern zu tun, obwohl es Winter war – da fragte ich mich, was zum Teufel machst du denn eigentlich?
Ich hab das Tätigkeitsfeld etwas verändert am Sommeranfang, ich wurde angeheuert, um Misstände auf Baustellen zu beseitigen. Und das war auch der Grund der vielen Arbeitsstunden, es ist eine grosse Firma, die in dieser Hinsicht einiges zu reparieren hatte. Und wir arbeiteten, so lange es nur ging, denn da steckt ja auch eine Menge Geld mit drin in solchen Baustellen. Was du vor Jänner nicht gebacken kriegst, bleibt bis April oder Mai liegen, bis du weitermachen kannst, das heisst, alles liegt ein halbes Jahr brach, und das kann sich keine Firma leisten. Ich wurde gut bezahlt, aber bei -20 Celsius ist das nicht so lustig.   (Und der erste Preis für die Untertreibung des Jahres geht an… die Red.)
Aber weisst du, da nehm ich einfach eine noch grössere Maschine und buddle noch ein bisschen tiefer (Gelächter) – und eigentlich kostet das ja sogar noch mehr und macht irgendwie nicht viel Sinn, aber wenn mich jemand dafür bezahlt, kein Problem.

Tuomas

Auf welches Gärtnerprojekt bist du denn am meisten stolz, und was hast du da gemacht?
Eines davon hat mit Gärtnern nicht mehr viel zu tun, eher Landschaftsgestaltung. Das war die grösste Landschaftsarchitekturbaustelle in 2014/2015. Wir hatten 70.000 Pflanzen gesetzt und mussten 9000 m3 Erde für diese Pflanzen bereitstellen, und wir haben es zeitgerecht fertig gekriegt, und es gab keine einzige Beschwerde, was bei solchen Riesenprojekten selten vorkommt. Das ist kein Gärtnern mehr, das ist eher sowas wie Fliessbandarbeit. Ich habe auch viele Höfe bei Sommerhäusern gestaltet, für die stinkreichen Leute – ich kann keine Namen oder Örtlichkeiten erwähnen – aber das sind echt coole Projekte. Bei einigen Kunden hatte ich freie Hand, die meinten einfach, ”mach was du willst, egal was es kostet”.

Da gibt es diese TV Shows, wo sie ”mökki-remontti” machen, also finnische Sommerhäuser und deren Höfe renovieren …
Wir haben da viel coolere Sachen gemacht. Ist nur so, die wirklich Stinkreichen wollen nicht, dass das jemand mitkriegt, denn das ist ja der Punkt bei solchen Sommerhäuschen, sie wollen ihre Privatsphäre.

Gab es da auch irgendwelche seltsamen Wünsche, die du diesen Stinkreichen erfüllen musstest?
Nein, das ist in dieser Hinsicht ein sicherer Job, da gibt es kaum was an Seltsamkeiten … Leute sind manchmal seltsam. Das bringt es so mit sich, wenn du viel Geld hast. Und deren Einstellung ist seltsam, nicht deren Wünsche. Denen ist es egal, ob etwas kompliziert ist oder an der Grenze zum Unmöglichen – egal, sie haben die Kohle, also ”mach es möglich”!

Um auf TV Shows zurückzukommen – wenn du eine TV Show gestalten könntest, worum ginge es da – Gärtnern, Musik, Kochen …
Es gäbe gar keine – wäre mir lieber …
… Gewichtheben, Fitness?
Ganz besonders das nicht – ich hasse die Tatsache, dass das so ein Trend geworden ist. Nicht dass es ein Problem ist, wie beliebt es wurde, aber wenn es zu trendy ist … und ich hasse all diese Personal Trainer, wozu braucht man die? Wo ist dein Rückgrat, wenn du jemanden brauchst … du zahlst jemandem 200 Euro im Monat, nur um sie oder ihn neben dir stehen zu haben ”na los, du schaffst das, los, los” …

Und das ist noch billig mit nur 200 …
Yeah, und dann sind noch die meisten Personal Trainer, die ich erlebt habe, ziemlich mies. Denn du kannst ein Personal Trainer Zeugnis einfach über einen E-Mail-Kurs kriegen oder so. Du brauchst da kein professioneller Fysiotherapeut zu sein oder länger zur Schule zu gehen – du machst einfach so einen Kurs, zahlst eine Menge Geld, und dann bist du ein Personal Trainer. Du musst nicht wirklich was wissen.

