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Ruisrock 2007

Kein finnischer Sommer ohne Ruisrock, und so war es am 6. Juli mal wieder Zeit für das älteste, noch bestehende Rockfestival der Welt. In diesem Jahr wurde das Gelände sogar noch erweitert und zu der Strand-, Wiesen- und Pavillonbühne gesellte sich noch eine vierte, die Zeltbühne. Trotz der Absagen von Slayer und Stone Sour im Vorfeld kam am Samstag eine Rekordzahl von 30.000 Besuchern auf des Festivalgelände. Und das obwohl das Wetter in diesem Jahr sich von der etwas launischeren Seite zeigte; so war es am Freitag den ganzen Tag über bedeckt bei allerdings angenehmen Temperaturen, Samstag hingegen war es recht wechselhaft mit Sonne und gelegentlich dicken Regenwolken.
Interaktive Fotogalerie am Ende des Texts

Freitag, 6. Juli 2007

Der Tag ging schon mal gut los, denn als wir uns nur mal kurz von unserem Auto entfernt hatten, um die Presseausweise zu holen, hatten wir uns schon nen Knöllchen für Falschparken eingefangen. Ein Tip für alle Turku Besucher also, niemals parken, wo nicht absolut eindeutig gekennzeichnet ist, dass dort ganz sicher ein offizieller Parkplatz ist, 40 Euro gehen somit an die Stadt Turku, thanks a lot. Nachdem wir dann nach langer Suche den Wasserbus, der uns zum Festivalgelände bringen sollte, gefunden hatten, dauerte es noch ewig bis das Teil endlich losfuhr und so kamen wir zu Finntroll dann doch schon etwas zu spät.

Finntroll 8 Hirsche
In Windeseile zur Wiesenbühne gerannt und grad noch so “Trollhammaren” mitbekommen und eine Menge, die sich schon (auch ohne uns) in Wikingerstimmung gegrölt hatte. Fotos aus der Menge zu bekommen war auch irgendwie schwer, da immer irgend ein Arm gerade zum Jubel erhoben war. Mit ihrem neuen Sänger, Mathias Lillmåns, haben die Trolle nun auch nicht mehr nur musikalisch was zu bieten, sondern auch was für´s Auge, zumindest für alle Wikingerinnen. (KG)

Poisonblack 6 Hirsche
Poisonblack spielten als erste Band am Freitag auf der Rantalava-Bühne. Als Einstimmung auf die folgenden Tage, leistete die Gruppe um Sänger Ville Laihiala, mit seiner angenehmen, leicht heiseren Stimme, gute Arbeit. Das größtenteils junge Publikum (weiblich, ledig, jung…sucht) rockte mit, wobei der Sound eindeutig von der Gitarre dominiert wurde. Zeitweise drängte sich jedoch ein eingängiges Keyboard in den Vordergrund, das an eine andere bekannte finnische Band erinnerte. Aber davon abgesehen hatten sie das Publikum voll auf ihrer Seite, das auch den Rülpser ins Mikrophon mit Begeisterung aufnahm. (YZ)

The Horrors 2 Hirsche
Die Band scheint in England grad recht angesagt zu sein, Grund genug, sich die Jungs auf der neuen Zeltbühne mal anzuschauen. Von Girlie-Geschrei begleitet, entert die Band die Bühne und wird ihrem Namen mehr als gerecht – absoluter Horror. Vor allem, wenn man als Photograph in vorderster Front steht und Mirkofonständerattacken ausweichen muss. Irgendwann scheint sich Sänger Faris Badwan dann doch eher für irgendwelche Schrauben, die er am Bühnenrand gefunden hat, zu interessieren, als zu performen. Auf ihrer Homepage werben die Jungs mit “psychotic sounds für Freaks und Weirdoes” für ihre Musik, sie meinen wohl eher VON Freaks und Weirdoes. Mal abgesehen von der völlig abgedrehten Performance kommt musikalisch nicht so viel rüber, Garage Rock vergleichbar vielleicht mit The Strokes, nen richtigen Song konnte ich aber beim besten Willen nicht erkennen. Wer sich also gern von desorientierten Irren unterhalten lässt, ist bei der Band genau richtig, für alle anderen nicht empfehlenswert. (KG)

