ArchivInterviews

Xandria: Der Traum vom roten Holzhaus am See

Vor gut vier Jahren verliess die beliebte Frontfrau Lisa Middelhauve die Band, viele hätten nach diesem Verlust mit dem Ende von Xandria gerechnet. Gerade als man dachte, man könne neu durchstarten, ging auch Nachfolgerin Kerstin Bischof. Nun vier Jahre später haben sich Xandria wieder neu formiert und präsentieren die neue Sängerin Manuela Kraller, die auch auf dem aktuellen Album „Neverworld´s End“ zu hören ist. Marco und Manuela verraten, warum „die Neue“ ein musikalischer Spätzünder ist und was das alles mit Finnland zu tun hat.

Hallo zusammen, euer neues Album „Neverworld´s End“ kam gerade raus, wie geht es euch damit?
Manuela Ich bin supergespannt darauf, wie es bei den Leuten ankommt und hoffe natürlich, dass es ihnen genauso gut gefällt wie mir 😉

Was erwartet den Fan auf dem neuen Werk mit eurer neuen Sängerin, schlagt ihr einen ganz anderen Weg ein oder bleibt ihr eurem Stil treu?
Marco Es ist definitiv eine neue Version von Xandria! Aber wer schon immer mehr auf unsere epischen, symphonischen Elemente stand, dem wird das sehr gefallen, denn genau dies haben wir versucht auf ein ganz neues Level zu heben. Wir wollten vieles hinter uns lassen, was uns an unserem Sound nicht mehr gefallen hat, und heavier, dunkler und auch anspruchsvoller werden. Dies entspricht unseren gemeinsamen Vorlieben weit mehr!

Ihr hattet bei euren letzten Alben immer einen gewissen musikalischen Einschlag fernab vom typischen Metalsound, einmal das Orientalische, dann mehr keltisch. Gibt es das auch beim neuen Album?
Marco Wir verstehen unsere Musik wie einen imaginären Filmsoundtrack gemischt mit Metal, und solche folkigen Elemente tragen sehr zur Atmosphäre bei, von daher wird es auch diesmal davon wieder viel geben, auch Keltisches und Orientalisches. Wir haben ein paar wirklich fantastische Musiker gefunden, die uns die entsprechenden Instrumente eingespielt haben, es sind faszinierende Sachen, die wir aufgenommen haben mit ihnen! Das gibt vielen Songs eine richtige Würze…

Die Fans konnten sich ja live bereits an eure neue Stimme Manuela Kraller gewöhnen, seid ihr trotzdem noch gespannt darauf, wie sie jetzt auf das neue Album reagieren werden?
Marco Ja natürlich, denn es ist ja insgesamt ein großer Schritt für uns, nicht nur von der Stimme her.

Manuela, du bist seit bald einem Jahr Teil der Band, wie ist es dir in dieser Zeit ergangen und wie haben dich die Fans angenommen?
Manuela Es war bisher eine sehr spannende Zeit, weil ich viel Neues erleben durfte, z.B. zum ersten Mal Studioaufnahmen für ein Album machen und erste Konzerte mit Xandria singen, die wirklich sehr viel Spass gemacht haben. Ich habe in diesem Jahr auch gelernt, meine Stimme aufzunehmen, was unerlässlich war, um die Demos mit meiner Stimme zu versehen. Darauf bin ich sehr stolz, zumal ich mich immer davor gedrückt habe, mich mit solch computertechnischen Sachen auseinanderzusetzen. Aber mittlerweile macht es mir richtig Spass! Die Reaktionen der Fans sind bisher sehr positiv, was mich sehr freut. Natürlich gibt es auch ab und an negative Statements, aber ich versuche diese nicht so nah an mich ranzulassen, sondern mein Augenmerk auf das Positive zu richten.

In wie weit warst du, Manuela, am Songwriting beteiligt? Konntest du auch deine eigenen Einflüsse beisteuern oder sind die Jungs da stur?
Manuela Nein, die Jungs haben mich von Anfang an eingebunden auch in den kreativen Prozess. Da der Grossteil des Albums aber schon fertig war, konnte ich nur noch einen kleinen Teil dazu beisteuern. Beispielsweise schrieb ich die Lyrics zum Song „A thousand letters“, der mir sehr viel bedeutet, da er von der Liebe zwischen meinen Großeltern Maria und Sebastian handelt und ich durch diesen Song einen Teil meiner Trauer über ihren Tod verarbeiten konnte. Zudem habe ich mit Marco die Lyrics von „Call of the wind“ geschrieben und wir haben auch alle zusammen sehr viel über Strukturen und Aufbau der Songs gesprochen. Es hat sich also jeder auf seine Art und Weise kreativ eingebracht, wobei die Grundstrukturen und das Kompositorische zum Großteil Marcos Verdienst ist.

