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Traumzeit-Festival 2014

20.06.-22.6.2014, Duisburg, Germany, Landschaftspark Nord

Zum 17. Mal war im Juni 2014 Traumzeit. Das Festival im Landschaftspark Duisburg Nord stand in diesem Jahr unter dem Motto „Cross the border – close the gap“ und brachte dafür an drei Tagen auf vier Bühnen über 30 Bands und Künstler aus Pop, (Indie)Rock, Elektronik, Jazz und experimenteller Musik zusammen.

Interaktive Fotogalerie am Textende

Der erste Tag des Traumzeit-Festivals bestand für mich aus den fröhlich klingenden Spacemann Spiff als Anheizer, Klaviermelodien zum Träumen von Lambert, den überraschend mitreißenden MIA., einer enttäuschenden Judith Holofernes und zum Abschluss dem wahnsinnig spielenden und dabei Schweiß auf seine Klaviere tropfenden Nils Frahm. Es war ein guter Tag.

SPACEMANN SPIFF

Auf der „umsonst & draußen“ Bühne am Gasometer gab Singer/Songwriter Spacemann Spiff mit seiner Band sozusagen den Startschuss zum gesamten Festival. Die Band kam sympathisch rüber, die Musik klang rockig-fröhlich und schnell sammelte sich ein interessiertes Publikum vor der Bühne. Die Band war mit Spaß dabei, alberte zwischendurch herum und spielte Lieder, die ins Ohr gingen. Die Texte hatten dabei durchaus Tiefgang, so dass sich genaueres Hinhören lohnte. Der Funke sprang schnell über und das Publikum machte mit. Einige schienen die Band bereits zu kennen, andere waren einfach neugierig. Spacemann Spiff wirkten entspannt und waren rundum unterhaltsam. Gerne hätte ich länger zugehört, aber es rief schon das nächste Konzert

LAMBERT

In der Gebläsehalle gab Lambert für 45 Minuten am Klavier den Ton an. Eine Maske tragend spielte er leichtfüßig mal auf dem Klavier und mal auf dem Flügel seine Stücke. Die Melodien flossen ihm dabei nur so aus den Fingern, zum Träumen schön. Die bunte, gehörnte Maske verbarg sein Gesicht völlig und sorgte für interessante Optik. Zu seinen Stücken lieferte er teils kuriose Ansagen wie „Das nächste Stück handelt von einem Schnitzel, das ich einmal gegessen habe. Es war an einem Tag im März und man konnte draußen sitzen. Im April hat es dann wieder geschneit.“ Damit brachte Lambert das Publikum immer wieder zum Lachen. Gekonnt wechselte er zwischen seinen Instrumenten, mitunter auch mitten im Stück. Wenn ich seine Musik in eine Schublade stecken müsste, würde ich sie wahrscheinlich irgendwo bei „Klassik“ einsortieren. Wie dem auch sei, sie war angenehm anzuhören und machte Lust auf mehr.

MIA.

Für mich folgte eine kurze Verschnaufpause, bevor es in der Kraftzentrale mit Elektro-Pop/Elektro-Punk Band MIA. weiterging. Eigentlich ist Elektro so gar nicht meine Musik, aber den großen Namen des Abends wollte ich mir nicht entgehen lassen. Außerdem musste es ja Gründe für den Erfolg dieser Band geben und so trieb mich die Neugier in die Halle. Als Vorband sozusagen spielte witzigerweise der Knappenchor Homberg. Wem bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar war, dass das Traumzeit-Festival ein wenig anders ist, der merkte es spätestens jetzt. Die Herren im Rentenalter sangen Bergmannslieder und taten es mit einer Freude, die ansteckend war. Das Publikum machte freundlich mit und so konnten alle den 15-minütigen Auftritt genießen. Zum Abschluss gab es für jeden im Chor noch einen Schnaps und danach hieß es Bühne frei für MIA..