Pain 8 Hirsche
Nach Poisonblack hieß es Locationwechsel und hin zur Niittylava, wo es Metall aus Schweden geben sollte. Pain fetzten ab der ersten Note und ließen nicht nur die eigenen Haare durch die Luft fliegen. Peter Tägtgren alias Pain erfüllte die Gegend mit einem hallenden Schrei, worauf die enthusiastische Masse sofort reagierte. Er hatte sein Publikum von der ersten Sekunde an voll im Griff und begeisterte durch seine Finnischkenntnisse – perkele. (YZ)

Dead by Gun 6 Hirsche
Finnischer Punk ist irgendwie nicht so weit verbreitet wie Metal und schon allein deshalb wert, mal angecheckt zu werden. Wie es sich für eine Punkband gehört, befindet sich die Bühne innerhalb eines Biergebietes, in dem an über 18-Jährige alkoholhaltige Getränke ausgeschenkt werden dürfen, und so ist die Stimmung am frühen Nachmittag schon recht feucht-fröhlich. Die Band selbst erinnert outfit-mäßig durchaus an den Punk der 70er Jahre, musikalisch würd ich´s aber eher als Redneck-Punk beschreiben. Irgendwie fehlt mir hier das Dreckige, Rotzige; es klingt alles recht nett und Gute-Laune inspiriert, dennoch gibt´s ein paar zaghafte Pogo-Versuche in der 2. Reihe. Ganz nett für zwischendurch. (KG)

Disco Ensemble 7 Hirsche
Am frühen Abend standen Disco Ensemble auf der Niittylava-Bühne. Sänger Miikka Koivisto jagte wie ein wild gewordener Flummi über die Bühne, wobei seine Bewegung ein wenig an Campino von den Toten Hosen erinnerte. Das führte dazu, dass er nach jedem Song außer Atem war und nach Luft schnappend die Zwischenansagen machte. Eine Steigerung zum Vorjahr übrigens, wo sie mehr oder weniger einen Song nach dem anderen runterspielten. Vielleicht lag es an der Kondition?!? Auf jeden Fall, war die Performance mitreißend und die Fans quetschten sich in der 1. Reihe an die Absperrung. Der Sound war punkig und die Hits kamen zum Schluß. Unter anderem wurde auch neues Material gespielt, wobei die größte Begeisterung der Song „Drop Dead, Casanova“ auslöste.(YZ)

Juliette Lewis & The Licks 9 Hirsche
Hollywood hält Einzug in Ruisrock! Das zieht natürlich auch ein paar Musikerkollegen an und so können die komplette Mastodon Crew und Mitglieder von Billy Talent, die am späteren Abend selbst auch noch auftreten, am Bühnenrand beobachtet werden. Nach einem aufwärmenden Stretching ist Juliette Lewis dann bereit, der Menge so richtig einzuheizen. Dynamisch springt die kleine Frau im gelben Netzhemd von einer Seite der Bühne zur anderen, robbt über den Boden und rockt sich ganz einfach nen Wolf. Es scheint auch nen gutes Workout zu sein, denn schon nach dem dritten Song ist Juliette komplett durchgeschwitzt. Der volle Körpereinsatz lohnt sich, denn die Menge ist begeistert – Juliette weiß eben, wie man die Leute entertaint, auch wenn die Songs noch nicht so ganz an ihr Potential heranreichen. Ein natural born Rock Star eben! (KG)

Mastodon 9 Hirsche
Als ich die Band kurz vor Beginn ihres Gigs im Backstage sehe, habe ich das dringende Bedürfnis niederzuknien und zu rufen “ich bin nicht würdig”. Ich kann aber grad noch so an mich halten und versuche so professionell wie möglich dreinzuschaun – Mastodon sind einfach genial. Die Herren scheinen auch recht relaxt, shake hands und dann gehts auch schon ab auf die Bühne – erstaunlich, denn Mastodon´s Musik ist ein komplexer Mix aus Jazz, Prog und Sludge Metal. Nachdem ein paar Fotos geschossen wurden, machte ich mich auch sofort auf in die Menge, musste dann aber feststellen, dass der Sound ziemlich mies war. Man konnte fast keinen Song erkennen, weil die Bass Drum anfangs irgendwie viel zu laut war. Die Band selbst ist sehr auf ihre Songs fokussiert und so bleibt nicht viel Zeit für “Gerede” zwischen den Songs. “Blood and Thunder” wird dann aber dennoch Children Of Bodom Gitarrist Roope Latvala gewidmet. Das Mastodon hat Ruisrock platt gemacht – Hallelujah! (KG)