Tja, ich kann dir verraten, dass ich jemanden neben mir bräuchte, der mir in den Allerwertesten tritt, denn ich bin viel zu faul… wie bleibst du eigentlich auf Tour in Form?
Gar nicht. Das wäre ohnehin viel zu schwierig. Denn essen und schlafen sind schon schwierig, und dann noch ein Gym zu finden probieren und sowas wie einen Trainingsplan dafür, das wäre schwierig zu schaukeln.

Also schleppst du keine Hanteln mit dir rum…
Nein, nichts dergleichen. Entweder richtig trainieren oder gar nicht. Der Mittelweg bringt nichts.

Mika

Was ist denn dein grösster Erfolg bisher beim Gewichtheben?
Verglichen mit richtigem Gewichtheben …?

Öh, yeah, keine Ahnung, wie das nun richtig heisst… (scheint BENCH PRESSING, Bankdrücken, zu sein, die Null-Sport-Chefred.)
Tja, ich hatte diesen Plan und beendete das Programm für maximale Kraft 2 Tage vor der Tour, daher ist es nun gut für meinen Körper, gar nicht zu trainieren, besonders für die Gelenke. Ich habe es geschafft, 410 Pfund beim Benchpress zu schaffen, das sind etwa 185 Kilos.
(ein Moment der Stille, sprachlose Reporterinnen)
Ich wollte eigentlich mehr herausholen, aber da hatte ich vielleicht 2h Schlaf pro Nacht, arbeitete 14h am Tag, und wenn du Krafttraining machst, musst du an Kalorien tüchtig zulegen. Du musst jede Woche an Gewicht zulegen, sonst klappt das nicht. Und bei mir lief es rückwärts, ich verlor pro Woche 1 kg, weil ich es nicht schaffte, mehr zu essen, als ich Kalorien verbrannte. Nur im Freien stehen, 8 h bei -15 Celsius, da verbrennt dein Körper schon so viele Kalorien, dass du eigentlich alle 3 h was essen solltest…

Du bist der einzige, den ich kenne, der sich freut, wenn er zunimmt. (lacht)
Nein, eigentlich freue ich mich auf die Diät, die ich nach der Tour machen werde, damit ich dann 15 Kilo leichter bin. Im Sommer kann ich dann… naja, du kannst dir vorstellen, nur weil du was Kleines erreichen willst, wird nicht gleich das Universum stillstehen, wenn du dein Benchpress-Programm geschafft hast. Da ich das auf natürliche Weise mache, ohne Drogen, und auch nicht jünger werde… und je mehr du stemmst, desto langsamer geht es aufwärts. Mein letzter Rekord war 180 kg, ich hab jetzt 5 kg mehr. Dafür hab ich ein Jahr lang trainiert. Klarerweise nur hie und da, im Sommer machte ich fast nichts wegen der vielen Arbeit, aber immerhin, 5kg in diesem Jahr…

Klingt nicht so, als wärst du zufrieden.
Nein, aber so ist es nun mal, wegen dem Alter und als natürlicher Gewichtheber – ich weiss nicht mal, ob es überhaupt möglich wäre, 200kg auf der Bank zu erreichen. Liegt auch an der DNA. Ich kenne Leute, die haben sich mit weniger Gewicht die Gelenke ruiniert. Ein guter Freund von mir, der bei Wettbewerben mitmachte, hat sich bei 205 kg Benchpress den Rückenmuskel von der Schulter abgerissen… (beide Reporterinnen schaudert es) also könnte es eventuell unmöglich sein, 10kg zuzulegen. Aber stell dir vor, ich schleppe diese 15kg extra mit mir rum nur wegen dem Training. Das ist zwar Teil davon, aber ich fühl mich wohler, wenn es weg ist.

Bei dir klingt das, als wäre es so einfach, Gewicht loszuwerden …
Es ist einfach!
Für dich! (Gelächter)
Ist es! Dieselben Regeln gelten für alle, in allen Gewichtsklassen. Ich finde, essen ist schwieriger als nicht essen. Denn wenn ich nun jeden Tag 6000 Kalorien zu mir nehmen muss, dann muss ich eien Essensplan einhalten. Egal, ob ich nun hungrig bin oder nicht. ”Es ist 2 Uhr, ich muss nun 1000 Kalorien essen”.

Das klingt schrecklich, Sorry.
Ich esse gerne, das ist nicht so schrecklich – aber du musst da diszipliniert sein – wenn du Mahlzeiten auslässt, wirst du Probleme beim Training kriegen.