Inzwischen war auch die anfangs noch sehr leere Halle gut gefüllt und Jubel brandete auf, als die Band nach und nach die Bühne betrat. Sängerin Mieze Katz überzeugte mit kräftiger Stimme und auch ihre Mitstreiter konnten alle spielen. Es herrschte ständig Bewegung – Mieze Katz sang, tanzte, sprang und gestikulierte – immer zur Musik und mit reichlich ‚Punk Attitude´. Die Haare flogen im Rhythmus, sie posierte für die Fotografen, warf Zettel mit der Aufschrift „Nein“ in die Luft und spielte sogar ein Theremin. Dazu kamen ihre Kostüme, die genauso abwechslungsreich waren wie die Musik, mal Kapitänsdress, mal Flügel, mal rot/weiße Flatterbänder. Auch Gitarrist und Basser standen selten still und selbst der Drummer blieb, dank drehbarer Bühne, nicht immer am selben Platz. Es war ein Genuss für Ohren und Augen vor einem Publikum, das mit Begeisterung dabei war, jedes Lied kannte und nicht nur mitsang sondern auch die Arme schwang, hüpfte und tanzte. Der Energie, die von der Band ausging, konnte man sich schwer entziehen. Alle Lieder waren mitreißend vorgetragen und sowohl Gesang als auch Instrumentierung immer genau auf den Punkt. Licht und Ton hätten besser nicht sein können. Insgesamt eine tolle Stimmung und ein rundum gelungenes Konzert.

JUDITH HOLOFERNES

Um rechtzeitig bei Wir sind Helden-Frontfrau Judith Holofernes in der Gießhalle zu sein, hatte ich MIA. ein wenig früher verlassen. Ein Fehler, wie sich herausstellen sollte. Nicht nur ließ sie uns 15 Minuten warten, sie hatte auch, wie ein Zuschauer beim Hinausgehen sehr treffend bemerkte, „zuerst das Licht und dann ihre Stimme vergessen“. Ich mag Wir sind Helden und war sehr auf ihre Solo-Nummern gespannt gewesen, aber das konnte mich wirklich nicht überzeugen. Die Bühne schlecht beleuchtet und im Nebel, was das Sehen und Fotografieren fast unmöglich machte und dazu eine Stimme, die ich so dünn nicht in Erinnerung hatte. Da machte mir das Zuhören keinen Spaß und so gab ich nach vier Liedern enttäuscht auf. Der Fairness halber sei gesagt, dass es den Fans zu gefallen schien und außerdem von draußen besser klang, so dass vielleicht die Akustik der Halle einfach nicht gut ist. Wie dem auch sei, dieses Konzert wäre jedenfalls für mich kein Anlass, sie nochmal sehen zu wollen.

Die nicht geplante Pause nutze ich, um mir einmal in Ruhe die Lichtinszenierungen des englischen Künstlers Jonathan Park anzusehen. Sie erzeugen eine ganz besondere Stimmung im Landschaftspark Nord.

NILS FRAHM

Zum Abschluss des Abends fand ich mich wieder in der Gebläsehalle ein, um den Pianisten Nils Frahm zu sehen, der gekonnt Solo Piano mit elektronischen Sounds verbindet. Zu Beginn erzählte er uns, das erste Stück sei nur entstanden, weil er eine neue Drum Machine gekauft habe und diese ausprobieren musste. Was dann folgte, war über eine Stunde – wie soll ich sagen? – Klavierartistik auf höchstem Niveau. Im positivsten Sinne wahnsinnig spielte er abwechselnd auf einem Flügel und zwei Klavieren, manchmal auch Flügel und Klavier gleichzeitig und drehte dazu an Knöpfen, um Elektro-Effekte einzustellen. Die Klänge, die Nils Frahm dabei hervorbrachte, waren einfach nur grandios. Er war völlig in sein Spiel vertieft und mit vollem Körpereinsatz dabei, so dass bereits nach dem ersten Stück der Schweiß von seiner Stirn auf die Instrumente troff.

Da blieb nichts zu tun, als mit vor Staunen offenem Mund zuzuschauen und sich einfach dieser Klangwelt hinzugeben. In der ersten Reihe saß eine Frau, die mit geschlossenen Augen völlig in der Musik versunken war. Der selige Ausdruck auf ihrem Gesicht spiegelte wider, was alle im Raum spürten: Hier wurde etwas ganz Besonderes geboten. Nils Frahm stellte beeindruckend unter Beweis, dass Musik keine Worte braucht, um Magie zu entfalten – der Klang allein kann Welten bewegen. Als er nach 75 Minuten das Konzert beendete, gab es zu Recht Standing Ovations. Das Publikum ließ ihn nicht gehen und so spielte er noch eine Zugabe. Er ist nicht nur ein extrem begabter, sondern auch rundum sympathischer Künstler. Nach diesem Highlight konnte ich mir wirklich nicht anders mehr anhören und machte michzufrieden auf den Weg nach Hause.

