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Jello Biafra and the Guantanamo School of Medicine

01. September 2010, Cafe Atlantik, Freiburg, Deutschland

Da freut man sich, dass in Deutschland die Konzerte alle etwas früher anfangen, als in Finnland, aber „blowcake“ wie Mr. Westerwave sagen würde – Pustekuchen. Nicht zu vergessen es ist Mittwoch und es gibt Leute, die haben Jobs und sogar Deadlines einzuhalten. Es blieb einem dennoch nichts anderes übrig, als zu warten. Und was ist noch schlimmer als Warten? Genau das in stickiger Luft und halbdunkel zu tun, untermalt von doch sehr fragwürdiger Musik. Später stelle ich fest, dass selbst ein Meter neben der geöffneten Eingangstür die Luft im Cafe Atlantik steht. Man musste sich also entscheiden, entweder atmen oder etwas sehen, denn von hinten gab´s absolut keinen Blick auf die Bühne, zumindest nicht für etwas kleiner geratene Mitbürger und Mitbürgerinnen.

Elendige 1,5 Stunden zieht sich die Wartezeit, vom Einlass gegen 20 Uhr bis zur ersten offiziellen Note der eidgenössisch diplomierten Lärm-Macher Vorband, Flimmer aus Basel (21:30). Ein Schlagzeug und überraschenderweise 2 Bässe und dazu ein bisschen, na ja, als Gesang kann man das schon nicht mehr bezeichnen. Den Rest könnt ihr euch selbst ausmalen…

Dann heißt es Legendenalarm, ex-Dead Kennedys Frontmann Jello Biafra begibt sich schon mal gemütlich die Treppe vom Backstage runter, während sich die restlichen Musiker, mit dabei unter anderem Andrew Weiss (ex-Rollins Band, Ween, Butthole Surfers) und sein Bruder Jon, ihr Arbeitsgerät sorgfältig zurecht legen. Der ganze Raum (gefüllt von vorn bis hinten) ist in froher Erwartung.

Endlich ist es soweit, Jello Biafra, eine der Lichtgestalten des politisch motivierten Punk betritt die Bühne, standesgemäß erst mal in einem „blutigen“ Kittel. Und wie der doch recht „eingängige“ Bandname Jello Biafra and the Guantanamo School of Medicine bereits vermuten lässt, geht´s bei der Band textlich sicherlich nicht um die erste Liebe und wie viele Autos man so zu Hause rumstehen hat. Hier geht´s ans politisch Eingemachte und sogar ein paar neue Vokabeln darf man lernen, zum Beispiel „gentrification“ [Gentrifizierung]. Brav erklärt Jello, was damit gemeint ist (das Vertreiben ärmerer Bevölkerungsschichten aus Wohnvierteln, erzwungen durch Mieterhöhungen), dann geht´s auch noch um die, in den USA weit verbreiteten profitorientierten Gefängnisbetriebe. Alles Themen, die wichtig sind und auf die man aufmerksam machen sollte, aber ich habe eher das Gefühl, dass die Leute nicht so rechtes Interesse haben. Nicht, dass wir in Deutschland keine sozialen Probleme hätten, aber die meisten sind wohl heute Abend eher gekommen, um die DK Legende einfach nur live zu sehen, von Angesicht zu Angesicht.

Unter dem „blutigen“ Kittel kommt dann schnell ein US-Anzug zum Vorschein und darunter versteckt sich dann letztlich ein einfaches T-Shirt mit der Aufschrift „Iraq veterans against the war“, in welchem der Rest des Gigs bestritten wird. Die Musik selbst erinnert sehr an alte DK Zeiten, nur die Bühnenshow fällt etwas bedachter aus als früher. Dennoch begibt sich der Meister gern mal selbst unters Volk und der eine oder andere Crowdsurfer versucht sein Glück, gemäßigtes Pogen kann auch hier und da beobachtet werden. Die Menge ist auf jeden Fall restlos begeistert, vor allem als Jello die alten Klassiker „California über alles“ (hier wird der originale Governor Jerry Brown durch den aktuellen, Arnie „I´ll be back“ Schwarzenegger ersetzt – sonst gilt der Song nach wie vor ohne Einbehalte) und später am Abend „Holiday in Cambodia“ auspackt.

Noch bevor die zwei Zugaben (oder noch mehr?) beendet sind, muss ich gegen Mitternacht schweren Herzens den Heimweg einschlagen. Gelohnt hat sich das lange Warten allemal.

Kathleen Gransalke

Redakteurin für Reviews - Übersetzungen, Reportagen, Fotos - - - Favorisierte Musikrichtungen? - Punk, Rock, Death Metal, Mathcore - - - Favorisierte Bands? - Coheed & Cambria, Black Dahlia Murder, Dillinger Escape Plan, Mastodon