Du bist ja als sowas wie ein Perfektionist bekannt …
(etwas verzweifelt) Aaaahhh…
… wann hast du denn, deiner Meinung nach, den Zustand der Perfektion erreicht?
Das ist lustig, ich werde sowas so oft gefragt. Ich identifiziere mich selbst nicht so. GAR NICHT. Ich hab keine Ahnung, wann das aufkam … eventuell… ich habe bei Before The Dawn ziemliche Ansprüche gestellt, und es gab Gründe dafür, da es jede Menge Probleme gab… und ich wollte damals von den Jungs einfach mehr Disziplin haben. Damals mussten wir gleich 2 Drummer aus dem Studio feuern, weil sie die Songs nicht gut genug spielen konnten. Es ging gar nicht darum, dass sie es perfekt konnten, sie schafften die Songs nicht. Wenn du 3 Tage im Studio verbringst und der Techniker meint, dass er nichts editieren oder reparieren kann mit dem Computer, ob ich eine andere Lösung hätte, das ist ganz was anderes. Aber die kurze Zeit, die ich habe, um nun wirklich mit einem Instrument zu proben, keine Chance… wenn ich ein Perfektionist wäre, würde ich keine Platten aufnehmen.

Wenn ich ein Perfektionist wäre, würde ich keine Platten aufnehmen.

Im Prinzip habe ich gar keine Zeit, mein eigenes Spielen zu proben. Ich habe Zeit, Musik zu schreiben, und meistens probe ich dann im Studio. Glücklicherweise lerne ich schnell die technischen Sachen, aber ich bin wirklich weit davon entfernt, ein Perfektionist zu sein. Zumindest was mein eigenes Spielen betrifft. Ich kenne meine Schwächen, ich könnte bei jedem Album so viele Patzer auflisten, die da versteckt sind (Kichern im Hintergrund) – wenn es etwa keinen Studiotechniker gäbe, wären so viele Fehler auf den Platten; er hat so gute Ohren, ich würde da vieles durchgehen lassen, aber er winkt gleich ab. Klar, mein Ziel ist es gut zu sein. Perfektion liegt nicht im Spielen selbst, sondern wird durch die Stimmung erschaffen, die Atmosphäre und die Struktur eines Songs, das Arrangement zwischen den verschiedenen Instrumenten. Das kann Perfektion sein, kann aber nur als bestimmte Stimmung oder Vibe der Musik wahrgenommen werden, kann nicht wirklich… es ist eher eine Interpretation als ein Faktum.
Für einige andere kann es bedeuten, dass die Atmosphäre anders besser wäre, aber was das Spielen betrifft, geht es nur um Saitenzupfen oder Schlagtechnik, wo man sagen kann ”das ist perfekt” oder ”das ist nicht perfekt”. Und ich bin nicht auf der perfekten Seite.

Meistens, 5min nachdem ich ein Bild fertig habe (sowas wie das hier, die Chefred.), isses ”naja, gut – aber ich kann es noch besser”. Ging es dir jemals so, dass du einen Song geschrieben, aufgenommen und sogar auf ein Album getan hast und 5min danach denkst du ”Mist, hätt ich besser machen können”?
Natürlich. Wenn mir nun wirklich danach wäre. Aber nun, da wir nun wieder das Deadlight Album für die Before The Dawn Show proben (eine spezielle Show zum Deadlight 10-Jahr-Jubiläum, die Red.), und das war eines von denen, wo wir den Drummer aus dem Studio schmeissen mussten, ich hatte 2h um zu proben, mich vorzubereiten und das gesamte Album neu aufzunehmen – in der halben Zeit, denn wir hatten schon 3 Tage im Studio verbraucht. 2 Tage, um das gesamte Album einzuspielen, ohne Probe – und daher passierte da ziemlich viel Abartiges. Denn ich hatte keine Zeit, an die Arrangements zu denken, die Schlagzeugmuster passen manchmal gar nicht zum Song, ich hörte mir die Gitarren nicht an, weil ich keine Zeit hatte, ich hatte nur ein Metronom, um weiterzumachen, damit wir Zeit hätten, einen Song fertig zu machen – also passiert da viel wirrer Kram bei den Drums.
Ich würde es dennoch nicht nochmal machen. Es war eben so, wie wir es damals gemacht haben. Ich mach selten Songs nochmal neu. Nur wenn es da wirklich einen echten Fuck-up gibt. Für mich ist es so – es soll so bleiben, wie es damals eben gemacht wurde.