ZUSAMMENFASSUNG

Bisher zeigt sich Traumzeit als kleines aber feines Festival, bei dem man stressfrei spannende Musik erleben kann, etwas abseits von dem, was ständig im Radio gedudelt wird. Alles ist gut organisiert, die Wege sind nicht allzu lang und auch bei der örtlichen Verpflegung sollte jeder etwas Passendes finde. Neben gut ausgesuchter Musik, trägt das viel zum Wohlbefinden bei.

Musikalisch war es insgesamt ein guter Tag, der für Nils Frahm 10 und für MIA. auf jeden Fall 9 Hirsche verdient hat. Lambert und Spacemann Spiff würde ich jeweils solide 7,5 geben. Leider zieht Judith Holofernes den Schnitt nach unten – das waren höchstens 5 Hirsche. Zusammen also knappe 8.

TAG 2

Tag zwei des Traumzeit-Festivals brachte mir punkig angehauchte Musik zum Tanzen von Panteón Rococó, den schnörkellos schönen Folkpop der Young Chinese Dogs, Kitty, Daily & Lewis, die uns in die 50er versetzten, viel Klavier von Hauschka, fröhlichen Ska von Los Placebos und zu Schluss beeindruckende Lichteffekte zu fast sphärischen Klängen von The Notwist.

PANTEÓN ROCOCÓ

In der Gebläsehalle herrschte zunächst gähnende Leere, aber kurz vor Konzertbeginn hatte sie sich dann doch gefüllt. Pantheón Rococó stürmten gutgelaunt die Bühne und klangen zunächst recht punkig und vor allem laut. Die Mexikaner brachten mit ihrem Latin Ska/Mestizo-Rock schier unbändige Energie auf die Bühne, die dem Publikum sogleich in die Beine fuhr. Sobald sich der erste zum Tanzen vor die Bühne getraut hatte, folgten andere und das Konzert wurde zur Party. Der Band gefiel das, auf der Bühne wurde ebenfalls getanzt und gesprungen. Die Musik war eine bunte Mischung verschiedener Instrumente. Neben Gitarre, Bass, Schlagzeug und Keyboard (behängt mit St. Pauli-Fahne), gab es noch Percussion, Trompete, Saxophon und Posaune zu hören. Panteón Rococó klangen gut und machten einfach Spaß. Die elfköpfige Band wurde begeistert aufgenommen und animierte das Publikum immer wieder zum Mitmachen. Sie brauchte sich dabei keine große Mühe geben – es war fast nicht möglich, bei dieser Musik stillzustehen.

Anschließend hatte ich Kat Frankie in der Gießhalle eingeplant. Die hatte allerdings so viel Verspätung, dass ich das Warten aufgab und mich lieber zur nächsten Band bewegte.

YOUNG CHINESE DOGS

Auf die folkigen Pop-Klänge der Young Chinese Dogs hatte ich mich sehr gefreut und wurde nicht enttäuscht. Mit wunderbaren Melodien, Harmoniegesängen und ganz viel Charme gaben sie uns selbst in der großen Kraftzentrale das Gefühl, bei einem intimen Clubkonzert zugegen zu sein und eroberten die Herzen im Sturm. Hatte ein Teil des Publikums zunächst noch viel Abstand zur Bühne gehalten, so kamen sie schnell näher und ließen sich von der Musik verzaubern. Überall sah man Menschen, die sich im Takt der Musik wiegten, tanzten und bei den schnelleren Stücken auch Mitklatschten. Mit Akkordeon, Gitarren, Bass, Percussion, Ukulele, Kinderklavier und ihren Stimmen zauberte die Band Musik, die sich sofort vertraut anfühlte. Gekonnt wechselten sie zwischen gefühlvollen ruhigeren und aufwühlenden, schnelleren Stücken.

