ArchivFestivals / EventsLive

Myötätuulirock Festival 2008

Wenn man Vantaa hört, denkt man zuerst an Flughafen, denn viel mehr scheint die viertgrößte Stadt Finnlands nicht zu bieten zu haben. Zweimal im Jahr jedoch vermag die Nachbarstadt Helsinkis mit Musikfestivals ein wenig mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, so findet das Ankkarock-Festival traditionell im August statt und im Juni gibt´s beim Myötätuulirock vor allem finnische Musik auf die Ohren. Letztes Jahr noch mit Sonnenschein bedacht, hat man in diesem Jahr, vor allem am Samstag, wettertechnisch die Arschkarte gezogen und so blieben die Besucherzahlen wohl ein wenig hinter den Erwartungen zurück. Nichtsdestotrotz ist das MTR ein kleines aber feines Festival, dass in diesem Jahr mit seinem recht vielfältigen Line up etwas für die ganze Familie zu bieten hatte.

Samstag
Nach iRonica starten die Kids von RA am MTR durch. Sie gelten als die jüngste Band in Finnland, die einen Plattenvertrag hat. Ihre finnischen Songs rocken das noch spärlich gesäte Publikum und trotz ihres jungen Alters werden sie schon wie Große gefeiert. RA sind definitiv eine der Bands, von denen man in Zukunft noch viel hören wird.(SM)

Ruhig ist es seit einiger Zeit um die Charon Jungs geworden, nur noch selten betreten sie die Bühne. Bleibt zu hoffen, dass dies die Ruhe vor dem Sturm ist und bald ein neues Album auf dem Ladentisch liegt. Es wäre schade, wenn eine Band, die so viel gute Musik zu bieten hat, im finnischen Band-Wirrwarr verloren ginge. Charon legen einen super Auftritt hin und bringen ihre besten Songs wie „Colder“ und „In Trust Of No One“. (SM)

Vom „finnischen Sommer“ wenig beeindruckt zeigten sich Stam1na, was Action und Spielfreude betraf, jedoch gab es diesmal nicht ganz so viele Faxen – wie etwa letztens im Tavastia, als die Vier in perfekter KISS Maskerade auftraten… Live sind die Jungs stets eine sichere Bank, die auch hier der Fanschar – ungeachtet widriger klimatischer Umstände – kräftig mit Thrash Metal einheizten. (KW)

Ganz ohne Feuer, Pyro, exotische Tänzerinnen oder sonstige Extras, nur ein paar kriegsbemalte Waräger, so begaben sich Turisas auf den Siegeszug durch Vantaa. Dem Gott des Donners hatte man offensichtlich vor der Show genügend gehuldigt, der Gott des Nieselregens war aber noch nicht besänftigt worden und so war es äußerst kühl und man beneidete die Band doch sehr um ihre pelzigen Kostüme. Violinist Olli Vänskä versuchte mit seinem Instrument ein paar herzerwärmende Klänge zu erzeugen und bei „One more“ und „Holmgard And Beyond“ durfte sich das Publikum dann endlich warm singen und tanzen. Natürlich konnte auch der „fucking disco“ Song „Rasputin“ nicht fehlen, bei dem die Menge dann in die Klans „Arne“ und „Berta“ aufgeteilt wurde und in einer akustischen Wall of Death gegeneinander antrat. Immer wieder unterhaltsam. (KG)

Hardcore Superstar konnten sich rühmen, die erste nicht-finnische Band in der Geschichte des MTR zu sein – das Festival hat sich erstmals auf eine internationale Ebene begeben. Und entweder sind die Sommer in Schweden nicht besser, oder die Jungs hatten Zugang zu beheizter Unterwäsche – mich brachte der Anblick des nackten Oberkörpers von Schlagzeuger Magnus – Tommy Lee-Lookalike – allerdings eher zum Bibbern als zum Ausrasten… „Scream For Me“ – diese Aufforderung wäre gar nicht notwendig gewesen, der Kreischpegel blieb durchwegs hoch. Klar, bei der energiegeladenen Show von Jocke & Co. Deren letzte CD hatte mich ja nicht so aus den Socken gehauen, aber live sind die Jungs absolut klasse! (KW)

