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Valonkantajat: Die dunkle Seite des Morgensterns

Melancholisch, düster und rau ist die Musik von Valonkantajat, genau so wie die finnische Landschaft. Dennoch hat sie etwas Mystisches, Anziehendes und gar Romantisches, wenn man genau hinsieht. Valonkantajat verkörpern auf ihrem Debüt Album „Tuomittu Elämään“ perfekt die nordische Melancholie mit ihren ausschliesslich finnischen Texten. STALKER hat mit Mastermind Jaake Nikkilä über dieses Album gesprochen und mehr darüber erfahren, warum Finnen sind wie sie sind!

Hallo, könntest du erst einmal die Band und die Bandmitglieder vorstellen?
Valonkantajat ist eine finnische Band, die tiefer gestimmten Rock mit Metaleinflüssen spielt. Die Lyrics sind in Finnisch. Valonkantajat sind: Jaake Nikkilä – Gesang und Gitarre, Ville Saloranta – Gitarre, Juha Korpinen – Schlagzeug and Markus Salo – Bass.

Die Band wurde 2010 gegründet, also vor nicht allzu langer Zeit, wie hat denn alles mit Valonkantajat angefangen?
Ich habe einige Jahre lang mit Juha Korpinen (Schlagzeug) und Ari Vikman (Bass) zusammen in einer Cover-Band gespielt, als ich das Bedürfnis verspürte, wieder eigene Musik zu schreiben und zu performen. Musik, die einiges härter war als die, die wir in der Cover-Band spielten. Daher habe ich Juha und Ari gefragt, ob sie dieser neuen Band beitreten wollten. Das war im Frühling 2010. Später stieß Ville Saloranta zur Band und da waren wir, Valonkantajat. Ari Vilkman hat die Band am Ende von 2011 verlassen und Markus Salo hat Anfang 2012 seinen Platz übernommen.

Wieso habt ihr den Namen Valonkantajat ausgewählt? Es bedeutet „Der Überbringer des Lichts“, was ein anderer Name für Luzifer ist. Luzifer ist das lateinische Wort für Morgenstern, aber in mittelalterlichen Zeiten wurde es, offiziell, der Name für den Teufel – was wollt ihr denn mit dem Namen repräsentieren? Den Teufel oder den Morgenstern? Oder ist es eine doppelsinnige Bedeutung, wieso ihr den Namen gewählt habt?
Die letzte Vermutung war richtig! Ich mochte den Namen, weil er diese versteckte dunkle Seite hat. Nicht so viele Leute in Finnland kennen diese andere Bedeutung für Valonkantajat, daher ist der Name perfekt für uns: die Oberfläche scheint harmlos und unbedenklich, aber dann ist da diese böse Seite, die nur wenige kennen. Genau wie die Wahrheit im reellen Leben oftmals auch ist.

Die Lyrics auf eurem Debut-Album “Tuomittu Elämään” sind alle recht melancholisch und traurig wie ich sie verstanden habe, und sie handeln von Tod, Verlust und dem Bedauern, könntest du uns vielleicht ein bisschen mehr über die Lyrics und deren Inhalt erzählen?
Ja, die Lyrics sind Geschichten des echten Lebens in Finnland, auch wenn viele von ihnen auch überall auf der Welt hinpassen würden. Ich habe recht viel in meinem Leben gesehen und erlebt, daher steckt recht oft eine wahre Geschichte hinter den Liedtexten. Tuomittu elämään (“Verurteilt zu leben”) erzählt eine Geschichte, die recht üblich ist für uns Männer im Osten oder Norden Finnlands: Wie können diese schüchternen Männer einen Partner für´s Leben finden, wenn die Wahlmöglichkeiten dafür gering sind und wenn die Realität die ist, dass deren Fähigkeiten flüssig zu kommunizieren, zu lieben und geliebt zu werden minimal oder nicht vorhanden sind? Diese Männer sind in einer Art und Weise dazu verurteilt, ihr miserables, einsames Leben mitten im Nichts zu leben, in dem Haus, das sie von den Eltern geerbt haben. Sie haben nicht die Fähigkeit oder den Mut, das kleine Dorf zu verlassen und die Welt außerhalb zu konfrontieren. Daher ist, in Kurzform, die Nachricht von mir an diese Männer “Ich verstehe euch und wie hart euer Leben ist“.
Ein weiteres Lied des Albums, Hiljainen mies (“Ruhiger Mann”) gibt uns eine Erklärung über den finnischen Nationalcharakter, Männer und Frauen, aber besonders Männer: meiner Theorie nach haben das raue nordische Klima und die Natur das Lachen, die Freude und Lebhaftigkeit aus den Gesichtern vertrieben. Hunderte von Jahren konnten nur die Stärksten (und Verrücktesten) in der Härte der Umgebung überleben, und wir sind immer noch so, auch wenn es jetzt wesentlich leichter ist in Finnland zu leben, als es früher war. Wir zeigen immer noch nur ungern unsere Gefühle (meistens offenbaren wir sie nur, wenn wir betrunken sind) und wir genießen es oftmals, isoliert zu sein und mit niemanden sprechen zu müssen 🙂 Das ist total normal für uns, weil uns die finnische Natur dementsprechend erzogen hat.

