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Siberian Jay: Sexy auf dem Eis

Vor ein paar Wochen konnten Siberian Jay die Veröffentlichung ihres gleichnamigen Debutalbums feiern. Sänger und Bandgründer Ilari Hämäläinen ist in Finnland vor allem als Bassist gefragt und spielt normalerweise für die Idols-Teilnehmer Katri Ylander oder Pete Parkkonen, in der Band Naked und Kengurumeininki, tritt aber auch in Musicals am Helsinki Stadttheater auf. Ein äusserst bodenständiger, vielseitig talentierter Musiker, der mit Siberian Jay seinen Traum verwirklichte und selbst als Frontmann tätig wird. Ilari fand vor dem Gig auf einem Baltikkreuzer die Zeit, uns mehr über sich und Siberian Jay zu erzählen.

Hallo Ilari, danke vielmals, dass du dir die Zeit nimmst, unsere Fragen zu beantworten. Könntest du zuerst die Band und die Bandmitglieder vorstellen? Wie lange spielt ihr schon zusammen und welche Art von Musik spielt ihr?
Hier sitze ich gerade in einer Fährkabine und trinke einen Sherry. „Poets of the Fall“ werden bald auftreten und nach ihnen sind wir dran, die Leute dazu anzuregen, wie verrückt zu tanzen und trinken! Siberian Jay ist irgendwie „meine Band“ – ich schmeisse die ganze Band im Geist und auch wirtschaftlich.
Die Jungs in der Band sind meine lieben Freunde und Brüder. Und vor allem sind sie die besten Musiker, die ich je getroffen habe. Das ist natürlich Ansichtssache, aber sie sind die besten für „meine Ansprüche“. Wir haben das Album vor ungefähr fünf Jahren aufgenommen, aber es dauerte lange, bis ich es fertigstellen konnte, wegen all den anderen Projekten und der Familie und so weiter.

by Harri Honkala
Mikko: Ich habe Mikko vor ungefähr 15 Jahren getroffen an einem Konzert in einer Kirche und war sofort begeistert. Zuerst hatten wir eine Band namens „Dust Company“ mit Tuomo und Verneri Pohjola, und dann habe ich Mikko gefragt, ob er mit mir bei Kengurumeininki mitmachen würde. Wir hatten 3-4 Jahre damit Spass auf Tour in Finnland. Dann stieg Mikko bei Apocalyptica ein und ich fing an, bei Musicals im Helsinki Stadttheater zu spielen. Heute spielen wir nur noch selten zusammen in Kengurumeininki, aber wenn wir das tun, geniesse ich das aus tiefstem Herzen.
Kristian: Einige Jahre lang spielten ich und Mikko zusammen mit Kristian in einer Band namens Megaphone. Es war eine Art von Drama-Glam-Punk Band. Es machte immer Spass, aber es erfüllte mich nicht auf musikalischer Ebene. Auf jeden Fall fühlte ich, dass ich Kristian a.k.a „Kris My Ass“ im Line-up von Siberian Jay haben wollte. Er ist ein sehr grober und schneller Musiker. Zum Beispiel spielt er die ganze „floyd rose“ licks mit einer Les Paul was ziemlich schwierig und dumm ist. Aber so ist Kris und ICH LIEBE ES!
Miika: Ich traf Miika in einem Café unserer Schule, durch Zufall. Ich war nicht sicher, ob er ein guter Musiker ist oder nicht – ich war mir nicht mal sicher, ob er überhaupt ein Musiker ist, aber von dem Moment an, als ich ihn traf, wollte ich eine Band mit ihm haben. Es stellte sich heraus, dass Miika genauso war, wie ich es mir vorgestellt hatte – ein grossartiger Gitarrist. Die ersten beiden Bands in denen wir zusammen spielten waren L°60 und Jonna, aber dann endlich fand ich die Zeit und das Bedürfnis, mich selbst zu entfalten und die Besetzung für Siberian Jay. Es ist schade, dass wir nicht öfter mit Miika spielen, da er meine Nummer eins ist, wenn ich einen Gitarristen nennen müsste: sensibel aber abgefahren, mit einem Hauch von Punk – ich nenne es „Twangy“ (Scharf). Wenn du wissen willst, was das bedeutet (zumindest für mich), sag einfach „twang“ und hör dir selber zu 😀

