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Swallow The Sun: Die Strings in der Hand

Das Wort „fröhlich“ in einem Satz gemeinsam mit Swallow The Sun zu benutzen, scheint ein Widerspruch zu sein, jedoch haben die Jungs aus Jyväskylä allen Grund zu lächeln: Ein erfolgreiches Album („Hope“), eine gerade abgeschlossene Europa-Tour mit Moonsorrow, weiters viele Festival-Auftritte und eine Tour in Übersee vor der Tür. Als musste STALKER schnell sein, um STS Gitarristen und Mastermind Juha Raivio kurz vor der Show im Nosturi zu erwischen, um über Hoffnungen zu plaudern – und Ideen für Unterwäsche…

Eine Menge hat sich getan, seit wir uns das letzte Mal getroffen haben, z. B. eine neue Plattenfirma (Spinefarm), was sonst noch?
Naja, ein neues Album (lacht)…

Yeah, sogar zwei, denn das letzte Mal haben wir uns vor der Veröffentlichung des „Ghosts Of Loss“ Albums getroffen…
Echt? Keine Ahnung… neues Album, neues Label… eine Menge Gigs und Promotion, gute Reviews (lacht) – also hat sich nicht viel geändert (lacht noch mehr)

Ihr habt nun definitiv viel mehr zu tun… Aber irgendwie lustig, der Titel der CD, „Hope“, Hoffnung, bezieht sich ja eher auf etwas, das fehlt, wenn ich da an eure Texte und euer Image denke. Nun haben sich aber doch anscheinend viele eurer Hoffnungen mit diesem Album erfüllt…
Yeah, ein guter Punkt… naja, auf diesem Album gibt es nicht so viel Hoffnung (lacht), denn der Name dafür ist wieder unser schwarzer Humor. Wie du weißt, hat das Ganze als Projekt begonnen, ohne große Erwartungen, wir haben gar nichts gehofft. Also alles was mit der Band geschah, war ein Extra, ein Plus, also ist es besser, keine Hoffnungen zu erwecken, dann ist die Enttäuschung nicht so groß…

Bist du abergläubisch deswegen?
Nein, das ist die finnische Mentalität, besser nichts zu erhoffen, um dann nicht enttäuscht zu werden.

Yeah, aber ich erinnere mich, früher habt ihr mal gehofft, auf Europa-Tour zu gehen, und das hat sich erfüllt – also wie wars?
Es war toll! Großartig! Wir tourten mit Moonsorrow und Debauchery aus Deutschland. Es war gut organisiert, die Venues waren groß, viele waren überfüllt, einige nicht so, aber wir mussten nie in leeren Hallen spielen. Es war echt toll, toller Bus, toller Fahrer, großartige Crew.

Wie war die Chemie zwischen den Bands, gab es da viel an Party?
Nein, nein. Es war wild, aber viel einfacher, als ich dachte. Es war unsere erste längere Tour, wir hatten vor einem Jahr eine Europa-Mini-Tour, und die war viel schwieriger als diese, vielleicht haben unsere Jungs ja davon was gelernt (lacht). Es gab 19 Gigs und einen Tag frei, also musstest du dich wirklich voll aufs Spielen konzentrieren.

Wie war das Publikum, in Deutschland und Österreich?
Toll, es war Moonsorrows Headliner-Tour, also bestand auch das Publikum zu 80 % aus diesen heidnischen Wikingern, und da waren wir als Band nicht so ideal mit unserem Death-Doom. Aber viele Leute wurden überzeugt, und viele mochten uns. Und bei einigen Gigs war es auch „unser“ Publikum…

Also gab es Leute, die eure CDs kannten…
Yeah, es gab immer wieder Leute mit Swallow The Sun T-Shirts, Leute, die die Texte kannten und so, und ich glaube, es war gut, dass wir endlich Gelegenheit hatten zu spielen. Wir haben unser drittes Album draußen, und das war unsere erste echte Tour; ich denke, zu diesem Zeitpunkt hätte es mindestens schon 10 davon haben sollen. Aber, wie du weißt, waren wir bei so einem kleinen Label, und das war das Grundproblem. Es gab kein Geld für eine Tour, aber jetzt haben wir Geld.