Alle Kompositionen und Lyrics wurden von dir, Jaake, geschrieben, kannst du uns denn erzählen, was dich inspiriert und woher du die Ideen für neue Lieder und Lyrics bekommst?
Ich bekomme Ideen von allem was ich sehe, höre und erlebe. Ich bin eine Art Anthropologe, wenn es darum geht, wie ich mich für das menschliche Verhalten in den verschiedenen Gruppen und Situationen interessiere. Ich versuche einen Grund für Dinge zu finden, und dann schreibe ich eine Geschichte darüber, in Form von Lyrics oder einem Lied. Manchmal ist es etwas aus dem Alltag, zum Beispiel, dass Leute mehr und mehr durch die Arbeit gestresst und ausgebrannt sind und dadurch dann so nach und nach geliebte Personen verlieren, oder dann einfach Dinge, die mich ärgern, wie Religion oder ignorantes und leichtsinniges Verhalten von Leuten, egal ob gegenüber der Natur oder etwas anderes.
Die musikalischen Ideen kommen einfach ganz plötzlich. Ich weiß nie wann oder woher eine Melodie kommt, und dann muss ich meine Gitarre nehmen und die Melodie in mein Handy oder ein anderes Aufnahmegerät singen, denn sonst würde ich es vergessen. Daher ja, es gibt einige seltsame Musikdateien auf meinem Handy, aber das ist wie ich später darauf zurückgreifen kann und weiter daran arbeiten kann, wenn die Idee vielversprechend ist.

Auf Finnisch zu singen schränkt die Möglichkeiten für eine Band ein. Es macht es vielleicht schwerer im Ausland zu spielen, auch wenn ich auf eurer Homepage gelesen habe, dass ihr schon gute Rückmeldungen aus dem Ausland bekommen habt, stimmt das?
Ja, das war ein Risiko, das wir absichtlich in Kauf genommen haben. Wir wussten, dass es fast unmöglich ist, im Ausland bekannt zu werden, wenn wir in unserer Muttersprache singen, aber auf der anderen Seite planen wir nicht, bekannter zu werden als die Beatles, die hauptsächliche Zielgruppe sind finnische (oder estnische) Hörer, und wenn wir es schaffen, auch ausländische Fans anzuziehen, dann macht es uns noch eine Spur glücklicher. Die estnische Folk-Metal Band Metsätöll hat Liedtexte auf Estnisch, aber es hat sie nicht davon abgehalten, eine erfolgreiche US-Tour in diesem Herbst zu haben. Man weiß also nie, was passiert 🙂

Da bleibt dann noch eine Frage – wieso hast du entschieden, in Finnisch zu singen?
Ich habe mit meinen vorige Bands auch Liedtexte auf English geschrieben, aber mit Valonkantajat wollte ich viel mehr in die Qualität der Lyrics investieren. Ich wollte bedeutungsvolle Geschichten erzählen, nicht nur leere Worte in passende Zeilen gepackt. Ich kann mich viel besser auf Finnisch ausdrücken, nicht nur weil ich ein größeres Vokabular nutzen kann, sondern auch weil ich recht schnell herausgefunden habe, dass man manche finnischen Ausdrücke einfach nicht ins Englische übersetzen kann, ohne etwas Wichtiges vom Gefühl des originalen, finnischen, Ausdrucks zu verlieren.