Teräsbetoni , die finnischen Metalkrieger, die erst kürzlich am Eurovision Song Contest teilgenommen haben, sind zurück in Finnland. Mit ihren finnischen Texten singen sie sich in die Herzen der Zuschauer und obwohl der Regen in Strömen auf die Köpfe der Zuschauer prasselt, harren diese aus. Bei Songs wie „Metallitotuus“ und dem Eurovision Song „Missä miehet ratsastaa“ singen die Besucher in lauten Tönen mit. Auch wenn die Finnen den Sieg nicht nach Hause gebracht haben, sie scheinen die Schlacht dennoch gewonnen zu haben. (SM)

Total durchgefroren, durchnässt und miserabel drauf – konnten da The 69 Eyes wirklich noch den Tag retten? Um es vorwegzunehmen – ja. Erstens gab es jede Menge Tracks von meinem Lieblingsalbum „Blessed Be“, z.B. „The Chair“, „Framed In Blood“, „Brandon Lee“ – und später im Zugabenteil natürlich „Gothic Girl“. Zweitens wurde dem absolut miserablen Wetter und den doch bereits gelichteten Publikumsreihen zum Trotz volle Pulle Programm geboten, als wär´s ne US Arena. Und sogar Timo Timos Frisur hielt… Völlig perfekt lief die „Best Of“ Show (u.a. mit „Lost Boys“, „Perfect Skin“, „Rockers“ und dem tollen Cover von „LA Woman“) doch nicht ab, Gitarren und Jyrkis Vocals klangen manchmal etwas daneben. Dennoch, der harte Kern, der bis zum letzten Ton durchhielt, konnte ebenso wie ich mit einem Lächeln nach Hause fahren. (KW)

Interaktive Fotogalerie, oder anklicken und auf Flickr ansehen:
Charon1 Kopie

Sonntag
Im Frühjahr noch in den USA auf Pagantour mit Turisas und schon stehen Ensiferum wieder auf finnischen Bühnen. Der Festival-Sonntag war eher geprägt von Glam Rock Bands, Teen-Idols und älteren Rock-Semestern und so waren „die Schwerttragenden“ definitiv die härteste Band des Tages und mussten dann auch zu recht „unchristlicher Stunde“ schon mittags ran. Nur in blau-weiße Röcke gehüllt, brachten Petri Lindroos und seine Mannen ihre Folkmetal Weisen zu Gehör. Das Publikum war halbwegs entzückt, nur kann wohl um diese Zeit noch keine rechte Stimmung aufkommen. Besser später und mit mehr Met im System! (KG)

Mit Malice in Wonderland betrat dann die erste der drei Glam Rock Bands, die an diesem Sonntag die vor allem junge weibliche Publikumsschar in Wallung bringen sollte, die Bühne. Für alle, die diesem Genre nicht so wirklich zugetan sind, ergab sich folgendes Bild: Sonnenbrille, Lederhosen, Make-Up, Blondierte Haare, hirnfreie texte, gefühlsduseliges Gesinge und Posing ohne Schmerzgrenze. Für alle anderen, waren die Norweger wohl ein Glam Rock Traum in blond. Ob man dieses Genre nun mag oder nicht, die Band muss auf jeden Fall noch an ihrem Material und vor allem den Vocals feilen. (KG)

Die Jungs von Uniklubi sind beim heutigen Line Up ein absolutes Muss, denn keine andere finnisch-singende Band in der Szene versprüht mehr Charme. Die Mädels in den ersten Reihen haben sie auch schon sehnlichst erwartet und bedanken sich mit Gekreische und Applaus. Bei Uniklubi sitzt wie immer jeder Ton und es macht Spaß, den Jungs auf der Bühne zuzusehen. Abwechslungsreiche Songgestaltung lässt einem keine Zeit, auch nur an Langeweile zu denken. Schnelle und kuschlig-langsame Songs versüßen diesen noch ein wenig dunkel aussehenden Nachmittag. (SM)

Lang vergessen sind die Tage da Ari Koivunen noch als frisch gekürter finnischer Idols Gewinner auf der Bühne stand. Heute gehört Ari zu den beliebtesten finnischen Musikern überhaupt. Wer gedacht hat, dass die Mädels bei Uniklubi schon laut geschrien haben, hat sich gewaltig geirrt, denn bei Ari steigt der Kreischfaktor um das 10-fache. Mit einigen Covern und seinen eigenen Songs überzeugt er trotz des ein oder anderen falschen Tones. Ari scheint auf der Bühne zerbrechlich und noch sehr jung, doch man sieht, dass er das tut, was ihm Spaß macht und er sein Bestes gibt. (SM)

