ArchivInterviews

THE OCEAN: Musikalischer Fluchtweg

Diese Band, oder besser gesagt, ein Musiker-Kollektiv, hatte STALKER ja bereits 2007 mit der CD „Precambrian“ schwer beeindruckt. Nach der Tour mit Opeth und anlässlich der Wiederveröffentlichung des THE OCEAN Klassikers „Fluxion“ war es wohl an der Zeit, Mastermind, Gitarrist/Songwriter Robin Staps erneut zum Interview zu bitten…

Hi Jungs! Wie geht’s Euch, hoffe doch gut.
Alles dufte hier, danke der Nachfrage. Frühling ist die beste Zeit des Jahres in Berlin 🙂

Wie kam es zum „Fluxion“ Re-Release ? 
Die Original-Version von Fluxion ist seit über 3 Jahren vergriffen, und Leute haben immer wieder danach gefragt, über unseren webshop, auf Konzerten… da „Fluxion“ ein wichtiges Album in unserer musikalischen Entwicklung war, wollten wir die Platte wieder verfügbar machen. Und dabei gleich all das beseitigen, was uns am Original immer gestört hat. Das waren überwiegend Sound-Fragen, aber auch die Monotonie des Gesangs. Deshalb haben wir den Gesang neu aufgenommen und das ganze remixed und remastered. Und nicht zuletzt das Artwork. Wir wollten das stark an das Aeolian Artwork anlehnen, denn die beiden Alben wurden in derselben Aufnahmesession aufgenommen und sollten ursprünglich auch mal gemeinsam released werden.

Was reizt euch daran, harte Musik zu machen? 
Die Energie, die dabei live rüberkommt. Der Arschtritt-Faktor. Wir haben ja ein recht breites musikalisches Spektrum, aber es ist schon so, dass die härteren songs live oft einfach mehr Spass machen.

Wie beginnt ihr mit einem neuen Lied?
In der Regel kommt mir eine erste Idee, das kann ein Riff sein oder ein drum beat oder eine Abfolge von Chords, und dann werkel ich das Schritt für Schritt aus. Drums und Gitarren entstehen meist parallel, alles andere kommt später dazu. Beim neuen Album werden aber auch die anderen Jungs mehr input haben, manchmal schickt mir Jona ein paar Gitarrentracks und ich baue dann Schlagzeug dazu. Sonst schicke ich den Jungs meine Vorproduktionen und sie setzten das dann auf ihre Weise um.

Worauf legt ihr den größeren Wert beim Schreiben von Songs – Komplexität oder Atmosphäre?
Komplexität ist niemals Zweck, sondern immer nur Mittel. Wir wollen keine verworrene Musik machen, aber manchmal passiert das eben. Es geht um die Wirkung, die die Musik bei uns selbst und auch beim Rezipienten hat. Wir wollen ein mehr oder weniger bestimmtes Gefühl erzeugen. Wenn ich mich also entscheide müsste, würde ich sagen Atmosphäre.

Es kommt mir so vor, als ob ich hinweg drifte beim Hören eurer Musik. Haltet ihr die Musik für eine Möglichkeit, der kalten Realität zu entfliehen? Wenn ja – wohin?
Das muss jeder individuell mit sich selbst klarmachen. Ich kann nicht in die Psyche eines jeden Einzelnen unserer Hörer blicken. Für mich ist Musik mitunter schon Flucht, gerade abends im Dunkeln mit Kopfhörern.  Man taucht ein in eine andere Welt und taucht in einem veränderten Gefühlszustand wieder auf. Das ist grossartig.

Eure Musik funktioniert am besten in Verbindung mit den Lyrics und dem Artwork im Booklet. Ist das eine neue Art des Kopierschutzes gegen illegales Downloaden über Peer-to-Peer-Netzwerke, wo man eigentlich nur die MP3-Tracks ohne das Booklet herunterlädt?
Vielleicht, ja. Eine Art freiwilliger Kopierschutz. Wir machen halt ein Angebot mit unserem extensiven Packaging und der Tatsache, dass wir grossen Wert auf die visuelle Komponente unserer Kunst legen. Viele Leute machen das gerne mit, und wir hören auch immer wieder dass Leute sagen: „eigentlich downloade ich fast alle meine Musik heutzutage, aber „Precambrian“ habe ich mir gekauft, das musste einfach sein…“ Ich habe nichts gegen downloads und nutze das oft selber, aber wenn mir eine Band wirklich gefällt und die sich obendrein noch grosse Mühe geben, etwas Besonderes zu schaffen, dann respektiere ich das und unterstütze das.

Mögt Ihr Webzines? Denkt Ihr, sie werden zukünftig wichtiger sein als Print-Magazine?
Alles deutet darauf hin. Wobei Print-Magazine ebensowenig ganz verschwinden werden wie die CD als Trägermedium ganz verschwinden wird. Manche Leute lesen eben lieber auf dem Klo oder im Zug, und da hat man nicht immer einen Rechner mit Internet-Zugang. Ich persönlich lese kaum interviews online, das ist mir zu anstrengend, weil ich eh den ganzen Tag vor dem Rechner sitze. Ich denke auch im Bereich der Onliner wird sich über kurz oder lang die Spreu vom Weizen trennen.

Standet Ihr schon einmal kurz davor, als Musiker hinzuschmeißen und auszusteigen?
Ich selbst noch nicht. Aber vielen meiner Weggefährten über die letzten Jahre ist das passiert, und viele haben dann ja auch das Handtuch geschmissen… weil sie Karriere machen wollten, weil sie Kinder bekommen haben oder mehr Zeit mit ihrer Freundin verbringen wollten. Das kann man nur respektieren, und weitermachen, mit anderen Leuten. Ich denke, mir wird das auch irgendwann passieren, dass ich da keinen Bock mehr drauf habe, auf dieses ewige Getoure. Aber noch bin ich nicht an dem Punkt, es ist grossartig, ich liebe diese Art zu leben. Fragt sich, wie lange noch. Aber wenn ich da mal keine Bock mehr drauf haben sollte gibt es hoffentlich jemanden, der dann meinen Platz im Ocean einnehmen kann…

Wie verbringt ihr letzten Minuten, bevor ihr auf die Bühne geht? Seid ihr nervös?
Nicht mehr. Selbst auf der Opeth Tour, wo wir jeden Abend vor 1000-1500 Leuten gespielt haben war das selten der Fall. Nervös werde ich nur, wenn kurz vor dem Gig die Technik verkackt und unsere Lichtanlage anfängt, rumzuspinnen… aber nach der letzten Tour sind auch hier alle Bugs beseitigt, so dass das hoffentlich nicht mehr vorkommen wird. Meistens sitzen wir Backstage rum und labern bis kurz vor dem Gig, dann gibt es ein paar Shots Whiskey & Hugs, und dann geht’s los.

Wo sieht Ihr euch in fünf Jahren?
Weit draussen, auf dem grossen, weiten Meer… ob im Sturm, oder auf glatter See… das kann ich nicht sagen. Soweit reicht die Wettervorhersage nicht in die Zukunft.

Vielen Dank fürs Beantworten meiner Fragen.
www.theoceancollective.com

Markus Seibel

- nicht mehr aktiv - Reviews, Interviews