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Swallow the Sun / Callisto / Before The Dawn

Schon Tage vorher lief ich mit einem entrückten Lächeln im Gesicht rum: Finnische Schwermut bei (endlich) sommerlichen Temperaturen, geboten von Bands, die in meinem CD Player ohnehin dauerrotieren … und zugleich der erste Tag, wo landesweit das absolute Rauchverbot in Restaurants in Kraft trat. Spannung: Würde Nosturi das ebenfalls durchziehen?


Before The Dawn
Spannung Teil zwei: Wie macht sich das neue/alte Line-Up live? Immerhin war der Saal schon voll wie bei Headlinern, viele trugen BTD Merchandise… Nun, irgendwie überwogen die Individuen das Band-Gesamtbild: Angetrieben von Rhythmusmaschine Dani Miettinen, knallten BTD den Anwesenden ihren hochmelodischen “Melancholischen Skandinavischen Metal” um die Ohren, überraschend viele alte Songs: “The Black” & “Vengeance” vom “4:17 am “ Album, “Unbreakable” von “My Darkness” sowie “Black Dawn” & “Away” von “Ghost”. “Deadlight” war für mich mit “Faithless”, “Morning Sun” und “Deadsong” (der es gerade in die Playlist von Radio Rock geschafft hat) fast unterrepräsentiert. Gitarrist Juho Räihä ließ ständig seine Matte kreisen, Publikumskontakt blieb ausschließlich Lars Eikind (clean vox, b) überlassen. Herrlich staubtrocken ging er auch auf Zwischenrufe ein, und du könntest glauben, er sei der Boss. Live sang er durchaus auch etwas rauer, kam manchmal nur etwas zu laut rüber.

Mastermind Tuomas Saukkonen wirkte diesmal noch zurückgezogener als beim Dawn Of Solace-Gig (siehe STALKER Alliance-Fest Review), völlig auf seine Musik konzentriert und wie in einer anderen Welt. Nur einmal, gegen Ende des Gigs, als das Publikum spontan mitklatschte (diesmal sogar im Takt, ich glaube bei “Vengeance”), konntest du, wenn du genau hinsahst, beinahe so etwas wie den Schatten eines ganz ganz leichten Lächelns erspähen…


Callisto
Vor Jahren hatte ich diese Band das erste Mal im Semifinal gesehen, damals noch als Melodic Deather. Inzwischen haben die Jungs aus Turku – Markus Myllykangas (voc, git), Arto Karvonen (synth), Johannes Nygård (guit), Juho Niemelä (b), Ariel Björklund (dr) – einen etwas progressiveren musikalischen Pfad eingeschlagen. Ihr drittes Album „Noir“ ist seit kurzem am Markt: Sehr doomlastige, melancholische, ruhige Musik, mir etwas zu ruhig, sehr lange Songs mit elaboraten Soli, die sich nahezu pure Instrumentalversionen gaben. (Growl) Gesangsparts wurden äußerst sparsam eingesetzt.

Der Sound und die Performance weckten Assoziationen zu Pink Floyd, Opeth, aber auch 70er Psychedelic-Rock, die Songs mündeten leider viel zu selten in wuchtige Metal-Riffs. Obwohl es auf der Bühne kaum Action gab, war die Band dennoch mit Schwierigkeiten auf Film zu bannen, da sie minimale Beleuchtung bevorzugten und einen Song sogar in völliger Dunkelheit spielten. Nicht nur mir war das Ganze nach einer Weile doch etwas zu progressiv, und nicht nur mir, denn eine recht ansehliche Schar hatte sich mitten im Callisto-Gig vor der Eingangstür des Clubs zwecks gemeinsamen Nikotinmißbrauchs versammelt…


Swallow The Sun
Als die Headliner endlich die Bühne enterten, war der Saal prall gefüllt, und Fotos machen wurde zur Kamikazemission. Ich hab diese Band ja schon des öfteren live gesehen, im Prinzip hat sich an ihrem Präsentationsstil nichts geändert. Sänger Mikko Kotamäki, nach wie vor kaum vom Mikro weg zu bewegen, flankiert von Aleksi Munter (keys) und Juha Raivio (git) bzw. Matti Honkonen (b) und Markus Jämsen (git), die posen und bangen, was die Genickmuskulatur hergibt. Jedoch garantieren STS live stets für Gänsehaut pur, mit dieser genialen Mischung aus Doom und Melodic Death, Ohrwurm-Melodien und Hammer-Riffs.


Die Erfahrungen der Europa-Tour schienen der Band doch etwas mehr Selbstbewußtsein verschafft zu haben, jedenfalls hatte die Show einiges an Intensität und Professionalität gewonnen. Dazu kam die gute Mischung von neuem „Hope“-Material, das wieder etwas mehr metallische Anteile enthält (“These Hours Of Despair”, “Too Cold For Tears”), wesentlich düstereren und zäheren Songs vom “Ghosts Of Loss” Album („The Giant“) und Uralt-Hits (“Out Of This Gloomy Light”, “Deadly Nightshade”).

Mittendrin gab es eine besondere Überraschung, als für “Don´t Fall Asleep” Gastsängerin Leeni-Maria Kristina Hovila alias Tinúviel höchstpersönlich auf die Bühne kam (sie singt auch bei Exsecratus, unlängst STALKER-Fresh Act), und später noch einmal beim Rausschmeißer “Doomed To Walk The Earth”. Das Publikum wollte jedoch auch nach fast 1,5 Stunden mehr, und Swallow The Sun ließen sich nicht lange bitten und legten noch (wenn ich mein Gekritzel richtig entziffere) „Hope“ und anschließend „Swallow“ drauf, ehe das „Twin Peaks – Laura Palmer“ Thema das endgültige Ende der Show markierte. Die Musiker blieben noch ein Weilchen, zum Händeschütteln mit Fans. Eine sympathische Band, von der ich wahrlich nicht genug kriegen kann!

Geiler Gig, nur dieses Rauchverbot ist absolut lästig, da fühlst du dich wie in Schulzeit zurück versetzt (Stichwort “Smoking In The Boys Room”….) – und irgendwie fehlt mir was, ein Rock-Venue muss doch ein wenig verr(a)ucht sein, oder?

Klaudia Weber

Rücksichts- und gnadenlose Diktatorin, kniet vor mir! Anders gesagt: Chefredakteurin, Übersetzerin, Webseiten- und Anzeigenverwaltung, also "Mädchen für alles" - - - Schwerstens abhängig von Büchern (so ziemlich alles zwischen Herr der Ringe und Quantenphysik) und Musik, besonders von Metal finnischer Prägung. Weiters Malen, Zeichnen, Film, Theater... also könnt ihr mit einer vielseitigen Website rechnen. Mag.phil., zwei in 5 Jahren parallel abgeschlossene Vollstudien (English & American studies, Medienkommunikation) und stolz darauf, denn als Mädel aus einer Arbeiterfamilie in einem erzkonservativ-katholischen Land ging das nur dank Stipendium und etwas später im Leben als andere....