Negative machten dann den Glam Rock Dreier unter dem Motto „Let´s fuck“ (siehe Lautsprecherbox in der Photogallerie) komplett. Zu Beginn ging aber erst mal gar nichts, zumindest nicht bei Sänger Jonne, der zwar aus Leibeskräften sang, das Mikro aber offensichtlich anderer Meinung war. Machte aber alles nix, denn die Menge übernahm den Gesangspart mehr als freiwillig für ihn. Selbst wenn man mit der Band nicht viel anfangen kann, so sind doch die Songs eingängig genug, um die Aufmerksamkeit des passiven Beobachters auf sich zu ziehen und auch die Interaktion mit dem Publikum, macht die Band sehr sympathisch. Auffällig ist, dass sie ihren Vorbildern Hanoi Rocks immer ähnlicher werden, und das wohl nicht nur auf musikalischer Ebene. (KG)

Bei Yö handelte es sich um Dinosaurier der finnischen Pop-Rockszene, und das merkte man nicht nur am etwas gehobeneren Alter der kreischenden weiblichen Fans in den vorderen Reihen, sondern auch an der Stimmung. Fast jeder Song wurde lauthals mitgesungen, auch von gestandenen Metalheads, und „Tia Maria“ oder „Rakkaus On Lumivalkoinen“ kennen sogar Nicht-Finnen, wenn sie nur regelmäßig Karaoke-Abenden ausgesetzt sind. (KW)

Sturm und Drang sind die einzige Band, die Special Effekte bei ihrer Show hat. Die Jungs sind auch in Deutschland und dem Rest Europas keine Unbekannten mehr, denn dank ihrer Tour mit den finnischen Kollegen von Apocalyptica haben sie so einige Fans für sich gewinnen können. Mit gerade mal 16 toppen sie schon die meisten ihrer Kollegen, die um einiges älter sind. Zwar ist live die Stimme von André nicht mehr ganz so tief und rockig und trifft auch die Töne nicht mehr ganz so, trotzdem muss man ihm die Leistung und den Druck, den er aushalten muss, hoch anrechnen. Ein gelungener Auftritt mit der richtigen Auswahl von Coversongs. (SM)

Gespannt war ich als alter Purple/Rainbow Fan ja auf Back To Rainbow: Graham Bonnet & Joe Lynn Turner. Die Begleitband, zum Großteil aus Musikern von Yö bestehend, lieferte eine solide Leistung. Das ließ sich nur nicht von beiden Sängern behaupten. Mir ist nach wie vor schleierhaft, wieso ausgerechnet Graham Bonnet den gescheiterten Versuch unternahm, Gesangsgott Dio („Stargazer“) zu covern…. seine eigenen Rainbow-Hits, wie z.B. „All Night Long“, kamen allerdings ziemlich cool rüber. Sympathisch und humorvoll erwies sich dann Mr. Turner, unterhielt mit launigen Ansagen und Anekdoten, und sang außerdem wie ein junger Gott. Klar, dass „Dead Alley Driver“, „I Surrender“, „Can´t Happen Here“, „Street Of Dreams“ und als Reminiszenz an seine Zeit mit Deep Purple, „Perfect Stranger“ und „Burn“ (mit einem ziemlich angeheitert wirkenden Ari Koivunen als Verstärkung) die Menge zum Ausrasten brachte. Gleich zweimal wurden die Jungs wieder auf die Bühne geholt, aber nach einem leicht chaotischen All-Star-Line Up und „Long Live Rock´n´Roll“ war dann endgültig Schluss. (KW)

Und in Vantaa kehrt wieder Ruhe ein… Für mehr visuelle Eindrücke checkt auch die Photogalerie!

text&photos: Kathleen Gransalke (KG), Sandy Mahrer (SM), Klaudia Weber (KW)

Contributors

Kathleen Gransalke

Redakteurin für Reviews - Übersetzungen, Reportagen, Fotos - - - Favorisierte Musikrichtungen? - Punk, Rock, Death Metal, Mathcore - - - Favorisierte Bands? - Coheed & Cambria, Black Dahlia Murder, Dillinger Escape Plan, Mastodon