Interviews

Dave Davis (Annihilator, Rock City Riot): Der lange Weg zu Rampage

Es ist gut möglich, dass die Chef-Red den legendären kanadischen Metal-Gitarristen Dave Davis sogar mal persönlich getroffen hat, damals, als Annihilator als Support mit Judas Priest tourten … Was Dave und die genannten Bands sonst noch gemeinsam haben, erfahrt ihr in diesem Interview – gewissermaßen der „siamesische Zwilling“ unseres kürzlich veröffentlichen Chats mit Duane Chaos!

Wie läuft es und woran arbeitest du gerade, David?
Ich arbeite nun hauptsächlich an meinen eigenen Songs, aber 2017 hatte ich musikalisch eine Stagnation und sogar völlig mit dem Jammen aufgehört. Während Covid traf ich mich mit einem alten Freund getroffen und fing an, Golf zu spielen. Er war ebenso frustriert über den kompletten Zusammenbruch der Live-Musik aufgrund der Pandemie und wir beschlossen, gemeinsam musikalisch etwas zu beginnen. Wir wussten nicht so recht, wie unsere ersten Sessions aussehen würden, abgesehen von ein paar Bierchen kippen.

Nachdem wir unsere Instrumente angeschlossen und uns eingestimmt hatten, tauschten wir Blicke aus und beschlossen, „wärmen wir uns mit Sachen auf, die wir alle kennen“ (was unter solchen Umständen eine unglaublich banale und völlig übliche Angelegenheit ist). Es stellte sich heraus, dass jeder im Raum schon mal eine Menge Judas Priest gespielt hatte, und als die Spinnweben aus unseren Köpfen verschwunden waren, wurde uns plötzlich klar, dass wir bereits ein komplettes Set von Judas Priest fertig hatten. Das Ergebnis war eine Judas Priest Tribute Band mit dem Namen Rock City Riot, die sich auf ältere Priest-Songs konzentriert, mit ein paar neueren Stücken wie The Sentinenal und etwas Iron Maiden. Um ehrlich zu sein, wollte ich niemals Covers spielen, sondern nur Originalmaterial, aber es fühlte sich gut an und klang noch besser. Schließlich „erbten“ wir einen Bassisten und einen Sänger plus einen Schlagzeuger von einer lokalen Band und gründeten Rock City Riot. Wir sind nun 2 Jahre alt und unsere Shows werden stetig besser und unsere Fangemeinde immer größer.

Ich arbeite auch an einigem Originalmaterial, das ich in den kommenden Wochen und Monaten vorgestellen möchte. Außerdem habe ich gerade mit der Arbeit an einigen Songs begonnen, die mein guter Freund und Ex-Annihilator-Frontmann/ehemaliger DOA-Bassist Randy Rampage mit seiner Band Rampage aufgenommen hat, kurz vor seinem Tod im Jahre 2018.

Wann hattest du angefangen, Musik zu machen?
Ich habe ein paar Monate vor meinem vierten Geburtstag mit Musik angefangen und bin schon in jungen Jahren vor Publikum aufgetreten. Mit etwa 7 Jahren hatte ich genug davon und entschied mich stattdessen für Sport. Irgendwann hörte ich dann das KISS Alive-Album und dann wurde mir klar, was ich für den Rest meines Lebens machen wollte.

Als ich in Victoria, BC, Kanada, aufwuchs, spielten die meisten Radiosender damals nur Top 40 und Pop-Rock. Es gab eine große Underground-Gemeinschaft,  welche diese Songs verabscheute und schnellere, lautere, härtere und dreckigere Musik wollte. Wir mussten die Bands suchen, die derartige Musik spielten, und dann wurde es erst richtig interessant. Zu diesem Zeitpunkt fing ich auch an, Gitarre in Bands zu spielen.

Es gab Black Sabbath, Kansas, Led Zepplin, Boston usw., aber die Szene nahm erst richtig Fahrt auf, als Van Halen und Blizzard of Oz zusammen mit Screaming for Vengeance von Judas Priests und Blackout von den Scorpions auftauchten. Dio trug ebenfalls diesem Aufschwung bei. Parallel dazu erlebte die Punkszene in Victoria die gleiche Dynamik, bis die Szenen in einer allumfassenderen „Hardcore“-Richtung verschmolzen.

Hast du bestimmte Lieblings-Metal-Bands?
Abgesehen von den oben genannten, stehe ich wirklich auf den aktuelleren Metal. Avenged Sevenfold ist fantastisch und eine lokale Band aus Victoria, Unleash the Archers, steht immer ganz oben auf meinen Playlists. Das neueste Priest-Album hat mich wieder überzeugt, vor allem mit dem  (meiner Meinung nach) Instant-Classic Trial by Fire. Ich mag immer noch meine Post-Annihilator-Band Meatwagon. Wir waren mit Annihilator in Europa auf Tour und haben ein Album aufgenommen, das viele Metal-Fans geliebt haben. Leider waren wir zu dritt und eines unserer Mitglieder ist verstorben, so dass wir diese Band nicht weiterverfolgt haben. Möglicherweise aber nochmal in der Zukunft.