Wenn sie zwischendurch etwas zur Band oder den Songs erzählten, hörten alle aufmerksam zu, um dann in Jubel oder Gelächter auszubrechen. Young Chinese Dogs brauchten keine große Show und keine besonderen Effekte, um ihr Publikum für sich zu gewinnen. Die schönen Stimmen, die immer passende Instrumentierung, mal sparsam, mal volltönend und vor allem die Tatsache, dass sie mit Spaß, Lust und Liebe bei der Sache waren, war mehr als genug, um alle Anwesenden zu überzeugen. Das zeigte sich auch in den CD-Verkäufen nach dem Konzert, wo sie eine Zuhörerin direkt zu ihrer „neuen Lieblingsband“ erklärte. Für mich persönlich war diese Band das Highlight des Tages und ich habe sie sicher nicht zum letzten Mal gesehen.

KITTY, DAISY & LEWIS

Kurz darauf ging es in der Kraftzentrale weiter mit Kitty, Daisy & Lewis. Leider war es ziemlich leer, weil zu dieser Zeit gerade Deutschland in einem Fußball-Weltmeisterschaftsspiel spielte. Die englischen Geschwister lassen die 40er und 50er Jahre wieder aufleben, sowohl in ihrer Musik, als auch in ihren Outfits. Neben den Geschwistern, die zwischen Gitarre, Klavier und Schlagzeug, sowie beim Gesang wechselten, waren noch ihre Eltern an Bass und Akustikgitarre dabei. Ohne Zweifel waren hier gute Musiker am Werk, die jeden Song sauber sangen und spielten. Wer sich darauf einließ, hatte das Gefühl, auf einer Zeitreise zu sein, wenn auch die Musik irgendwie besser in einen verrauchten Club als eine große Halle zu passen schien. Dem Publikum gefiel das, einige waren auch so gekleidet, dass sie bei einer Zeitreise nicht sehr aufgefallen wären. Die Musik war insgesamt abwechslungsreich, auch durch einen Gast an der Trompete. Der Funke sprang bald über und die Menschen im Saal waren begeistert. Einige machten mit, weiter hinten wurde einfach zugehört. Ich fand Kitty, Daisy & Lewis durchaus hörenswert, war aber nicht in der richtigen Stimmung für ihre Musik.

HAUSCHKA

Zurück in der Gebläsehalle stand der Pianist Hauschka auf dem Programm. Auf dem Flügel sorgten einige Plastiktüten für visuelles Chaos – wie sich im Konzert zeigen sollte, befanden sich darin Holzstäbe und andere Elemente, die Hauschka nutze, um sie zwischen den Saiten des Klaviers anzubringen und so den Klang zu verfremden. Für diese Präparationen ist er bekannt und übertrug auch mittels Kamera das Innenleben des Flügels an die Wand hinter ihm, so dass man dort die Bewegungen der Saiten beobachten konnte. Zu Beginn spielte er darauf an, dass zeitgleich das Fußball-Weltmeisterschaftsspiel Deutschland vs. Ghana im Gange sei und er überlegt habe, ob man nicht dieses an die Wand projizieren sollte. Das anwesende Publikum fand´s lustig und wollte lieber Musik als Fußball. Seine Kompositionen waren spannend, aber ich fand sie eher sperrig und bekam keinen Zugang dazu. Lange Stücke, technisch, soweit ich das beurteilen kann, hervorragend gespielt aber sie berührten mich nicht. Schade.

INZWISCHEN AM GASOMETER

Vom „umsonst und draußen“ Programm bekam ich – wie schon am Vortag – nicht allzu viel mit. Zwischen Kitty, Daisy & Lewis und Hauschka, hörte ich ein paar Lieder von Dorothee Klaeukens, die unaufgeregt ihre schlichten, aber sehr angenehmen Songs präsentierte. In bester Singer/Songwriter-Manier sang sie ohne Schnick-Schnack und konnte gerade durch ihre ruhige Art überzeugen.