Lisa hat euch nach 8-jähriger Zusammenarbeit und 4 Alben verlassen. Wie war das für euch, quasi am Höhepunkt eurer Karriere nochmals von vorne beginnen zu müssen?
Marco Es war ja eher das Gegenteil vom Höhepunkt der Karriere. Es ging nicht mehr voran und auch kreativ steckten wir in einer Sackgasse, was vor allem an musikalischen Differenzen lag. An diesem Punkt hätte es also so oder so nicht weitergehen können. Von daher habe ich größten Respekt vor Lisas damaliger Entscheidung, die Band zu verlassen, weil klar war, dass jeder seinen eigenen Weg gehen muss. So konnte es für alle Beteiligten einen echten Neuanfang geben. Für mich persönlich war das also ein Moment mit gemischten Emotionen: Natürlich war es ein seltsames Gefühl nach all den gemeinsamen Jahren so einen Einschnitt zu erleben, aber ich habe gemerkt, wie dies in mir eine kreative Explosion bewirkt hat, ich konnte jetzt wieder eine wirkliche musikalische Vision entwickeln, ohne Kompromisse eingehen zu müssen.

Gestaltete sich die Suche nach einer neuen Sängerin schwierig oder weniger, ihr hattet ja bereits nach fünf Monaten einen Ersatz für Lisa gefunden?
Marco Es ging recht schnell, weil Kerstin die Freundin eines alten Freundes von Nils war. Auch wenn sie sich, wie andere Sängerinnen, die sich vorgestellt hatten, auch ganz formell beworben hatte. Kerstin Bischof war die erste Nachfolgerin von Lisa, sie blieb allerdings nur 14 Monate. Warum hat sie die Band verlassen? Sie hat sich, bevor es dann doch richtig ernst wurde mit den Aufnahmen zum neuen Album, dafür entschieden, nicht weiter professionell Musik zu machen, da für sie andere Dinge in ihrem persönlichen Umfeld wichtiger geworden waren.

Was sind die grössten Unterschiede zwischen Manuela und Lisa? Muss man sich nach einer Trennung nach so vielen Jahren erst mal wieder an jemanden neuen gewöhnen?
Marco Die beiden sind schon ziemlich unterschiedlich, aber darauf will ich gar nicht so detailliert eingehen. Jeder Mensch hat seine bestimmten Eigenheiten. Ja, natürlich, man muss sich immer an jemand neuen erst gewöhnen – aber das fiel uns sehr leicht, denn Manuela ist ein toller, offener und humorvoller Mensch, so dass wir uns gleich alle sehr gut verstanden haben.

So jetzt will ich aber ein bisschen mehr über eure neue Fronterin erfahren: Manuela, du bist ja kein unbeschriebenes Blatt, du hast bereits bei Haggard und Nagor Mar gesungen. Wie bist du als bayrisches Mädel zu einer Schweizer Band gestossen?
Manuela Ich hatte nie vor, einer Schweizer Band beizutreten (lacht), aber der Bandgründer von Nagor Mar (neuer Name: Forty Shades) hatte nach 1 Jahr verzweifelter Suche beschlossen sein Glück auch mal in deutschen Gefilden zu versuchen und hat mich über eine Anzeige gefunden, in der ich nach Leuten gesucht habe, die mit mir eine Gothic-Metal-Coverband gründen wollen (lacht). Naja, jedenfalls hab ich dann nen Song vorgelegt bekommen, den ich mit meiner Stimme und nem selbst komponierten Text vertonen sollte. Anscheinend hat es den Schweizer Jungs gefallen, denn kurz danach war ich aufgenommen 🙂

Was hat dich dazu bewegt dich bei Xandria zu bewerben?
Manuela Ich war nicht mehr glücklich bei Haggard und habe eine neue gesangliche Herausforderung gesucht. Trotzdem hätte ich mich wahrscheinlich nie beworben, wenn nicht einer meiner besten Freunde (Mani Müller) mir nen kräftigen verbalen Arschtritt verpasst hätte (lacht). Er war es, der davon überzeugt war, dass ich genau die Richtige für diesen Job bin, bevor ich es wusste, haha 🙂

Ich habe gelesen, dass du ein musikalischer Spätzünder bist und das Singen erst mit 23 für dich entdeckt hast, in einem Chor in Finnland. Wie bist du damals nach Finnland gekommen, hast du dort studiert?
Manuela Ja, ich habe dort ein Semester lang Lehramt für Grundschulen studiert (jaja, ich bin eigentlich gelernte Grundschullehrerin, unglaublich;) an der Universität in Savonlinna. Es war eine wunderbare Zeit mit wunderbaren Menschen!