Ja, und ich hab grad erfahren, dass ihr bald auf ne US Tour geht. Freust du dich schon?
Ich sag nichts. Lass uns ja nicht irgendwelche Hoffnungen erwecken, wer weiß, was noch alles passiert… aber es ist echt ein toller Start, mit Katatonia, Scar Symmetry und Insomnium, also ein tolles Line-Up. Echt eine tolle Sache.

Zurück zur Europa-Tour und das Publikum, habt ihr irgendwelche Unterschiede in Mentalität oder sowas festgestellt?
Ich weiß nicht… es war im Prinzip das Moonsorrow-Publikum, und viele beobachteten uns mal, ich weiß nicht, ob sie sich ebenso Folklore-Wikinger-Sachen von uns erwarteten. Aber es gab fühlbare Unterschiede in verschiedenen Ländern… in Italien war es echt schlimm (lacht), da haben sie sich gar nicht für uns interessiert. Aber klar, in Italien gibt es ja waschechte Wikinger, genauso wie in Finnland (lacht). Und in Holland spielten wir drei Gigs, da war es echt toll, ebenso Deutschland… Naja, meistens wurden wir zwei, drei Songs lang beobachtet, und dann ging das Headbangen los.

Naja, in Deutschland gibt es ja mehr von diesem typischen Goth-Publikum, das meist aus sehr jungen Mädchen besteht… ich nehme mal an, bei Moonsorrow war das nicht wirklich der Fall?
Ich glaube, wir hatten mehr Mädels bei unseren Shows (Gelächter), und dann gab es mehr hässliche Jungs bei Moonsorrow… und das war gut (noch mehr Gelächter)

Das heißt, ihr habt viel von eurem Merchandise verkauft (lacht)?
Ja, diese String-Tangas, 10.000 davon und kein einziges T-Shirt… NEIIN! Gut, wir haben echt ein paar verkauft…

juha STS

Ich hab das nie wirklich kapiert, was diese Art von Merchandise soll, denn mit einem T-Shirt machst du ja für deine Lieblingsband Werbung, aber mit Unterwäsche….?
Das ist eben private Werbung (lacht)

Sehr, sehr private Werbung (Gelächter)
Ich glaube, wenn du mal die Chance hast, die Jeans auszuziehen… (Gelächter), ich rede jetzt als Mann (Gelächter), und dann siehst du plötzlich dieses… (Gewieher) dieses LOGO, und das, was dahinter ist (Gelächter)… ich glaube, das ist die beste aller Werbungen… bei den Boxer-Shorts bin ich mir allerdings nicht so sicher (noch mehr Gelächter)

Ja, die muss ich mir mal ansehen…
Anfänglich, als wir sie entwarfen, meine ich, „wir sollten echt groß SWALLOW in der Mitte vorne auf den Boxer Shorts haben, und dann ganz klein THE SUN“, und für die Strings wollte ich „Finnischer Mösen-Doom“ (Gelächter). Aber die Jungs meinten, „nein, nein das geht nicht, wir können da keine Witze machen“, aber ich meinte „Was zum Teufel, das ganze ist ja schon ein Witz, wieso können wir nicht Finnischer Mösen-Doom und SWALLOW draufschreiben…“ Ich glaube, dass die Leute, die sich diese Musik anhören, ohnehin viel mehr Humor haben als etwa Pop-Fans. Und ich glaube, die Mädels hätten wirklich gerne Swallow The Sun Mösen Doom Stringtangas… zumindest ich würde gerne mal sowas sehen (lacht). Ich machte auch den Vorschlag, von jedem Bandmitglied das Gesicht draufzudrucken, und dann sehen wir ja, wer sich am besten verkauft (unbeschreibliches Gelächter)