Also gibt es keinen Song, den du am liebsten löschen, wegschmeissen wolltest…
Ich sage nun nicht, dass alle Songs gut sind. (Gelächter) Aber die wurden damals so geschrieben, und zu dieser Zeit dachte ich, dass sie auf dem Album sein sollten, also warum soll ich nun was anderes denken. Es passierte damals aus einem Grund, und eventuell war der Grund kein besonders guter damals – du triffst nicht immer die besten Entscheidungen, es gibt da einige seltsame Sachen in der Vergangenheit. Das kostet mich ein Lächeln, und ich bereue nichts. Wirklich nicht. Wenn mich allerdings jemand bitten sollte, bestimmte ältere Songs zu spielen, es gibt einige, da würde ich ablehnen (Gelächter). .

Welche denn?? (Gelächter)
Nah – verrate ich nicht. (Gelächter)
Na komm schon … (Gelächter)
Es heisst nicht, dass das nun schlechte Songs sind, so im Schnitt für die Zuhörer, die Leute mögen diese Songs, aber ich hab meine Probleme damit, und dennoch bereue ich nichts. Wir haben wirklich dumme Sachen probiert, haben in der Vergangenheit fast katastrophale Fehler gemacht, die man auch hört, wenn man weiss, worauf man beim Hören aufpassen sollte. Aber wenn du es nicht weisst … wo auf dem Album diese Sachen zu finden sind, dann ist es eventuell nicht möglich, das rauszuhören. Ich und ein paar Tontechniker, wir wissen es, was auf Alben ist, was nicht hingehört, oder auf diese Weise nicht gemacht werden sollte …

OK, hey, ich zwinge dich nicht, was rauszurücken… wenn du es nicht sagen willst …
Ich will doch keine Songs verderben! Wenn ich es verrate – das ist schon geschehen… das ist dann gar nicht gut, also wenn es die Leute nicht herausfinden, nicht wissen, dass es da ist im Song, dann hörst du es nicht. Aber wenn ich darauf hinweise, ”hör dir diesen Teil an, und die Gitarre und die Drums, da gibt es einen Fehler”, und dann findest du es raus…

SPOILER ALARM!

Die Spoiler von Tuomas zum Anhören

 

…dann grinst du nur und du magst den Song trotzdem! Problem gelöst! (Gelächter)
Yeah. Wie unser Drummer Joonas. Ich kann einen verraten.
The Hunt, die erste Single und der erste Wolfheart Videoclip, das letzte Drumfill vor dem Refrain, ist nicht total Scheisse, aber ich erinnere mich an die Situation im Studio. Ich war echt müde, das war die letzte Aufnahme überhaupt, und ich wollte das einfach nur weghaben, und wenn ich Drums spiele im Studio, improvisiere ich viele der Fills. Also gibt es immer was anderes in jedem Take, und zu diesem Zeitpunkt gingen mir die Ideen aus, ich wollte nur den Song fertig kriegen. Und so wie ich anfange mit dem Fill, denke ich ”das geht nicht gut” (Gelächter) Ich hatte da diese Idee – aber ich hatte mit der falschen Hand begonnen. O-OH. Wie jetzt weiter? Und jeder Schlag unterstrich das Problem, es wurde das schlimmste Drumfill aller Zeiten, gar nicht, wie sowas klingen sollte – und das kannst du noch hören, wenn du aufpasst.

Joonas

Ummm… eventuell … doch nicht … ???
Aber dann unser Drummer – als er versuchte, den Song zu proben, rief er mich an ”Tuomas, was geht da ab?” (Gelächter) ”Im Ernst – keine Ahnung – irgendwie viele Schläge auf Trommeln, bisschen chaotisch, versteh ich auch nicht” (Gekicher im Hintergrund). Er hat es dann tatsächlich Schlag für Schlag einstudiert, und jedes Mal, wenn er es spielt, klingt es für mich als wäre nun der gesamte Song im Eimer. Aber das ist gut versteckt, wir hatten da ein Solo, das wir drüberlegten, damit es nicht so leicht rauszuhören ist, aber es ist dennoch Scheisse. Ein übles Drumfill, und ziemlich versaut. Und es ist noch immer da.

Ich muss mir das nochmal anhören.
(verzweifelt klingend) Und das ist noch dazu unser populärster Videoclip … (Gekicher im Hintergrund).