by Deneka Peniston
Hannes: Ich habe Hannes bei einem Konzert mit Jonna getroffen. Danach haben wir uns eine Weile nicht gesehen, aber als wir einen Drummer brauchten für die Finnish Idols Sängerin Katri Ylander, schlug ich Hannes vor und er ist in die Band eingestiegen. Wir sind auf eine Art miteinander gewachsen während dieser Jahre, und bald fühlte ich mich wie zu Hause, wenn ich mit ihm spielte. Als wir das Siberian Jay Album aufnahmen, erklärte ich Mikko meinen Wunsch, dass Hannes die Hälfte des Albums einspielt, da er ja in der Folge einspringen würde für Mikko, der immer mehr mit Apocalyptica beschäftigt war.
Lauri: Es dauerte einige Jahre, bis ich Lauri dazu brachte, in einer Band mit mir zu spielen. Ich hatte immer das Gefühl, dass wir zusammen zweimal so stark sein würden, aber es war harte Arbeit, ihn in die Band zu kriegen. Jetzt ist er die grösste Hilfe und Berater für mich in der Musik und anderen Sachen. Ich freue mich darauf zu sehen wie unsere Zusammenarbeit sich besser und besser entwickelt, weil ich weiss seine Musikalische Reserve ist enorm.

Warum hast du den Namen Siberian Jay gewählt? Für einige Leute ist der Vogel (Unglückshäher) ein Überbringer von Unglück, ist es das Gegenteil für dich?
Eigentlich war der Name ein Pseudonym meiner Frau in einem Forum. Als ich ihn sah, klang der Name irgendwie so, als ob er zu dieser Band passen würde. Zu dieser Zeit war etwas Böses in der Luft und wir fürchteten, dass die Geschichte des Albums uns als Paar passieren würde. Andererseits hat der Vogel diese Bedeutung für mich: Jemand, der im hintersten Winkel der Wälder lebt, alleine, weit weg von allen anderen. Aber wenn ein Fremder kommt, ist der Vogel sehr interessiert und versucht Kontakt aufzunehmen. Auch „Siberia“ im Namen deutet etwas an, da müssten wir nicht amerikanisch klingen oder so – wir kommen von weit, weit weg aus Finnland, und das „Siberia“ weist auf Isolation hinsichtlich geografischer Lage und auch mental hin, in gewisser Weise zumindest.

Euer erstes Album gibt es nun auch als CD, aber die Fans konnten es bereits vor einer Weile downloaden. Wie ist es für dich, ist eine Veröffentlichung auf Tonträger noch immer etwas Spezielles oder keine grosse Sache mehr, da die meisten die Musik herunterladen?
Ich bin ein altmodischer Typ, der sich ganze Alben anhört – nicht nur Songs. Für mich bedeuten die Reihenfolge der Songs und die Covers und Booklets viel. Da ist eine Art von Geschichte im Album – nicht sehr offensichtlich, aber da ist eine. Das Album endet mit dem Song „Goodbye“, welches ein ziemlich langes Ende hat. Der ganze Song dauert über 16 Minuten und der wird nur funktionieren für die, die sich das ganze Album anhören – denke ich.
Das Ende des Albums ist ein Tribute an grossartige Alben-Finale, wie “Extreme – III Sides In Every Story” und “Queen – Made in Heaven” – wer sich Kopfhörer aufsetzt, sich hinlegt und in den Strom des Albums eintaucht, wir am Schluss belohnt mir einer emotionalen Achterbahn.

by Markku Anttila
Du hast das Album komponiert, aufgenommen und produziert und zusammen mit deinem Bruder Lauri gemixt, du scheinst ein sehr talentierter Typ zu sein. Kannst du uns ein bisschen mehr über deinen musikalischen Hintergrund erzählen?
Ja – wir haben das ganze hauptsächlich selbst gemacht aus einem Grund: “Meinungen sind wie Arschlöcher – jeder hat eines” – und wenn du einen bestimmten Level von “Know how” erreichst, ist der Rest nur eine Ansichtsache. Ich will keine Kompromisse eingehen mit meiner Musik, und da ich selber weiss, was ich machen muss, warum sollte ich es nicht tun?
Ich habe mein ganzes Leben lang Musik geschrieben oder gespielt, habe eine klassische Ausbildung an der Violine, genau wie mein Bruder. Danach haben wir beide angefangen, Bass zu spielen und zu singen. Gemeinsam komponieren und produzieren mit mixen und Musik aufnehmen waren immer unsere Ausdrucksform. Wir haben beide auch 25 Jahre lang Musik studiert mit einem sehr weiten Spektrum.
Meine geheime Leidenschaft sind Musicals. Ich habe vier Musical Theaterstücke verfasst und habe in mehreren professionellen Produktionen mitgemacht. So habe ich wohl eine andere Einstellung zu Rock Musik als die meisten anderen.