Es war recht schwer ein paar mehr Dinge über die Band herauszufinden, da fast alles auf Finnisch ist, plant ihr denn die Sachen auch auf Englisch zu übersetzen für ausländische Fans, oder wollt ihr euch auf das finnische Publikum konzentrieren?
Wir haben eine englische Biografie auf unserer Myspace-Seite und (jetzt, wo du es erwähnst) die gleiche Biografie wurde auch zu unserer Facebook-Seite hinzugefügt. Wir hatten eine englische Version unserer Homepage, aber nachdem wir das Layout der Seite geändert hatten, fiel diese Version raus. Das ist vielleicht deshalb passiert, weil wir uns mehr darauf konzentriert haben, unsere Facebook-Seite mit Updates zu bestücken als unsere Homepage. Wir haben ein paar Updates auf Englisch veröffentlicht, und mehr werden kommen, wenn wir mehr ausländische Hörer haben. Dank automatischer Übersetzung können die meisten Fans verstehen was los ist, auch wenn es auf Finnisch ist.

Ihr habt ein Video zu eurem Song “Lupaus” (http://youtu.be/aujnY8UNOkg) gemacht, wo habt ihr es denn gedreht? Es sieht nach einem netten Ort aus! Wieso habt ihr diesen Song für ein Video gewählt?
Hah, das Video wurde ungefähr zwei Kilometer von meinem Haus in Porvoo in der Natur gedreht. Eigentlich wurde fast das ganze Material für das Video innerhalb weniger Kilometer vom meinem Haus aus gedreht, daher kann ich sagen, dass wir uns einen schönen Platz ausgesucht haben, um ein Haus zu bauen. Ich mag unberührte Natur, und davon gibt es so einiges wo ich wohne. Und trotzdem nicht weit von der Stadt und Zivilisation weg
“Lupaus” (= Versprechen) wurde für das Video ausgewählt, da es einer meiner Lieblingslieder ist und auch von dem Rest der Band. Es hat das gewisse Etwas, was die anderen Lieder des Albums nicht haben. Die Lyrics erzählen von einer nicht ganz so gesunden Person, die sich so sehr in die Natur verliebt, dass alles andere an Bedeutung verliert. Es klingt verrückt, aber wir haben eigentlich eine bekannte Person in Finnland, die so ist. Er hat seine Familie verloren auf Grund dieser zu starken Liebe für die Natur. Im Chorus fragt diese Person die Natur, ein Versprechen abzugeben: „Bitte, könntest du mir versprechen, mich bis an das Ende meines Lebens zu lieben?“ Daher kommt der Liedtitel.

Man könnte vermuten, dass mit der Band bisher alles recht reibungslos lief, gegründet 2010 und schon einen Vertrag zu haben klingt recht vielversprechend für die Zukunft, aber ich habe in der Bandbiographie gelesen, dass ihr einige Schwierigkeiten und harte Zeiten hattet, was war los?
Nachdem wir unsere erste EP 2011 veröffentlichten (und herausfanden, dass wir damit nirgendwo einen Plattenvertragen bekommen würden) haben wir uns entschlossen, später im Jahr ins Studio zu gehen und ein volles Album aufzunehmen und dann hart um einen Master-Deal mit einer Plattenfirma zu kämpfen. Eine finnische Plattenfirma war von Anfang an an uns interessiert, und ihr Interesse wuchs als sie hörten, was für ein Material wir im Studio produziert hatten. Deshalb haben wir die Verhandlungen für einen Master-Deal und einen Deal für Konzertverkäufe in einem begonnen. Ich habe mich bei der Finnischen Musiker Gewerkschaft registriert, um einen Rechtsanwalt für die Details des Deals arrangieren zu können. Nach 6 Monaten voller Verhandlungen stand alles fest, wir hatten vielen Dingen zugestimmt und der Vertrag konnte unterschrieben werden. Dann schickte die Plattenfirma eine kurze Nachricht, dass sie sich vom Deal zurückziehen. Einfach so. Alles was übrig blieb, waren 6 Monate verschwendete Zeit und Anstrengung, und wir musste wieder von vorn anfangen, einen Partner zu finden. Glücklicherweise fanden wir Violent Journey Records nur ein paar Monate später und waren erleichtert, dass wir endlich einen Verleger für unser Debütalbum gefunden hatten. Im Endeffekt sind wir zufrieden, dass wir mit VJR arbeiten anstatt mit der ersten (größeren) Plattenfirma: es fühlte sich an, als wären wir immer die letzten auf ihrer Wichtigkeitsliste gewesen, als die Verhandlungen liefen.