Und niemandem fällt es auf …
Nein, denn da ist ein Gitarrensolo drüber, gibt einen Grund dafür, warum da was über dem Fill ist (klingt wieder verzweifelt) Wir hatten uns einige Lösungen überlegt – Wolfgeheul wäre viel zu …

… wäre viel zu auffällig gewesen (Gelächter)
… zu auffällig, Kirchenglocken (schallendes Gelächter) passen nicht zu unserer Musik – OK nehmen wir das Gitarrensolo – OKAY (Gekicher im Hintergrund). Und auf jedem Album gibt es was. Darum ist es so lustig, dass mir Leute weismachen wollen, ich sei ein Perfektionist (Gelächter). Du solltest mich im Studio erleben… (Gelächter)
Und noch was – bei Before The Dawn und Black Sun Aeon hatten wir mehr akustische Gitarre, und ich hab dieses chronische Nasenproblem, immer leicht verstopft, und wenn ich akustische Gitarre spiele, dann atme ich meist durch die Nase, und das kann man hören, bei den meisten der aktustischen Teile, auf allen meinen Alben. (demonstriert Atemgeräusche)

Wir…. MÜSSEN uns das nochmal anhören …
… mit Kopfhörern … mir ist das bei einer Person schon passiert, sie schimpfte ”Mist, jetzt höre ich es die ganze Zeit” (Gelächter). Weil es die ganze Zeit da ist, wenn du 2 Mikrofone hast und diese im Prinzip alles aufnehmen, was sich im Raum abspielt, und der einzige Sound kommt von der Gitarre, und meiner Nase. Also ist es unmöglich – wenn du die Gitarre verstärkst, machst du zugleich auch alles andere an Geräuschen lauter, von daher… und mir ist das egal, für mich ist das lustig.

Und auf sowas achten Leute nicht, wenn sie sich Musik anhören.
Sie achten nicht drauf, aber wenn man es ihnen sagt…

Aber wenn du es weisst, dann suchst du danach …
… yeah… das Atmen bei der akustischen Gitarre… ”wie konntest du das tun, wieso hast du mir nun alle akustischen Songs verdorben” – yeah, das ist meine Art, ein Perfektionist zu sein. Ich wüsste nun sogar Wege, die Nase zu tilgen – es gibt Möglichkeiten, aber ich tue es nicht, es stört mich nun nicht SO arg… für mich ist es lustig…

… besonders wie du es audrückst ist lustig – Nase abschneiden, Problem gelöst! (Gelächter)

SPOILER ENDE

Auf so einer Tour und echt eingespannt zu sein, gibt es da noch was, wozu du dir jeden Tag echt Zeit nimmst?
Es gibt eine ähnliche tägliche Routine – Einladen, Ausladen, Soundcheck, und da wir als erste Band spielen, gibt es nicht viel Zeit zwischen dem Soundcheck und der Show, also bereiten wir uns nahezu unmittelbar nach dem Soundcheck gleich auf den Auftritt vor. Auf so einer Tour kannst du kaum private Routinen entwickeln, wenn du mit 18 Leuten in einen Bus gepfercht bist. Du kannst zwar immer wieder mal raus und kurz die Stadt ansehen, wenn du die Energie dazu hast. Für gewöhnlich sind die Venues nicht so nahe am Zentrum, also ist es nicht einfach, was zu sehen zu kriegen. Und es ist nicht einfach, gut zu schlafen, wenn der Bus schunkelt – also schläfst du lieber, ich glaube, das wird dann das Wichtigste für dich – einfach Zeit zum Schlafen zu haben. Denn wenn du viele Gigs hintereinander spielst und kaum schläfst, wirst du in keiner guten Verfassung sein. Zumindest die Stimme ist dann ziemlich im Eimer.

