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Rock Hard Festival 2019

Den Stau auf dem Weg zum RHF im Ruhrpott umgeht man am Besten ganz einfach, indem man anstatt am Freitagmittag bereits am Donnerstag anreist. Ist alles wesentlich entspannter…….Parkplatzsuche, einchecken auf dem Festivalgelände, Zeltplatzsuche und was eben sonst alles noch so anfällt. Die Sause im Partyzelt aka Satanorium war zwar aufgrund des doch sehr langen Tages recht kurz für mich, macht aber gar nichts – es stehen noch drei krasse und laute Tage vor mir. Ach ja, und man ist am Freitag nach der Ankunft auch nicht gleich schon halb erschlagen.

Vulture – High Speed Metal!

Am Freitag Mittag um 15.00 Uhr geht’s pünktlich mit den Quasi Lokalmatadoren Vulture los, die ihren High Speed Metal der hungrigen Meute um die Ohren knallen. Der Schwerpunkt des Fünfers lag allerdings nicht auf dem aktuellen Album „Ghastly Waves and battered Graves“ sondern auf der EP „Victim to the Blade“, von der gleich drei Songs stammten. In jedem Fall drang den Jungs die Spiefreude förmlich aus den Poren, was man am gekonnten Stageacting durchaus sehen konnte.

Kurz darauf wurde die Messlatte für folgende Bands bereits ziemlich hoch angesetzt, denn es war Zeit für Chapel of Disease. Die Kölner spielten hier ohne großartiges Brimborium ihren erstklassigen Death Metal mit Anleihen aus Siebziger Jahre Progrock. Zu sehen gab es hier nicht wirklich viel, dafür wesentlich mehr zu hören. Ich habe einige Metaller mit geschlossenen Augen gesehen die sich ganz in der Musik verloren haben. Ein größeres Kompliment kann man der Band vermutlich kaum machen. Bei den nachfolgenden Idiots war ich raus. Sorry, die mögen kultig sein, wenn man den Begriff weiter strapazieren will – meins isses nicht.

Lizzy Borden

Die Tygers of Pan Tang habe ich über die letzten Jahre immer mal wieder auf irgendeinem Festival gesehen, meist eher wenig beachtet. Mittlerweile habe ich dann doch Gefallen an dem……..naja, für mich eher Hardrock als NWoBHM gefunden. Sie haben es eben doch noch drauf, die älteren Herrschaften. Und das Publikum belohnt Hits wie „Suzie smiled“, „Don’t touch me there“ und „Gangland“, um nur ein paar zu nennen, doch mit etwas mehr als nur Höflichkeitsapplaus.

Lizzie Borden hab ich vor knapp zwanzig Jahren mal auf dem Wacken Open Air gesehen, hat mich damals nicht so sehr von den Socken gehauen und das, obwohl die zweistimmigen Gitarren doch hin und wieder an Iron Maiden erinnern. Die Maskerade, die Lizzie Borden regelmäßig aufzieht, ist natürlich legendär, auf dem RHF als dreigesichtiges Monster – bei dem bei genauem Hinsehen bereits der Kleber der die Maske hält den Geist aufgibt. Aber was soll’s – das Kostüm muss nur die ersten zwei Songs überstehen, bevor zu etwas bequemeren gewechselt wird. Kurioserweise wird hier mehr Schwerpunkt auf die beiden aktuellen Alben gelegt, etwas ungewöhnlich für eine US-Metalband, die ihre Hochzeit in den späten Achtzigern hatte. Auf jeden Fall gute Unterhaltung, werd ich mir bei Gelegenheit gerne wieder ansehen. Danach wird’s noch theatralischer. Und düsterer. Komisch riechen tut’s auch, aber das ist vllt. nur der Vordermann, oder der nebendran… oder wart mal, egal.

Schwarzmetallische Banner und Feuerschalen werden aufgestellt und Watain erscheinen in der Szenerie. Es folgt eine schwarzmetallische Raserei, die eigentlich keine Rücksicht auf Verluste machen will und doch von den Reglements des Festivals beschnitten wird, obwohl dieses der Band in Sachen künstlerischer Freiheit wohl schon sehr entgegengekommen ist – Dekoration, Pyros, offenes Feuer und so, you know. Das Publikum rastet gar nicht mal so sehr aus, wie ich das bei dieser Band an anderer Stelle schon erlebt habe; liegt vllt. auch daran, dass Watain für einen Gutteil hier ziemlich nebulös und extrem sind, die sofern erstmalig genossen, erstmal argwöhnisch und eher vorsichtig begutachtet werden. Die Schweden reißen für RHF Verhältnisse jedenfalls gut einen ab und je dunkler die Szenerie, desto wirkungsvoller auch die Songs von Daniel Erikson und Co. Am Ende des Abends waren jedenfalls ziemlich alle gut unterhalten und der Humor durfte wieder seinen gewohnt hohen Pegel einnehmen.