Das genau Gegenteil war, im Anschluss an Hauschka, die Ruhrareastyle Ska Band Los Placebos. Da war Party angesagt und vor der Bühne wurde fröhlich getanzt. Die gut gelaunte Band verbreitete einfach Spaß und erklärte uns, dass der Welt nur etwas mehr Ska zum Glücklichsein fehlt. In diesem Moment wollte ich ihnen das gerne glauben, denn die Musik zauberte sofort ein Lächeln auf mein Gesicht und ließ mein Tanzbein zucken. Genau die richtige Musik, um einfach abzuschalten und mitzumachen.

THE NOTWIST

Zum Abschluss des Abends wagte ich mich dann doch noch in die Gebläsehalle zu The Notwist. Zwar hatten sie mir bei meinem kurzen Check auf youtube nicht wirklich zugesagt, aber so wie das Festival bisher verlaufen war, wollte ich mich auch hier gerne überraschen lassen. Alles begann mit Bässen, die so tief brummten, dass der Druck vor der Box körperlich zu spüren war und effektvoll eingesetztem Licht. Ich brauchte ein wenig, um mich einzufinden in die Klangwelt, die The Notwist entstehen ließen, aber dann fühlte ich mich richtig wohl darin. Erstaunt ließ ich mich ein auf Eletronikklänge, die zusammen mit dem Licht für eine fast mystische Atmosphäre sorgten und das Publikum in seinen Bann zogen. Hier wurde für Ohren und Augen etwas geboten, das sowohl als Gesamtbild wirken, als auch in einzelne Elemente zerlegt werden konnte. Beim Blick ins Publikum stellte ich fest, dass man auch dazu tanzen konnte. Für mich war das eher Musik zum genau Hinhören. Wie dem auch sei, die Band kam gut an und setzte für mich einen guten Schlusspunkt an diesem Tag

ZUSAMMENFASSUNG

Auch der zweite Tag des Traumzeit Festivals war für mich voll guter Entdeckungen und fand trotz Fußball-Weltmeisterschaft ein begeistertes Publikum. Fast alles lief reibungslos und machte Lust auf einen weiteren Tag.

Die Wertung im Überblick: Young Chinese Dogs bekommen von mir 9 Hirsche, The Notwist 8 für ihre Show und Los Placebos ebenfalls 8 für den Spaßfaktor. Kitty, Daisy & Lewis, sowie Panteón Rococó haben sich je 7,5 Hirsche verdient, Hauschka und Dorothee Klaeukens jeweils 7. Insgesamt war Tag zwei homogener als der erste, im Durchschnitt wieder knappe 8 Hirsche.

TAG 3

Am dritten Tag des Traumzeit-Festivals hörte und sah ich David Lemaitre ungewöhnliche Klänge mit Gitarre, Cello und Weinflaschen-Synthesizer zaubern, Jesper Munk den Blues singen, schnörkellosen Independent Rock von The War on Drugs und zum Abschluss bezaubernd leichtfüßige Musik von der energetischen Zaz mit ihrer Band. Nur das Programm der Bühne am Gasometer ging an diesem Tag völlig an mir vorbei.

DAVID LEMAITRE

Für die Gebläsehalle waren im Programm noch Broken Twin angekündigt, die aber kurzfristig ausfielen und so kam David Lemaitre ins Spiel. Ich hatte schon öfter von ihm gehört und war gespannt. Die Instrumente auf der Bühne versprachen auf jeden Fall interessante Klänge, vor allem der Synthesizer aus Weinflaschen. Zunächst waren aber „nur“ Gitarre, Cello und Gesang zu hören und diese Kombination allein klang schon wunderbar. Danach wurde es dann noch besser, denn eine Geige und eben besagter Synthesizer, sowie verschiedene weitere Hilfsmittel sorgten dafür, dass die Musik alles andere als alltäglich war. Von allen Stücke am besten gefiel mir eines, das als Tribut an Jacques Cousteau angekündigt wurde und sich wie ein Tag am Meer anhörte. Das Rauschen der Wellen war dabei fast spürbar. Auch sonst schafften es David und sein Mitmusiker Sebastian mit Leichtigkeit, Stimmungen zu erzeugen und Bilder vor dem inneren Auge entstehen zu lassen. Für eine Stunde entführten sie das Publikum in eine Traumwelt, aus der wir alle nur ungern zurückkehrten. Es war ein wirklich schöner Auftakt für diesen Tag.