Geniale Idee. Wir sollten eine STALKER Leserumfrage machen, um rauszufinden, wer von euch der beliebteste ist… Aber vielleicht zurück zur Musik. Mikko und Aleksi haben schon Songs und Texte beigetragen, also sind nun auch die anderen Bandmitglieder mehr am Songwriting beteiligt?
Naja, es gab einen Song von Aleksi, auch am letzten Album, und es geht nicht so sehr ums Songwriting, eher um Texte. Drei stammen von Mikko, vier von mir und einer von Aleksi. Aber dieses Mal machte ich die Demos für das Album bei Jämsen (STS Gitarrist Markus Jämsen, Anm. d. Red.) zu Hause am Computer, also waren die Songs schon fertig, und ich brachte sie zu den Proben. Für das erste und zweite Album kam ich mit Songideen in den Proberaum und wir fingen ganz von vorne an, dieses Mal hörten die Jungs die Songs schon vor dem Proben, so war es viel einfacher. Also war es weniger zusammen Songs schreiben, eher Texte.

Hast du vor, auf diese Art weiterzumachen, oder hattet ihr auf der Tour Zeit zum Jammen?
Wir können nicht jammen, unmöglich in dieser Band (lacht). Wir sind dazu viel zu faul, keine Ahnung, ob das überhaupt geht. Jeder spielt zugleich, also… ich glaube, wir werden wohl auf diese Art weitermachen. Es gibt bereits Pläne für das nächste Album, das ein wenig anders werden wird, aber ich kann noch nicht mehr verraten…

Also, meiner Meinung nach ist „Ghosts of Loss“ mit Abstand euer düsterstes Album, stimmst du da zu?
Ja, es ist sicherlich das schwärzeste Album, darum mag ich es am liebsten. Viele meinen, es ist zu düster und langsam, aber gerade darum mag ich es am meisten. Weißt du, da gab es auch viel an Persönlichem…

Ja, ich habe die Notiz über deine Mutter gelesen…
Ja, ja, und dazu gibt es auch Texte… Ich denke, es ist das emotionalste Album, und wirklich düster, darum mag ich es. Das neue Album ist verdaulicher fürs Publikum, oder so (lacht)… allerdings gibt es hier auch einen unserer düstersten Songs, aber im Prinzip, naja, das erste Album war einfacher für die Hörer, und das neue vielleicht noch mehr… ach was, ich sag es jetzt einfach – Mainstream (Gelächter)

Naja, ich glaube nicht, dass „Mainstream“ die richtige Definition ist…
Wir sind Mainstream bei Death-Doom!

Oh neiiiin….
(lacht) Scherz! Aber es gibt hier ein Körnchen Wahrheit, ich wollte am neuen Album – weil es einfach geiler zu spielen ist – ein paar schnellere Songs. Es ist gut, zähe Songs im Set zu haben, weil die Leute es mögen, und es macht auch beim Spielen Spaß. Ich glaube, wenn du immer nur wirklich langsame Songs spielst, und obwohl du echt drauf stehst, dich diesen dunklen Gefühlen echt hingibst, wird es doch schnell langweilig…

Aber angenehm für den Schlagzeuger… er muss nicht so viel machen… (Gelächter)
Yeah! Eigentlich schlimm für den Schlagzeuger, all die Tempi und den Rhythmus zu halten, echt schwer… gottseidank bin ich nicht der Schlagzeuger.

Jetzt hab ich auch den Eindruck, dass sich Mikko beim Singen mit klarer Stimme wohler fühlt. Früher war er ja so schüchtern … wird er das weiter ausbauen?
Er wird mit klarem Gesang auch immer besser, aber ich kann nicht wirklich was über die Zukunft sagen, ob es nur Growls geben wird… Ich glaube nicht, dass wir jemals nur klaren Gesang benutzen werden, eventuell etwas mehr, aber wir werden hauptsächlich bei Growls bleiben … das ist eines der positiven Dinge bei uns (lacht)

Zum Video „Don´t Fall Asleep“, gefilmt im Hotel Linna (mitten in Helsinki, es sieht aus wie eine mittelalterliche Burg, Anm. d. Red.), wie wars, wer hatte die Idee dazu?
Das neue Album hat dieses Hotel-Thema, und das war die Grundidee, und der Film „Shining“. Die verantwortliche Firma kam mit der Idee an, und wir kamen nur hin und spielten unsere Parts. Es ist ein wirklich seltsames Video. Aber das gute daran, niemand hätte von uns sowas erwartet.