Ich höre auch Children of Bodom, In Flames, Stratovarius, Insomnium, Omnium Gatherum, Wintersun, Dark Tranquillity und viele mehr. An alle, die meinen, dass ihre Musik in diesem Genres passt, bitte schickt mir eure Songs! Ich bin immer auf der Suche nach neuem Metal-Material.

Wann bist du bei Annihilator gelandet und wie kam es dazu? 
Ich bin im März 1989 zu dieser Band gestoßen. Es ist eine längere Geschichte, aber Wayne Darley, einer meiner besten Freunde, war auch mit Randy Rampage befreundet, der gerade als Leadsänger bei Annihilator eingestiegen war. Mein Freund Wayne Darley spielte Bass, kam zu Annihilator und erzählte mir, dass die Chemie mit Anthony Greenham (der später Nickleback managen sollte) als Gitarrist einfach nicht funktionierte. Wayne ermutigte mich, mal vorbeizukommen. Ich fuhr nach Vancouver und spielte bei einer Probe mit Peter Caroll, Wayne und Ray Hartman und alles schien in Ordnung zu sein. Sie mochten die Art, wie ich spielte, und was noch wichtiger war, wie wir zusammenspielten.

Ich musste noch abwarten, bis Jeff von einer Promotour aus Europa wieder zurückkam, um herauszufinden, ob er mich ebenfalls mochte. Ehe er wieder da war, hatte ich mich irgendwie bereits mit dem Rest der Band angefreundet.

Jeff kam zurück, wir spielten ein paar Songs und damit hatte er auch schon entschieden, dass ich in der Band war.

Wie läuft eine Annihilator-Live-Show ab?
Dazu gibt es zwei verschiedene Aspekte. Der eine ist, im Publikum zu sein und der andere ist meine eigene Erfahrung auf der Bühne. Aus der Sicht des Publikums sind die Shows knallhart, wie eine Faust in die Fresse während des gesamten Sets. Pure Energie, welche für die meisten die Temperatur im Saal ansteigen lässt.

Aus der Sicht eines Musikers ist die Erfahrung eine ganz andere, da das Material sehr komplex ist und man sich voll und ganz darauf konzentrieren und alles geben muss. Wenn ich von der Bühne kam, fühlte ich mich durch das Feedback des Publikums einerseits angeregt, andererseits entspannt und freute mich auf ein Bier! Ich war auch vor den Auftritten recht entspannt. Ja, es hat Spaß gemacht, und wir haben uns immer viel dem Publikum gewidmet, aber wenn man das Nacht für Nacht macht, braucht man eine Menge Zeit, um sich zu erholen und vorzubereiten. Glücklicherweise war ich von vielen großartigen Leuten umgeben, die sich um die eher routinemäßigen Aspekte wie Hotels, Fahrten, Flüge, Gitarren, Technik usw. kümmerten, sodass es wirklich sehr angenehm war. Eine wenig bekannte Randnotiz: Jeff Waters mochte die Art und Weise, wie ich Gitarren bespannte, sodass ich sowohl seine als auch meine Gitarren bespannte.

Wie war es in den Jahren mit Annihilator (1989-1991, 1993-2001)?
Jahre? Es kommt mir vor wie „An-hour-lator“ (lacht). Haha – es ist immer noch eine Freude, mich an die Details zu erinnern. Rock City Riot hat Annihilator gecovert und wir haben schon beim ersten Mal buchstäblich einen Song ganz durchgespielt. Ich glaube, es hat mir besser gefallen, als ich dachte.

Das Einzige, worüber ich im Nachhinein grüble ist, wo die Band ohne eine so hohe Fluktuation an Mitgliedern landen hätte können. Ich glaube, dass Annihilator letztendlich viel erfolgreicher gewesen wäre, wäre es eher eine Art Demokratie und wenn die fünf ursprünglichen Mitglieder zusammengeblieben wären. Ich habe bemerkt, dass viele Fans genauso denken und mir dasselbe auch immer wieder mitteilen. Aber wer kann das schon sagen? Jeff Waters hat Annihilator als Unternehmen geführt, und er war in vielerlei Hinsicht erfolgreich. Ich bin dankbar für die Möglichkeit, Teil davon zu sein, und viele Mitglieder verließen die Gruppe aus eigenem Antrieb, also sollten die Fans keineswegs kritisch sein.