JESPER MUNK

Ebenfalls in der Gebläsehalle ging es mit Jesper Munk weiter. Er spielte überzeugend den Blues, war mit sichtlich viel Spaß bei der Sache und genoss die ungewöhnliche Spielstätte. Seine Stimme überraschte durch mehr Kraft und Fülle als ich erwartet hatte. Genau richtig für diese Musik. Auch seine beiden Mitstreiter an Bass und Schlagzeug waren nicht weniger gute Musiker und spielten sauber. Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, war mir das ganze ein wenig zu glatt – alles hörte sich gut an, aber es weckte keine Emotionen in mir. Schade.

THE WAR ON DRUGS

Schon beim Warten auf den Einlass waren The War On Drugs aus der Gießhalle deutlich zu hören und sie klangen nach mehr. Mit etwas Verspätung begann das Konzert und die Band hielt, was der Soundcheck versprochen hatte. Direkter und ehrlicher Indie Rock ohne Schnörkel. Drinnen war der Klang leider nicht ganz so gut wie draußen, aber immer noch völlig OK. Die Band war guter Stimmung und machte Witze, dem Publikum gefiel´s. Die Musik war abwechslungsreich, von rockigen Songs bis Balladen war alles dabei und schnell herrschte so gute Stimmung, dass sogar einig Teil des Publikums zum Tanzen vor die Bühne kam. Ein solides Konzert, das genau meinen Erwartungen entsprach.

ZAZ

Der Abend endete in der gut gefüllten Kraftzentrale bei Zaz. Die quirlige Französin begeisterte das Publikum von der ersten Minute an. Bei ihr stimmte einfach alles: Auftreten, Gesang, Musik. Er war eine wahre Freude, ihr und ihrer Band zuzuhören. Zaz brachte nicht nur viel Talent mit, sondern war durchweg sympathisch und schaffte es, sofort alle anzusprechen und mitzunehmen auf eine musikalische Reise. In der Annahme, dass vielleicht nicht alle im Raum Französisch sprächen, machte sie sogar einige Ansage auf Deutsch und las sie ganz bezaubernd vom Papier ab. Ihre Lieder reichten von sanft bis schneller und von poppig bis jazzig, immer mit einer gehörigen Prise Charme. War sie in einem Moment noch in Bewegung, sprang, tanzte und gestikulierte, stand sie im nächsten Moment einfach still da und sang. Ihrer Energie konnte man sich nicht entziehen, egal, ob sie gerade zum Mitmachen aufforderte oder völlig in ihre Musik eingetaucht zu sein schien. Die verträumten, begeisterten und einfach glücklichen Gesichter im Zuschauerraum sprachen Bände. Der Funke war übergesprungen, Zaz hatte alle in der Hand. Und dass, obwohl sie in einer Sprache sang, die zumindest ich nicht verstehen konnte – manche Musik funktioniert eben auch ohne Worte. Nicht unerwähnt bleiben soll auch die schönen Bühnendekoration, die im zweiten Teil des Konzerts wie ein Buch aufklappte, an einen kleinen Musikclub erinnerte und die große Halle plötzlich fast intim wirken ließ. Dieses Konzert war ein grandioser Abschluss eines insgesamt guten Festivals.

ZUSAMMENFASSUNG

Trotz Fußball-Weltmeisterschaft war das Traumzeit-Festival gut besucht. Sicher hätte man sich noch mehr Publikum gewünscht, aber speziell am letzten Tag kamen schon einige Besucher. Bis auf wenige Verspätungen und die teilweise, besonders am dritten Tag, recht unkoordinierten Anweisungen für die anwesenden Fotografen, war es insgesamt gut organisiert. Diese Kleinigkeiten sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier großes geleistet wurde und alle Besucher sich glücklich schätzen können. Ich persönlich freue mich schon auf die nächste Traumzeit.

photos: Stefanie Oepen

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Contributors

GastmitarbeiterInnen / guest contributions

Reguläre GastmitarbeiterInnen u.a. Melanie Kircher, Tatjana Tattis Murschel, Grit Kabiersch, Marina Minkler, Maria Levin, Jasmine Frey, Nina Ratavaara, Elvira Visser, John Wisniewski

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