 

Carnivore A.D.

Der Samstag beginnt für mich…..mit meinem Frühstück, natürlich…….oder wie fangt ihr frühnachmittags an zu existieren? Musikalisch dann etwas später erst bei Carnivore A.D.. Immerhin zwei Drittel sind Originalmitglieder, aber ohne den Stahlepedää ist das alles irgendwie nur ne halbe Sache. Ich will den Auftritt hier auf keinen Fall schlecht machen, ich hab die gefeiert, behüpft und bebangt, und doch – Esischeinfachnimmedes! Die Kracher wie Carnivore, Predator, Race War und God is dead werden jedenfalls lauthals mitgesungen und die Ordner haben zu recht früher Stunde schon mal einiges zu tun. Aber ein ein Carnivore Auftritt ohne Male Supremacy zu spielen geht mal gleich gar nicht, das wollt ich hier nur noch mal los werden.

 

Mit Heir Aparent folgte für doch recht viele der Anwesenden bereits einer der Höhepunkte des Tages. Die beiden verbliebenen Ur-Mitglieder Terry Alan Gorle und Derek Peace zündeten mit dem begnadeten Sänger Will Shaw ein Melodic Metal Feuerwerk der Extraklasse. Hauptaugenmerk lag an diesem Samstag natürlich auf dem Erstlingswerk „Graceful Inheritance“, von dem die wichtigsten fünf Songs zum Besten gebracht und von gut dreitausend Metallern dankbar gefeiert wurden.

Es wird etwas proglastig im Amphitheater als Michael Romeo, Russel Allen und die restlichen Symphony X Musiker mit Iconoclast vom vorletzten Album loslegen und eine Granate nach der nächsten liefern. Leider wurde ich beim Getränkeholen unverhofft zu einem Bier eingeladen und dann zu noch einem weiteren, na ja – und dann war ich dran, so hab ich nach dem dritten Song von Symphony X leider nichts mehr mitbekommen. Halb so wild, die spielen irgendwann irgendwo wieder.

Cannibal Corpse

Gut gerichtet bin ich dann bereit für Skid Row und mit einigen Freunden um mich herum wird zu Jugendhits wie 18 and Life, Big Guns, Slave to the Grind, Monkey Business und natürlich Youth gone Wild getanzt, gesungen, sich umarmt und Blödsinn gemacht. Was auf der Bühne abgeht, ist da schon eher zweitrangig. War auf jeden Fall ziemlich geil. Als Outro gab es dann noch Country Roads vom Band, was von ALLEN Anwesenden mitgesungen wurde. Musikunterricht in der Schule war wohl doch für was gut, das war damals echt Thema.

Cannibal Corpse schlagen dann natürlich in eine ganz andere Richtung, die Amis starten mit dem fast schon untypisch schleppendem Code of the Slashers und handlen mit den beiden folgenden Titeln Only one will die und Red before Black das gleichnamige aktuelle Album ab, bevor es zu älteren Highlights wie Stripped raped and strangled, Staring through the eyes of the dead oder zum Schluss der Show eben der Klassiker Hammer smashed Face – der aber leider ohne Gesang auskommen muss, weil die Stadt Gelsenkirchen scheinbar besorgt um den Geisteszustand der Metallergemeinde besorgt ist und Angst hat, zartbesaitete Seelen könnten hier Schaden nehmen. Ein Witz! Allein; keiner über den Corpsegrinder oder seine Bandkollegen in irgendeiner Weise lachen könnte. Wutentbrannt, reißt er den Micstöpsel aus dem Amp und stampft von dannen. Man hört noch ein paar Fans den Text grölen soweit möglich. Unwürdiger Schluss eines großartigen Auftritts, leider.

Kai Hansen – Gamma Ray

Als Samstagsheadliner wurde Gamma Ray verpflichtet; hatten wir gerade noch krassesten Todesmetal, kommt es nun zur Life Metal Wiederbelebung durch Kai Hansen und Gamma Ray die mit Land of the Free und Man on a Mission gleich mal zwei Klassiker in die Menge feuert, die, zahlreich erschienen, mit reichlich Applaus und massivem Fistraisen antwortet. Zwischendurch bin ich dann mal ne Weile weg und erst zu dem fantastischen Double aus Rebellion in Dreamland und Heaven can wait zurück. Ich glaub, da hab ich dann auch meine Stimme für die nächsten Tage verloren, spätestens allerdings bei Send me a Sign. Warum man als letztes Stück des Abends unbedingt einen Song vom letzten Album verbrät, muss ich nicht verstehen. Na gut. War trotzdem subber.