Du spielst Bass in einigen anderen Bands, auch die anderen Jungs sind in anderen Bands aktiv, ist es nicht schwierig, mehr als eine Band auf einmal zu handhaben? Ich weiss, ihr seid alle Profis, aber verwechselt ihr nicht die Songs manchmal, und was passiert, wenn zwei Bands gleichzeigt gebucht werden – welche wird dann bevorzugt?
Zum jetzigen Zeitpunkt versuchen wir das ganze realistisch zu sehen. Wir verdienen alle unseren Lebensunterhalt mit der Musik, und bis Siberian Jay einen gewissen Level im wirtschaftlichen Sinne erreicht, wird alles individuell gehandhabt. Ich weiss nicht, wer von uns dann im Line-up sein wird, aber ich hoffe, dass wir diesen Level gemeinsam erreichen. Da gibt es eine Sache, die ich gelernt habe: Wenn du die Band zu krampfhaft voranbringen willst, wird das Line-up auseinanderbrechen. Wir haben alle die Hände nach einem Wunder ausgestreckt mit den anderen Bands und wissen, dass diese nicht passieren. Die einzige Loyalität in der Musikindustrie existiert nur zwischen den Band Mitgliedern untereinander. Die Bands kriegen viele Angebote unter dem Titel „tolle Promotion“, aber nur selten ist die Entlohnung die Mühe wert. Wir machen das wegen unserer Liebe zur Musik, und versuchen Werbung zu machen – aber zur gleichen Zeit haben wir alle andere Faktoren im Leben, die wir respektieren müssen. Also weiss nur Gott, was mit dem ganzen passieren wird. Ich möchte die Fahrt auf dem Weg geniessen, weil man wirklich nicht sagen kann, wann das Rad aufhören wird, sich zu drehen und wir den Gipfel unseres Erfolges erreichen werden.

Normalerweise bist du auf der Bühne als Bassist aktiv, in dieser Band übernimmst du die Stelle des Frontmannes, was gefällt dir besser?
Naja – ich fühle mich sicherer, wenn ich den Bass vor mir habe, aber ich bevorzuge es, ein Frontmann zu sein, jetzt wo wir unsere eigene Musik spielen. Ich bin mir nicht sicher? Ich glaube ich brauche beide Rollen in meinem Leben. Die eine ohne die andere würde langweilig werden.

Ich habe schon einige Male gehört, dass Leute, die es gewohnt sind, auf der Bühne Gitarre oder Bass zu spielen, sich irgendwie verloren fühlen, wenn sie nur ihr Mikrophon vor sich haben, kennst du dieses Problem auch? Ist das etwas, an das du dich gewöhnen musstest?
Ja – das ist eine ganz andere Sache so ganz ohne Instrument. Du musst einen anderen Weg finden, präsent zu sein. Ich hoffe, meine Vorstellung sieht nicht zu albern aus ohne den Bass. Normalerweise, wenn ich das tue, ist es im Theater, wo du eine Rolle hast, die dir vorgibt, wie du sein musst und dich bewegen musst. Mit einer Band musst du einfach du selbst sein, und eigentlich ist der einzige Weg das zu tun, dich selber zu vergessen. Manchmal ist es ein bisschen schwierig, aber wenn die Musik anfängt, dich zu bewegen, wird es viel einfacher.

by Anssi Karjalainen
Ihr habt einen Videoclip zu “Do you feel Sexy” (http://youtu.be/mK-CAXgu4gY ) selbst produziert, der sehr gut geworden ist. Kannst du uns ein bisschen mehr über dieses Video erzählen, wo habt ihr es aufgenommen? Und wie kalt war es dort draussen auf dem Eis?
Das Video wurde in Emäsalo, in der Nähe von Porvoo aufgenommen. Es wurde auf echtem Eis aufgenommen und das Wetter war schrecklich für diese Art von Kleidung. Wir drehten die Szenen jeweils 15-30 Sekunden lang und dann mussten wir uns ein bisschen aufwärmen. Hannes hatte Schwierigkeiten zu spielen, weil er seine Hände nicht mehr spürte, so flogen die Drumsticks ab und an aus seinen Händen – und er hat es manchmal nicht mal gemerkt.
Eigentlich war das kalte Wetter einer der Gründe, warum wir es so aufnahmen. „Do you feel Sexy“ ist so ein Sleaze Song, also beschlossen wir, etwas im Video zu haben, das weniger sexy ist. Kannst du dir etwas Abtörnenderes vorstellen als einen nackten Mann, der aus gefrierendem Wasser kommt? Da gibt es nicht mehr viel zu sehen 😀

