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Katatonia in Moskau

28.3.2009  Rockclub Moskau, RUS

Nachdem Katatonia schon einmal eine Show in Moskau gecancelt hatten wurde diese umso sehnsüchtiger erwartet. Und auch weil dieser schwedische Klassiker der Düsternis, der wundervollen Depression und der süchtig machenden Melancholie seine Fans nicht unbedingt häufig mit Live-Auftritten beglückt.

Das Venue ist das 1Rock , ein ziemlich grosser Club, der es mit Nosturi in Helsinki, Finnland, oder der Kölner Live Music Hall, Deutschland, aufnehmen kann, was Kapazität, Soundqualität und Lichtshow betrifft. Die Konzerte in Mokau fangen früh an, da die Clubs bereits um 23.00 h schliessen, und jene, die länger offen haben, verlangen fürs Nachtclub-Programm eine eigene Eintrittsgebühr.

Der Abend begann mit zwei lokalen Warm-up Bands, Forest Stream (www.forest-stream.com) und Morigan (www.myspace.com/moriganmetal) . Weil ich zur selben Zeit ein Interview mit Katatonia’s Jonas hatte, verpasste ich das meiste… Aber ich kann sagen: Forest Stream hat bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad und gerade beim britischen Label Candlelight Records unterschrieben, was für eine relativ unbekannte russische Doom-Metal Band ein reife Leistung ist. Allgemein gesagt, ist die russische Alternativ-Heavy Szene noch immer im Entwicklungsstadium, aber in spätestens ein paar Jahren können wir mit Acts rechnen, die auch im Westen Europas einigen Eindruck schinden werden. Bands wie Morrigan könnten da die Spitzenreiter sein, die vergleichbar mit den Finnen Insomnium sehr melodischen, aber doch rauen, leicht doomigen Metal spielen. Mit ihrer Gesamt-Präsentation und dem derben Growls hat mich dieser Act davon überzeugt, dass es in der russischen Metal-Szene noch viel Tolles zu entdecken gibt…


Als der Auftritt der Headliner näher rückte, wurde das Gedrängel im Publikum noch dichter, und die Menge fing mit rhythmischem Klatschen und “Ka-ta-to-ni-a!” Rufen an, was schliesslich förmlich explodierte, als nur die Lichter ausgingen ein Techniker die Bühne betrat – dann folgte das Piano-Intro und schliesslich die Band, mit nur ein paar Minuten Verspätung. Katatonia kam auch geschlossen auf die Bühne, anders als andere Bands, wo der Sänger separat als letzter auftritt. Und Jonas kam auf die Bühne, ohne Horns-Zeichen oder sowas, sondern applaudierte dem Publikum, und… lächelte. Welcher andere Metaller macht sowas? Ausserdem flirtet Jonas nicht mit dem Publikum oder den Kameralinsen, was er am Mikro liefert, ist einfach nur singen und sich selbst ausdrücken. Und das auf sehr sensible Art, mit geschlossenen Augen und gestikulierend, als ob er die Message der Songs jemandem vor ihm vermitteln wollte, zwischendurch siehst du ihn auch Headbangen. Nach jedem Song applaudiert er dem Publikum und sagt “spasibo” [“danke” auf russisch] und stellt den folgenden Song kurz vor. Und welche ûberraschung, “Nun kommt ‘Evidence’, mögt ihr diesen Song?” – wie nett und anrührend! Und unerwartet! Sowas würde ein Alexi Laiho oder Tomi Joutsen wohl nie tun – und kein einziges Mal kam das F-Wort, kein einziges Mal!!!

Die Setlist bestand hauptsächlich aus Katatonias aktuellem Album “Great Cold Distance”, dazwischen andere Songs und als Besonderheit “Without God” – eine rare Gelegenheit, Jonas Growls aus dem Anfang der Bandkarriere zu hören, nun werden die harten Töne ja eher Anders überlassen. Obwohl dieses Album nicht wirklich bekannt ist, konnten viele im Publikum mitsingen. Beeindruckend…

Allgemein gesehen, ist der Sound heavier als auf den CDs und auch schneller, mit einigen Improvisationen und Pausen, wenn der Song plötzlich aufhört und dann weitergeht. Bei einem Song stellt sich Jonas mit rem Rücken zum Publikum und trommelt ein wenig mit. Herzerwärmend, eine Band zu sehen, die sich so ehrlich drüber freut, live auftreten zu können, ungeachtet einiger technischer Probleme und nicht funktionierender Mikrophone. Es gab keinen Fotograben (bei einem Gig dieses Ausmasses??), also nichts zwischen der Band und dem Publikum, also hatte letzteres die Chance, interaktiv zu agieren. Es gab einige Stagediver, und knapp vor der Bühne ein Moshpit – wohl nur in Russland ist ein Pogo-Punk-Moshpit zu melancholischem Doom-Sound möglich… Also falls Katatonia eine Live-DVD planen sollten, wäre filmen in Russland eine gute Idee…

Owohl die Band zweimal für Zugaben wiederkam, fühlte es sich an, als ob das Konzert gerade erst angefangen hätte. .. als es endgültig vorbei war, kamen die Musiker nach vorne, um mit Zuschauern Hände zu schütteln, Gitarristen warfen Picks, der Schlagzeuger einige Sticks, und einige Fans erklommen einfach die Bühne und holten sich selbst einige Sticks oder die Setlist, was gab es zu verlieren? So ging der Abend zu Ende, leider…

Also bleibt festzustellen, dass Katatonia keine Festivalband ist, wenn ich an den seltsamen Auftritt beim Tuska Open Air vor 2 Jahren denke. Jedoch innerhalb von Klubwänden, mit richtigem Licht und etwas Nebel (welcher zum Grossteil vom Publikum beigetragen wurde, da Rauchen in den Moskauer Klubs noch immer gestattet ist) ist die Atmosphäre genau richtig, nahezu perfekt… Und was auch interessant ist, nachdem ich Katatonia nun live sah und mitbekam, wie die Band ihre Songstrukturen verwebt und der Sänger die Texte vermittelt, hat es die CDs sogar noch eindrucksvoller gemacht. Also kann ich nur empfehlen, auch das (kommende) STALKER Interview zu lesen und die Musik anzuhören, immer und immer wieder, ich wette, ihr werdet immer wieder etwas Neues darin entdecken…

Einige Songs in der Setlist waren Teargas, Deadhouse, Soil’s song, Cold ways, Leaders, Ghost of the sun, My twin, Criminals, Sleeper, Evidence, July, Without god.

Stalker.cd bedankt sich bei Ronnie, Headlight Promotions www.headlightpromotions.se für die Unterstützung.

Marina Sidyakina

GastmitarbeiterInnen / guest contributions

Reguläre GastmitarbeiterInnen u.a. Melanie Kircher, Tatjana Tattis Murschel, Grit Kabiersch, Marina Minkler, Maria Levin, Jasmine Frey, Nina Ratavaara, Elvira Visser, John Wisniewski