Billy Talent 9 Hirsche
Als einer der ausländischen Hauptacts betraten Billy Talent um 21:25 h die Niittylava-Bühne. Ohne viele Worte fingen sie mit den Reißern vom aktuellen Album an. Stimmlich und energetisch war Sänger Ben Kowalewicz einwandfrei, nach dem Konzert in Helsinki mit My Chemical Romance und einem Gig im Tavastia, zweifelten wir ein wenig, ob seine Stimme das aushält. Nach den ersten Songs stellte er die Band noch einmal vor, was aber unnötig gewesen wäre. Während des Auftritts hielt er am vorgegebenen Tempo fest und ließ mit Unterstützung des springenden und tanzenden Publikums den Boden beben. Einige Fans wagten sogar das Bad in der Menge. Auch die Frisur von Gitarrist Ian D´Sa verlor ein wenig an Halt. Sympathiepunkte sammelte Ben, indem er seine ersten Finnischkenntnisse beim Publikum anwendete – kiitos – und feststellte, dass es zwar überall auf der Welt hübsche Mädels gebe, aber die finnischen die größten Brüste hätten, so so. Liegt angeblich am Wasser. Jedenfalls waren nach dem Auftritt sämtliche Girlie-Shirts ausverkauft. (YZ)

Children Of Bodom 8 Hirsche
Den ganzen Tag über sah man schon überall junge Menschen mit C.O.B. Fanshirts, wie auch nicht anders zu erwarten. Wie schon beim Tuska Festival vor einer Woche war auf der Bühne eine Bar, an der ein “mystery barkeeper” in Henkerrobe Gerstensaft servierte. Nachdem sich die Band mit einem erfrischendem Schluck gestärkt hatte, konnte es auch schon losgehen und das dreifache “jau, jau, jau” erschallte über das Festivalgelände. Die Menge war natürlich total begeistert und alle waren glücklich. (KG)

Amorphis 9 Hirsche
Als letzte Band am Freitag betraten um 23:30 h Amorphis die Paviljonkilava-Bühne. Das Publikum strömte von allen Seiten herbei. Wie bei vielen anderen finnischen Bands, klingen Amorphis live viel härter als auf Platte, wobei Tomi Joutsens Haare wie die Schlangen auf dem Haupte der Medusa um seinen Kopf herumtanzten. Aber auch bei den langsamen Stücken überzeugt seine Stimme. Zum Abschluss spielten sie “House Of Sleep” und die Show war leider schon vorbei. (YZ)

Samstag, 7. Juli 2007

Am Samstag sah´s am Morgen wettermäßig schon etwas besser aus und wir hatten es sogar pünktlich aufs Festivalgelände geschafft, konnten allerdings nicht bis zum Schluss bleiben, und so verpassten wir The Hives und Hanoi Rocks, was im Falle von letztgenannter Band nicht so tragisch ist, denn die spielen ja jedes Jahr auf dem Ruisrock – und so viel Neues tut sich da ohnehin nicht mehr.

Sahara Hotnights 3 Hirsche
Der Samstag begann im Teltta-Zelt mit der schwedischen Band Sahara Hotnights. Nach einem dramatischen Intro kamen ein paar Mädchen und ein Typ in Straßenklamotten auf die Bühne und schnappten sich die Instrumente. Trotz der frühen Stunde versammelte sich ein relativ großes Publikum, um den Retro Rock aus Schweden zu hören. Neben den Straßenoutfits war auch von einer weiteren Show nicht viel zu erkennen, da sie einen Song nach dem anderen runterspielten, die dazu auch noch ziemlich ähnlich klangen. Zusammenfassend, ein wenig langweilig. (YZ)