Ihr habt diese Comic-Effekte in eurem Video, und auch einige eurer Bandfotos sind im Comic-Stil, wer hat diese Bilder für euch gemacht? Und wie kam es zu der Idee die Bilder in diesem Stil zu machen?
Die Promobilder wurden von Joni Ahonen “Teräskäsine“, Harri Honkala und Ville Vainio gemalt. Wir waren so glücklich, diese Jungs für dieses Projekt zu gewinnen. Es gab zu Beginn eine Idee, ein Comic Buch zum Album zu veröffentlichen, aber dann konnten wir die Mittel dazu nicht aufbringen. Ich hoffe, dass es in der Zukunft mal passieren wird. Im Booklet sind noch einige Bilder von anderen Künstlern, aber der Hauptlook wurde von diesen drei Jungs kreiert.

Dein Bruder Lauri ist auch Teil der Band, findest du es hilfreich, weil er dich unterstützen kann, oder ist er dein anspruchsvollster Zuhörer?
Lauri hat beide Rollen. Auf der einen Seite ist er der kritischste Zuhörer und auf der anderen Seite ist er derjenige, der mir hilft, die Ziele zu erreichen, wenn ich irgendwo hängen bleibe. Es ist eine tolle Sache, jemanden wie ihn in der Band zu haben.

by Markku Oksanen
Wie sieht es mit eurer Bühnenerfahrung aus? Hattet ihr schon Konzerte mit Siberian Jay oder gibt es Pläne dafür?
Die Album Release Party war das erste Konzert von SJ, aber wir werden bald mehr Konzerte spielen, hoffe ich. Es wäre toll, bald einige hier in Finnland zu machen, um das Album zu unterstützen. Aber ich denke, unsere Hauptziele sind im Ausland. Wir würden gerne eine Show oder zwei in Schweden und Estland spielen und natürlich in Deutschland und in den umliegenden Territorien.
Wir haben einen nicht-exklusiven Agenten, der anfangen wird, Konzerte in Deutschland und Umgebung zu buchen, aber die Pläne sind nur Pläne. Wir werden sehen…

Was sind die Pläne für die kommenden Monate in der Band? Was wollt ihr erreichen?
Ich werde mich zuerst auf das Marketing des Albums hier in Finnland konzentrieren, aber zur gleichen Zeit nach einem Label in einem anderen Land suchen zur Lizensierung. Wir sind ziemlich offen für alle Geschäftsangebote von Labeln, Agenten und Managern, weil wir über diese Dinge selber entscheiden können. Wir schmeissen die ganze Sache selber im Moment, und es gib niemanden, der uns sagt, was wir tun können und was nicht. Der Plan ist, international so erfolgreich wie möglich zu werden, aber hier kommen wir wieder zum Realismus, von dem ich schon zuvor gesprochen habe. Auch wenn wir Musik lieben, wird diese Liebe unsere Familien nicht ernähren und unsere Miete und Rechnungen nicht bezahlen, also ist es die Herausforderung, wie man es wirtschaftlich rentabel macht.

by Deneka Peniston
Ok, hast du noch ein paar letzte Worte für die STALKER LeserInnen?
Vergesst nicht die Weisen Worte von The Muff von Naked: “Esst nicht den gelben Schnee” ein Siberian Jay könnte dort hingepisst haben 😀

Danke vielmals und ich wünsche euch alles Gute mit eurem Debüt Album!
Danke vielmals für dieses Interview. Ich hoffe die Leute finden Zeit, unser ganzes Album anzuhören, zum Beispiel auf Spotify, weil einer sonst einen falschen Eindruck von dieser Band bekommen könnte, wenn man uns nach nur einem Song aus diesem Album beurteilt.
https://www.facebook.com/#!/siberianjay
http://www.siberianjay.com

Sandy Mahrer

Fresh Act Redakteurin, Reportagen, Reviews, Fotos - - - Favorisierte Musikrichtungen? - Hard Rock, Heavy Metal und Pop-Rock, etc. Weniger Death, Black, Grind Core