Du hast erwähnt, dass es problematisch ist, sich die Stadt anzusehen, aber wenn du schon so viel unterwegs warst, interessiert es dich überhaupt noch, dir was Neues anzusehn?
Nicht wirklich – denn am wichtigsten ist natürlich der Gig, dann machst du die Interviews, und mit dieser frühen Beginnzeit der Show bleiben da nur ein paar Stunden, und du wärst da viel zu sehr im Stress und hättest vielleicht eine Viertelstunde Zeit, dir was anzusehen. Also machst du dich nur deswegen in die Stadt auf, wenn du was in einem Musikladen besorgen musst oder sowas. Niemand hat da wirklich für irgendwas Zeit, ausser wenn du direkt im Zentrum gelandet bist. Aber in Zukunft werden wir eher so Mini-Tourneen haben, die auch günstiger für die Bandmitglieder sind, für ihre Familien und ihre Jobs, und Urlaubnehmen. Oder wenn es um ein Festival geht, dann fliegen wir für gewöhnlich einen Tag früher hin, damit wir eine volle Nacht ausschlafen können, oder wir fliegen einen Tag später retour. Damit haben wir einen freien Tag, um uns was anzusehen. Bei dieser Tour waren wir einen Tag früher in Düsseldorf, um uns ein wenig umzusehen, um mal nicht ständig eingeteilt zu sein. Meistens haben wir kaum die Energie für eine Besichtigungsrunde, wir gehen einfach in ein nettes Restaurant – ein wirklich gutes, denn wir sehen einander nicht so oft, wir proben eigentlich nie zusammen. Also haben wir nur bei den Shows auch Gelegenheit, Zeit miteinander zu verbringen – daher wurde es sowas wie eine Tradition für uns, in einer Stadt ein gutes Restaurant auszusuchen und dann am darauffolgenden Tag die Festival-Show zu spielen.

Apropos Festival – diese spezielle Before The Dawn Jubiläums-Show, die du erwähnt hast, war das deine Idee oder die Idee des Organisators?
Es war das Festival – er ist ein grosser Fan, er hatte schon damals für uns einige Clubgigs gebucht, und er hat uns schon einige Sommer lang mit dieser Anfrage gelöchert. Vor drei Sommern, als er dieses Festival plante – also gab es das Festival noch nicht – fragte er schon nach, dann auch letzten Sommer, als das Festival lief: ”Können wir es jetzt tun?” ”Nein, keine Chance.” Und diesmal war es das erste Mal, dass ich auch wirklich mit den anderen Jungs geredet habe: ”OK was ist eure Meinung, es ist nun 10 Jahre her, dass das Deadlight Album rauskam”, und ich nahm an, dass die Jungs ablehnen würden, aber alle antworteten ”Yeah yeah tolle Idee, da machen wir mit” und ich musste dann wohl oder übel zustimmen (Gelächter). Ich war auf so eine Reaktion nicht vorbereitet und sagte dennoch ”OK” – also spielen wir nun diese Show. Ich glaube, das wird wirklich cool!

Letzte Frage: im Internet kursiert eine Geschichte, dass ein norwegischer Teen eine Horde Wölfe dadurch verscheuchte, dass er einen Megadeth Song via Handy abspielte. Was wäre denn ein Wolfheart-Song, der Wölfe am besten verscheucht?
Sollte diese Situation jemals eintreten, hoffe ich, jeder Song (Gelächter) – falls mein Handy dann mitspielt. Ist ja ziemlich überraschend, dass sowas wirklich passiert ist, denn die dürften durch’s Handy grad mal 30 Sekunden abgeschreckt sein …

Naja, kursiert im Netz …
… immerhin ein Rudel Fleischfresser, und da ist nur eine Person, die so nen Lärm macht, ich glaube, die Wölfe erholen sich davon ziemlich schnell … aber falls es drauf ankommt, hoffe ich, dass irgendeiner unserer Songs funktioniert.

Und dass die Wölfe nicht wirklich hungrig sind.
Ich glaub nicht, dass die aus dem Wald kommen, um mal schnell Hallo zu sagen. (Gelächter) Wenn dir Wölfe begegnen, dann könnte das schon ein gewisses Problem werden. (Und nochmal, der erste Preis für die Untertreibung des Jahres geht an … die Red.)

TOURDATEN

Startfoto: Band; Fotos, Artwork: K. Weber

Wolfheart - The Flood

Contributors

Klaudia Weber

Rücksichts- und gnadenlose Diktatorin, kniet vor mir! Anders gesagt: Chefredakteurin, Übersetzerin, Webseiten- und Anzeigenverwaltung, also "Mädchen für alles" - - - Schwerstens abhängig von Büchern (so ziemlich alles zwischen Herr der Ringe und Quantenphysik) und Musik, besonders von Metal finnischer Prägung. Weiters Malen, Zeichnen, Film, Theater... also könnt ihr mit einer vielseitigen Website rechnen. Mag.phil., zwei in 5 Jahren parallel abgeschlossene Vollstudien (English & American studies, Medienkommunikation) und stolz darauf, denn als Mädel aus einer Arbeiterfamilie in einem erzkonservativ-katholischen Land ging das nur dank Stipendium und etwas später im Leben als andere....

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