D´espairsRay 6 Hirsche
Hier mal wieder eine dieser japanischen Rockbands, bei denen, ganz egal, was für Musik sie machen, alle Teenie-Girls total ausrasten. Beim Ruisrock war es auch nicht anders. Man fragt sich allerdings, ob es den Bands (und den Fans) nicht eher um Image und Styling geht, als wirklich um die Musik. Im Business-Sinne scheint die Rechnung aber aufzugehen. So weit ich herausfinden konnte, singt die Band wohl größtenteils auf japanisch, was das Mitsingen der Songs ein wenig erschweren könnte. Die Mädels in der erste Reihen kompensierten das aber mit durch Mark und Bein gehende Schreie; bei der anschließenden Signing Session der Japaner ging´s dann allerdings erstaunlich ruhig zu. Musikalisch erinnern die Songs stark an eine etwas rockigere Version von Marilyn Manson – ganz ok, aber nicht weltbewegend. (KG)

Marillion 3 Hirsche
Die nächste Band im Teltta waren die leicht in die Jahre gekommenen Herren von Marillion, deren Sänger ein wenig wie Alice Cooper aussieht. Wenn meine Finnischkenntnisse mich nicht verlassen haben, gibt es die Band seit nunmehr 23 Jahren. Marillion wirkten sehr relaxt und routiniert und wunderten sich zeitweise über das junge Publikum, das sie nicht immer vollkommen im Griff hatten. Gespielt wurde melodiöser Prog-Rock, wobei der Gitarrist ganz in seinem Spiel vertieft zu sein schien. Das Publikum nahm diese Atmosphäre auf und wirkte sehr entspannt, aber der Funken kam nicht so recht rüber. (YZ)

Sonata Arctica 9 Hirsche
Während die Jungs von D´espairsRay noch fleißig Autogramme schrieben, ging die Show von Sonata Arctica auf der benachbarten Bühne schon explosiv los. Mit Feuerwerk und Flammensäulen heizte die Band den Massen, die jetzt fast den ganzen Platz vor der Bühne bis hin zum Strand einnahmen, ein. Sänger Tony Kakko gab hier nen klasse Entertainer ab und posierte auch schon mal gern für die Photographen im Mediapit. Man sah, dass die Jungs echt Spaß auf der Bühne haben und Spaß hatten auch die Zuschauer mit dieser sympathischen Band. Zum Abschluß durfte natürlich das unvermeidliche “Wodka” Lied nicht fehlen – Mission accomplished! (KG)

The Ark 7 Hirsche
Als The Ark um 18:55 h die Niittylava betraten, war man schon auf die Show gespannt. Als das Intro begann, kam langsam die Band auf die Bühne, dann stürmte Sänger Ola Salo herbei. Die sexy Show erinnerte ein wenig an einen Auftritt von Frank N´ Furter aus der Rocky Horror Show und Justin Hawkins von The Darkness. Sänger Ola Salo räkelte sich auf der Bühne und stolzierte wie ein Pfau umher, so dass er nach zwei Songs schon verschwitzt auf der Bühne stand. Obwohl die Songs alle recht ähnlich klangen, überzeugten sie das begeisterte Publikum durch die Energie und die wechselnden Outfits. Erst war es nur eine andere Jacke, doch plötzlich stand er in  goldenen Leggins da. Man fragte sich nur: “what next?“ That´s Glam Rock! (YZ)

In Flames 9 Hirsche
In Flames war für uns die letzte Band des Festivals, und wir hätten sie auch fast verpasst, aber mit nem Endspurt auf der Zielgeraden bei einsetzendem Regen schafften wir es grad noch. Der Platz vor der Wiesenbühne war auch gerammelt voll, und als Sänger Anders Fridén die Menge mit einem “Jump the fuck up” zu eben jenem aufrief, fürchtete man, dass in China soeben ein Erdbeben ausgelöst wurde – oder zumindest in Turku Zentrum. Der Sound war ziemlich gut, aber live klingen In Flames irgendwie mehr nach Korn als auf Platte, was ja nicht schlecht sein muss. Rausschmeißer und für uns letzter Song des Festivals war “My sweet shadow” und damit ging “our sweet Ruisrock” auch schon zu Ende. Auf ein Neues 2008! (KG)

text & photos: Kathleen Gransalke, Yvonne Zawada
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Contributors

Kathleen Gransalke

Redakteurin für Reviews - Übersetzungen, Reportagen, Fotos - - - Favorisierte Musikrichtungen? - Punk, Rock, Death Metal, Mathcore - - - Favorisierte Bands? - Coheed & Cambria, Black Dahlia Murder, Dillinger Escape Plan, Mastodon

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