Auf den Promo-Fotos, im Video und auch live tragt ihr immer schwarze Kleidung und rote Krawatten, was hat es damit auf sich? Gibt es dafür einen besonderen Grund?
Es ist unsere Uniform. Etwas, durch das wir erkannt werden können und was andere Bands nicht haben (zumindest keine, die wir kennen). Unser Logo hat die gleiche rote Farbe mit schwarzem Hintergrund. Und das Positive mit dieser Kleidung ist, dass wir uns nie Gedanken darüber machen müssen, was wir bei Auftritten anziehen, da wir immer die gleiche Uniform haben 🙂

In eurer Biographie steht auch, dass ihr alle erfahrene Musiker seid, in was für Bands habt ihr denn vor Valonkantaja gespieltt?
Ich hatte zwei Bands, Damage (Thrash Metal) und Fleam (Metal Rock), Ville hat bei Murdershock (Death Metal) gespielt, Markus in Re-Armed (Extreme Metal) und Elevensun (Doom), und Juha in einer Coverband mit dem Namen Vepasto.

Ich war auf eurer CD-Veröffentlichungs-Party im Semifinal, es scheint als hättet ihr schon einen guten Fanclub. Manchmal dachte ich, ich sei auf einem Backstreet Boys Konzert, da waren sogar Mädchen mit einem Poster in der Menge und einige riefen “Jarkko”, ist das immer so auf euren Konzerten?
Hah, ich wünschte es wäre so, aber nein. Diese „Mädchen“ waren meine Kollegen, die ein bisschen Spaß mit diesem Poster hatten. Sie haben mir das Poster nach dem Auftritt gegeben, und jetzt hat es meine 5 Jährige Tochter, da es „so viel tollen Glitzer“ drauf hat.

Jarkko hat mir erzählt, dass du Lehrer bist, ich würde raten, dass du Geschichte oder Theologie unterrichtest, oder liege ich damit komplett falsch?
Eigentlich unterrichte ich Biologie und Geografie. Es passt zu meinem Atheismus, da wir Naturwissenschaftler nicht so begeistert über Religionen und andere Aberglauben sind. Würde ich Theologie unterrichten, dann könnte ich mich nicht davon abhalten, den Studenten vernünftig zu erklären, dass die Existenz von überirdischen Dingen wie Gott sehr unwahrscheinlich ist. Diese Einstellung kann auch in den Lyrics von Valonkantajat gefunden werden, als Kritik an Religionen und den Problemen, die durch eben diese entstehen

Ich kann mir vorstellen, dass deine Studenten wirklich froh darüber sind, einen so coolen Lehrer zu haben, der in einer Rockband spielt, oder was für eine Reaktion hast du bisher von deinen Studenten bekommen?
Einige sind natürlich total angetan davon, aber da die meisten von ihnen Hip-Hop und Pop hören, beeinflusst es die normale Schularbeit nicht wirklich. Einige Studenten haben mich, dennoch, nach einem Autogramm gefragt.

Das Jahr ist bald vorbei, wie sehen die Pläne für den Rest des Jahres aus und was ist für nächstes Jahr geplant?
Wir planen, zwei Konzerte im Süden Finnlands zu spielen, und hoffentlich viele weitere im nächsten Jahr, auch bei Festivals. Wir hatten nicht lange Zeit, das neue Material zu proben, daher freue ich mich darauf. Wir müssen uns entscheiden, wann wir ein zweites Album aufnehmen, daher gibt es Einiges zu planen für das kommende Jahr.

Man sagt, dass laut dem Maya-Kalender am 21. Dezember die Welt untergehen wird – wenn dem so sei, was würdest du am liebsten noch davor machen?
Ich bin sehr glücklich darüber, dass wir es geschafft haben, unser Debütalbum vor dem Weltuntergang zu veröffentlichen. Scherz beiseite, ich würde eine Menge Zeit mit meiner Familie verbringen, wenn die Welt untergehen würde. Aber da es nicht so ist und viele Tage im Kalender noch übrig sind, werde ich ganz fröhlich mein Leben weiterleben. Meine Musik mag depressiv klingen, aber das heißt nicht, dass der Komponist selbst auch depressiv ist. Ich genieße mein Leben 🙂

Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen und meine Fragen beantwortest hast. Ich wünsche euch alles Gute für die Zukunft und hoffe, euch bald wieder auf der Bühne zu sehen!
Danke für die interessanten Fragen. Man sieht sich auf den Konzerten!

Weitere Informationen über Valonkantajat hier:
http://www.valonkantajat.com/
http://www.youtube.com/user/Whereismyskin/videos
http://www.myspace.com/valonkantajat
https://www.facebook.com/pages/Valonkantajat/154609347929737?ref=ts

Sandy Mahrer

Fresh Act Redakteurin, Reportagen, Reviews, Fotos - - - Favorisierte Musikrichtungen? - Hard Rock, Heavy Metal und Pop-Rock, etc. Weniger Death, Black, Grind Core