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Apocalyptica: Wortwörtlich zum Anfassen

Krapin Paja, Finnland, 16.07.2022

Es ist Mittsommerabend, der 21. Juni, und ich versuche, rechtzeitig zu einem traditionellen Lagerfeuer in Tuusula zu kommen. Ich komme dort an, aber das Lagerfeuer wird wegen der Waldbrandwarnung abgesagt. Retour muss ich durch Krapin Paja in Tuusula fahren, einem typisch ländlichen Ort mit einem Restaurant im Freien, einem Hotel und einem Sommertheater. Genau der richtige Ort, um bei Juhannus entspannt einen Cider zu trinken. Nicht gerade ein Ort, an dem man ein Metal-Konzert vermuten würde.

Mein Blick fällt auf die Liste der geplanten Konzerte, die auf einem flippigen rosa Blatt gedruckt ist, und ich halte kurz inne. Denn die Liste ist erstaunlich umfangreich und würde jedem mittelgroßen Rockfestival gut zu Gesicht stehen. Da sind unter anderem Apocalyptica, 69 Eyes und Michael Monroe aufgeführt – mehr als ein Grund, zu einen dieser Konzerte später nach Krapin Paja zurückzukehren.

Man ist es gewohnt, Apocalyptica auf großen Bühnen zu sehen, meist spät in der Nacht und ganz in Schwarz. Das letzte Mal sah ich sie bei einem Auftritt von Sabaton in einer Arena mitten in Helsinki. Mit Panzern, Schützengräben und einer riesigen Bühne. Dieses Konzert könnte davon im Vergleich nicht ferner sein.

Alles was es gab war diese mittsommerliche, blumengeschmückte, kleine Bühne und viele Sitzplätze in einiger Entfernung. Apocalyptica spielten in dieser ungewöhnlich friedlichen und sonnenbestrahlten Umgebung, und eigentlich war es sogar nicht ihr erster Gig an diesem Ort. Die Setlist war gut ausbalanciert: einiges vom letzten Material, einige der klassischen Metallica-Songs. Tolles sonniges Wetter. Wir bekamen die typischen Showelemente zu sehen, wie zum Beispiel Perttu am Rücken liegend und sein Cello mit seinen Zähnen traktierend. Aber das Besondere war die Nähe zur Band. Das kann man in kleinen Clubs erleben, wenn ein paar Anfängerbands für einen winzigen Eintrittspreis spielen und sich die Band auf der Bühne und das Publikum oft wortwörtlich engen Kontakt haben. Irgendwann war das Publikum auch hier so aufgewärmt, dass Leute die Sitze verließen und in engen Kontakt mit der Bühne kamen und den Musikern quasi die Hand reichten. Das Publikum bestand nicht aus Hardcore-Metal-Fans, auch wenn es einen griechischen Fan gab, der stellvertretend für den Rest des Publikums jubelte. Ich konnte es kaum glauben, aber ich sah dann später selbst einige Großmütter Merch kaufen.

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Das ist eigentlich eine typisch finnische Einstellung: selbst berühmte Musiker haben nichts dagegen, sich nicht zu distanziert zu geben. Hut ab vor Tuusulas lokalen Organisatoren, dass einige der bekanntesten Rockstars des Landes in einer solchen Nähe für die Einheimischen spielen, auch wenn die größten Veranstaltungsorte der finnischen Hauptstadt nur dreißig Minuten Fahrtzeit entfernt sind.

Ich frage mich, ob es eventuell damit zu tun hat, dass der Apo-Schlagzeuger Mike Siren dort arbeitet.

text & photos: Askar Ibragimov

Askar Ibragimov

Fotos, Konzert- und Festivalberichte - - - http://www.askaribragimov.com/