Ja, es lief im finnischen TV, oh, und ich sah dich auch beim finnischen MTV, mit Timo Kotipelto bei „Headbanger´s Ball“!
(lacht) Oh ja, das war lustig, als ob ein Traum wahr würde, ich hab als Kind oft „Headbanger´s Ball“ mit dieser Vanessa angesehen und mir nie träumen lassen, dass ich selber mal dort auftrete, obwohl nur die finnische Version, aber dennoch – es war lustig, und noch immer dieses alte Logo.

Wie war es so vor der Kamera? Du schienst dich ja nicht wirklich wohl zu fühlen…
Nein, gar nicht, wir waren auch vorher bei dieser anderen finnischen Show, „Rautaryhmä“, ich und Mikko, und live auf Sendung… und wir hatten ein Furzkissen dabei, und ein kleines Keyboard mit Tierlauten, und wir setzten dem Interviewer eine Mortiis-Nase auf… also bin ich nicht so kamerascheu, aber vielleicht wirkte ich so (lacht)

Tja, in diesem Sommer habt ihr ja viel zu tun, ich glaube, es gibt kaum ein Festival, wo ihr nicht spielt…
Ich rechnete mit einem Sommer mit wenigstens einem oder zwei freien Wochenenden, also hinsichtlich Festivals… aber hey, ich beschwere mich nicht! Das einzige, was nervt, dass ich im Sommer auch tagsüber jobbe…

Gut, dann will ich dir nicht noch mehr von deiner kostbaren Freizeit stehlen… letzte Frage, kannst du was über euren besten oder schlechtesten Gig erzählen, oder etwas Absurdes, das euch passiert ist, vielleicht auf dieser Tour?
Weißt du, da gibt es so viele echt üble Tourstories (lacht), aber der beste Gig… die Shows beim Tuska waren immer geil, auch Provinssi Rock… ich hab die großen Bühnen lieber, denn da hab ich mehr Platz, nicht um mich zu bewegen, aber es gibt ja so viele Leute auf der Bühne (lacht). Lass mich nachdenken… es war nicht bei dieser Tour, weil wir einen echt guten Bus hatten, also gab es nicht so viel Pinkeln und Kotzen im Bus, aber sagen wir es mal so, bei unserer letzten Tour in Finnland kam dieses Benehmen oft vor…

Ich bin mir nicht so sicher, ob ich die Details wirklich wissen will…
Bei der Europa-Tour fing der Spaß so richtig an, als ich diese „String Bombs“ entdeckte, die mit zwei Schnüren zum ziehen, und ein Knallfrosch in der Mitte… sobald ich die in einem Geschäft entdeckte, brach die Hölle los. Die Dinger waren überall, ich hatte ungefähr 300 davon, sie waren in den Gitarren, bei den Privatsachen, überall, und überall knallte es. Wir ließen die letzte für den Busfahrer übrig, am Kühlschrank… liebe Grüße an unseren deutschen Fahrer. Ich glaube, er hat sich über die Bombe in seinem Bus wirklich gefreut (lacht) – Überraschung!

Vielleicht solltest du dir in den USA Witze mit Bomben lieber verkneifen…
Yeah, yeah, keine Bomben-Scherze in den Staaten, das kann ich garantieren. Ich will ja nicht die nächsten 30 Jahre in einem Knast verbringen!

Danke fürs Interview!

Klaudia Weber

Rücksichts- und gnadenlose Diktatorin, kniet vor mir! Anders gesagt: Chefredakteurin, Übersetzerin, Webseiten- und Anzeigenverwaltung, also "Mädchen für alles" - - - Schwerstens abhängig von Büchern (so ziemlich alles zwischen Herr der Ringe und Quantenphysik) und Musik, besonders von Metal finnischer Prägung. Weiters Malen, Zeichnen, Film, Theater... also könnt ihr mit einer vielseitigen Website rechnen. Mag.phil., zwei in 5 Jahren parallel abgeschlossene Vollstudien (English & American studies, Medienkommunikation) und stolz darauf, denn als Mädel aus einer Arbeiterfamilie in einem erzkonservativ-katholischen Land ging das nur dank Stipendium und etwas später im Leben als andere....