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Faith No More

23 Juni 2015 Sporthalle Hamburg

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Die vor kurzem erfolgte Wiedervereinigung der 1998 aufgelösten, legendären Crossover Band Faith No More schlug hohe Wellen. Ihr neues Album „Sol Invictus“ – erschienen im Mai 2015 – war mit Spannung erwartet worden und stieß schnell auf Begeisterung. Nun touren sie wieder, so auch in Hamburg. Ein Strom von Tausenden junger und alter Fans füllte die Züge und Busse der Nahverkehrsmittel, die Hamburger Sporthalle sah ausverkauft aus.

Den Support machte die bosnische Band Dubioza Kolektiv. Ihr slawisch-östlicher Stilmix aus Hip-Hop, Punk, Reggae und Rock, gemischt mit Balkan Folklore sollte gut zu der unkonventionellen Genre-Mixtur von Faith No More passen. Die acht Mann starke Band wirbelte energiegeladen über die Bühne, zwei Frontmänner sorgten vorrangig für Hip Hop Stimmung, begleitet von harten Gitarrenriffs und immer wieder folkloristisch durchbrechenden Saxofon-Soli. Hier war Punk, Party und Spaß angesagt, dynamisch und wild.

Bekleidet wie eine Sportmannschaft – passenderweise hier in einer Sporthalle – war der Auftritt äußerst sportiv. Die Halle war von Beginn an gut gefüllt, das Publikum nahm die Slawen wohlwollend an. Auf der Band-Website kann man übrigens ihr vorletztes Album „Apsurdistan“ (2013) gratis downloaden. Das Album „Wild Wild East“ (2011) wurde von Faith No More-Bassist Billy Gould auf seinem Label Koolarrow Records herausgebracht. 2003 gegründet, zählen Dubioza Kolektiv mittlerweile zu den bekanntesten Bands vom Balkan.

Der Umbau der Bühne erfolgte reibungslos professionell und überaus schnell. Alles wurde in jungfräuliches Weiß gekleidet, von üppigen (künstlichen) Blumenarrangements dekoriert. Auch die Musiker von Faith No More erschienen in Weiß, vielleicht als konträrer Gegensatz zu dem sonst in Metal- und Rockzonen vorherrschenden Schwarz…

Sie eröffneten mit dem neuen Song „Motherfucker“, den sie 2014 auch schon als erste Single herausgebracht hatten. Danach folgte anderthalb Stunden lang eine wohldosierte Mischung der wichtigsten alten Hits der 90er Jahre wie „We Care A Lot“, „Epic“, „Ashes To Ashes“ oder der Ballade „Easy“ mit Songs aus dem neuen Album. Rock, Funk Metal, Pop, HipHop als bewährte Mixtur.

Der Unterschied zwischen damals und heute wurde live erkennbar: die alten Stücke waren trotz Stil-Crossover eingängiger, die Melodien gradliniger, die Kompositionen frischer und direkter. Im Unterschied dazu sind die neuen Songs nach der 18jährigen Pause verwinkelter und komplexer, durchaus interessant und kraftvoll, aber im Konzert nicht so unmittelbar packend.

Anstelle von Hip-Hop-Elementen früherer Jahre brachte Sänger Mike Patton mehr die Kraft seiner Stimme, teils anarchistisch durchrissen von experimentellen Vokaleinlagen per Megafon oder gar in den Mund gestopften Mikrofon; hier grüßten die Einflüsse seiner Solo-Projekte. Klar, um ihn drehte sich alles auf der Bühne und stimmlich war er voll da – die berühmte Bandbreite und der enorme Ausdruck seiner Stimme von tief-rauchig bis schrill-schreiend, von opernhaft schwelgend bis klangvoll singend gab er, was er konnte. Am Mikrofon zeitweise begleitet von Keyboarder Roddy Bottum.

Die Band spielte, als hätten sie sich nie getrennt, eine erfahrene Einheit. Sehr beeindruckend, wie real und genau im Sound auch alle alten Songs klangen. Die etlichen tausend Besucher feierten mit, selbst auf den hinteren Reihen oben wurden die Refrains der alten Hits mitgesungen. Die neuen Songs müssen sich allerdings erst durchsetzen und ihre Bekanntheit entwickeln, wobei diese eben nicht so zum Mitmachen einladen wie das frühere Material.

Man kann sagen: Faith No More sind zurück. Allerdings gilt für sie das, was sich schon Ende der 80er Jahre gezeigt hatte – ohne ihren Sänger Mike Patton wären sie eine Rockband unter vielen. Erst Patton schafft es, die musikalische Qualität einzigartig zu machen.


photos: Andreas Torneberg

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Andreas Torneberg

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