Gleichzeitig war es manchmal wirklich brutal. Einer der kritischsten Momente passierte kurz vor der Testament-Tour, als wir in die Vereinigten Staaten einreisen wollten und Wayne Darley, ein grundehrlicher Mensch, dabei ein Jugendstrafregister wegen des Besitzes einer sehr geringen Menge Cannabis offenlegte. Da er zum Zeitpunkt der Tat noch ein Jugendlicher war, hatten die US-Grenz- und Einwanderungsbehörden keinerlei Möglichkeit, dies selbst herauszufinden, aber als Wayne es selbst offenlegte, wurde ihm umgehend die Einreise in die USA verweigert. Das war ein entscheidender und sehr harter Moment für Annihilator. Ich musste sofort von der zweiten Gitarre wechseln, um vor einigen Tourdaten in Japan alle Bassparts  zu lernen. Dafür hatte ich zehn Tage Zeit. Es war auch hart, Wayne aus der Band aussteigen zu sehen. Es wäre für ihn nicht mehr möglich gewesen, auf Tournee zu gehen, nachdem er auf der schwarzen Liste stand.

Spulen wir 30+ Jahre vor – jetzt wollen die USA den Besitz kleinerer Mengen von Cannabis entkriminalisieren. Das nachdem sich die Drogengesetze ausschließlich negativ auf das Leben der Menschen ausgewirkt hatten. Wayne Darley war im wahrsten Sinne des Wortes der harmloseste Mensch auf diesem Planeten und musste wegen derartigen Gesetzen leiden.

Was machst du, wenn du nicht gerade Musik spielst?
Ich spiele Golf, trinke, genieße die neuen Cannabisgesetze in BC und unterhalte mich mit schönen Frauen (lacht). Ich lebe eigentlich ein tolles Leben in Victoria. Ich habe ein großartiges Haus mit Blick auf das Wasser und finde es sehr entspannend und nahrhaft für musikalische Kreativität. Wann immer ich kann, spiele ich Golf mit unserem anderen Rock City Riot-Gitarristen Duane Chaos. Das Leben ist einfach ein Geschenk – ich lebe einen Tag nach dem anderen. Ich rufe auch manchmal Jeff Waters an, um ihn zu fragen, wo meine Tantiemen geblieben sind (lacht).

Ich verbringe allerdings sehr viel Zeit mit der Musik, so dass ich nicht immer die Gelegenheit für alles andere finde, das mir Spaß macht. Ich bin auch ein großer Eishockey-Fan und sehe regelmäßig bei Spielen zu.

Gibt es Zukunftspläne und Projekte?
Ja! Ich habe begonnen, die unveröffentlichten Songs unseres verstorbenen Sängers Randy Rampage mit seinem Gitarristen Duane Chaos und dem ehemaligen Annihilator-Bassisten Lou Bujdoso zu bearbeiten. Randy hatte nur wenige Tage vor seinem Tod ein Studioalbum fertiggestellt. Der Bandname war einfach „Rampage“, er und Duane hatten die Songs geschrieben und aufgenommen. Das Material wurde nicht veröffentlicht, da die Tournee nach seinem Tod zusammenbrach und die Plattenfirmen zögerten, eine Band ohne Leadsänger unter Vertrag zu nehmen. Glücklicherweise trafen wir Lou (den genannten Ex-Annihilator-Bassisten) auf einer Tournee, die uns nach Westkanada führte, und Lou kann immer noch gut singen. Eine Frage stellte sich mir: „Welche Leute werden die Band für die Veröffentlichung des Albums bilden“. Schließlich müssen es Leute sein, die eine Verbindung zu Randy haben, vor allem derjenige, der das Material singt. Glücklicherweise kann Lou den Stimmumfang von Randy zu einem großen Teil nachahmen und ich habe zur gleichen Zeit wie Randy in Annihilator gespielt, also fühlt es sich richtig an.

Während wir das Rampage-Material einstudieren, stellen wir auch Annihilator-Kram für Auftritte zusammen und schreiben auch neue Songs. Wir werden wahrscheinlich den Namen „Rampage“ beibehalten (man beachte, dass die Band nicht „Randy Rampage“ heißt, da Randy das nicht wollte). Randy war der Meinung, dass jedes Mitglied zu gleichen Teilen Anteil an der Band haben sollte. So wie es bei der Gründung beschlossen wurde.

Interview: John Wisnewski
photos: Rock City Riot

GastmitarbeiterInnen / guest contributions

Reguläre GastmitarbeiterInnen u.a. Melanie Kircher, Tatjana Tattis Murschel, Grit Kabiersch, Marina Minkler, Maria Levin, Jasmine Frey, Nina Ratavaara, Elvira Visser, John Wisniewski