Und natürlich die Frage, die mir auf der Seele brennt als Finnland-Fan – warum hast du dich entschieden zurück nach Deutschland zu gehen, denn der Norden ist ja sozusagen die Metal-Hochburg?
Manuela Tja, das weiß ich im Nachhinein selbst nicht mehr so genau (lacht). Nein, ich war damals noch sehr schüchtern und habe mir noch nicht so viel zugetraut wie heute. Reisen war für mich völlig neu, und auch längere Zeit in einem anderen Land zu sein. Ich war damals schon stolz auf mich, dass ich ein Semester lang im hohen Norden verbracht hab, fernab von Zuhause und meinen alpinen Bergen 🙂 Dass Nightwish gar nicht mal so weit von Savonlinna entfernt wohnen, wusste ich damals noch nicht, da ich erst später anfing Symphonic Metal zu hören…sonst wäre ich vielleicht doch dort geblieben 🙂 Also allein wegen der Musik lohnt es sich schon…und wegen der Menschen, die sind einfach der Hammer! Auf diesem Wege ein Gruß an meine finnischen Freunde!

Du bist fasziniert von Savonlinna, wenn ich das so richtig deute in deinem Steckbrief. Was fasziniert dich so daran? Welches war dein Lieblingsplatz? Und wäre dein Traumhaus, das du mit 1 Million Euro bauen würdest, auch dort?
Manuela Ich liebe es, dass alles von Seen umgeben ist. Savonlinna liegt ja im Saimaa Seengebiet und wo Wasser ist, da fühle ich mich zu Hause, vielleicht auch deshalb der Wunsch vom „Haus am See“. Ein rotes Holzhaus um genau zu sein. Davon hab ich in Finnland viele gesehen und mich verliebt 😉 Einen ganz bestimmten Lieblingsplatz hatte ich nicht, weil es so viele schöne Plätze gibt, aber hinter meinem Studentenwohnheim gab es eine Bank direkt am Wasser, da saß ich ganz oft und habe mir die wunderbare Gegend angesehen 🙂
Der schönste Tag, den ich in Finnland erlebt habe war, als ich und meine 2 Freundinnen von einer Finnin an ein Haus am See eingeladen wurden. Es war ein wunderschöner sonniger Tag, wir sind in die Sauna gegangen und dann splitternackt in den See gesprungen (lacht). Mein Traumhaus wäre definitiv in Finnland, natürlich mit Sauna 🙂

Wie sieht es heute aus mit Finnland, verbringst du heute noch hin und wieder Ferien dort?
Manuela Leider nein, früher fehlte mir als Studentin das Geld, jetzt fehlt mir die Zeit, da ich meinen ganzen Urlaub für Touren verbrauche, was ich natürlich auch gerne mache, aber mal wieder nach Finnland fahren wäre schon toll, das Land und die Leute fehlen mir sehr. Auf der „Out of the dark“-Tour habe ich Heidi Parviainen von „Amberian Dawn“ kennengelernt und wir haben uns super verstanden. Sie hat gemeint ich muss sie unbedingt mal besuchen kommen…das wäre doch mal ne Möglichkeit 😉

Welche Ziele setzt du dir mit Xandria und was möchtest du noch in diesem Jahr erreichen?
Manuela Natürlich so viel wie möglich live spielen/singen!! Mein größter Wunsch wäre es auf dem Wacken Festival zu singen, das wäre einfach der Wahnsinn! Ich hoffe, das klappt:)

Was steht sonst noch an in naher Zukunft?
Manuela Ende März spielen wir 3 Konzerte mit Epica und wahrscheinlich Drumherum noch das ein oder andere Konzert, mal sehen 😉

Ok dann vielen Dank und weiterhin ganz viel Erfolg.

Sandy Mahrer

Fresh Act Redakteurin, Reportagen, Reviews, Fotos - - - Favorisierte Musikrichtungen? - Hard Rock, Heavy Metal und Pop-Rock, etc. Weniger Death, Black, Grind Core