Long Distance Calling

Visigoth am frühen Sonntagnachmittag, irgendwie schon gemein. gestern war’s spät und als ich im Fotograben die ersten Bilder machen will, muss ich feststellen dass der Akku alle ist – Was’n Scheiß! Dann halt ohne. Das Utah Quintett startet mit der Single Dungeon Master in die Vollen und bekommt eine ordentliche Bandbreite an Fistraising als Dank, Antwort…..whatever. Mit dem Hit Warrior Queen geht’s in einem fort, das Amphitheater ist für den dritten Tag um diese Zeit bereits ordentlich gefüllt und Visigoth reihen eine Heavy Metal Hymne an die nächste.

Ein Kontrastprogramm gibt es im Anschluss daran mit dem Auftritt von Long Distance Calling, so komplett ohne Gesang ist scheinbar nicht jedermanns Sache und das Amphitheater leert sich doch merklich. Schade eigentlich, ich hab die Münsteraner jedenfalls gefeiert. Viel zu L.D.C. zu sagen gibt’s gar nicht – die musst du erleben und entweder du tanzt, oder eben nicht. Es wurde viel getanzt.

Die folgenden Fifth Angel aus Beinahe Seattle verwöhnen das Publikum dann wieder mit klassischem Heavy Metal und der Platz vor der Bühne füllt sich doch relativ zügig wieder, damit man sich die Songs der beiden, mittlerweile annähernd über 30 Jahre alten Scheiben sowie des aktuellen Comeback Albums um die Ohren blasen lässt. Fifth Angel sind jetzt nicht unbedingt eine Band, die viel Bewegung im Publikum verursacht, es fällt mir aber der ein oder andere scheinbar recht textsichere Zuschauer auf. Ob jetzt Hardrock oder Heavy Metal, soll jeder für sich entscheiden – jedenfalls werden neue Songs vom Third Secret Album wie Stars are falling und Dust to Dust gleichberechtigt wie deren alte Großtaten a’la Seven Hours, We rule, Cathedral und In the Fallout gefeiert. Die folgenden Magnum hab ich mir nicht angesehen, warum auch immer. Der eine sagte, die wären klasse gewesen, einem anderen haben die gar nicht gefallen, ich fand die vor vier oder fünf Jahren auch nicht soo prall. Daher……Wayne interessierts.

Bei Possessed im Anschluß wird’s dann direkt kuschelig or der Bühne. Die dienstälteste Death Metal Band überhaupt legt fulminant mit No more room in Hell von deren neuen Album Revelations of Oblivion los und sorgt aufgrund der Virtouosität dann doch für so einige offene Münder. Jeff Becerra ist offenbar ziemlich gut drauf – jedenfalls ist er, sofern er nicht gerade irgendwelche fiese Wörter ins Mikro sprechbrüllt, fast durchgängig am Grinsen. Sagen tut er nicht viel, oder ich war grad mal wieder aufm Klo als doch. Es lassen sich jedenfalls so einige Helikopterbanger/innen ausmachen und der Circle Pit pulsiert mit jedem Song und findet selbstvertändlich bei The Exorcist und Death Metal seinen Höhepunkt. Sehr geile Show!

Alles hat ein Ende; auch dieses Festival. Zuerst darf aber noch das kleinere Viertel der Big Four ran…..ist natürlich Ansichtssache, schon klar. Nachdem es vor einigen Jahren mit Megadeth beinahe geklappt hat, hat man in 2019 Anthrax zum, ich glaube bereits dritten Mal, verpflichten können. Die hyperaktiven New Yorker Thrasher starten mit einem vom Band eingespielten Intro von Cowboys from Hell, das direkt in Caught in a Mosh übergeht und das ganze Gelsenkirchener Amphitheater steilgeht. Direkt weiter geht’s mit dem Joe Jackson Cover Got the Time, für mich kurioserweise einer der geilsten Anthrax Songs; Ian, Belladonna, Benante und Co. haben sich auf diesem Europa-Abstecher, der ja teilweise zur Slayer Abschiedstour gehört, weitgehend auf die Klassiker im Backkatalog fokussiert und dabei erfreulicherweise das 88er Album State of Euphoria mit etwas mehr Aufmerksamkeit bedacht als in den letzten Jahren – immerhin drei Songs von dem Album. Das war mein Anfixalbum von Anthrax und Anthrax die erste Band, die ich mit zarten elf Jahren aufm Monsters of Rock zu Gesicht bekommen hab……..wenn auch nur aus der Ferne. Nuja, wie von den New Yorkern gewohnt, ist auf der Bühne mächtig Alarm geboten und mit einem Soundtrack von Medusa, das quasi unverzichtbare I am the Law, Medusa, A.I.R. und dem Rausschmeißer Indians geht ein weiterer großartiger Anthrax Gig und ein noch großartigeres Festival zu Ende. Amen.

Anthrax

Björn Schmiterlöw

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