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Myötätuulirock Festival 2007

Bei finnischen Festivals sollte auf alle Fälle beachtet werden, dass sie ihre Namen nicht zu Unrecht tragen… für den Fan ist das schon mal ein Hinweis auf die benötigte Ausrüstung (siehe etwa „Sauna Open Air“ = so wenig Kleidung wie möglich). Für das Myötätuuli (= Rückenwind) Rockfestival sollte also ein Windjäckchen in der Ausrüstung nicht fehlen, denn auch wenn die Sonne kurz vor Mittsommer erst so gegen 21:30 Uhr hinter den Hügeln verschwindet, kann es schnell unangenehm kühl werden.

Ansonsten können sich Finnland-Touristen ruhig zum MTR in Vantaa wagen, denn von Helsinki (Zentrum) aus ist das Areal per Linienbus leicht und bequem zu erreichen. Klein, aber fein, auf übersichtlichem Areal, vor 11 Jahren (damals noch als „Bikini Summer Event“) ins Leben gerufen, völlig auf finnische Bands konzentriert und seit 2003 ein Zwei-Tage-Festival. 2006 gab es durch Lordi einen Besucherrekord (10.000 Leute); diesmal waren erstmals zwei Bühnen aufgebaut, die laut den Organisatoren den Ablauf ungemein erleichterten. Und du kannst dir wirklich das gesamte Programm ansehen, da es keine Überschneidungen gibt. Wenn du Glück hast, siehst du im Publikum auch prominente Gesichter, wie etwa Eicca von Apocalyptica…

Samstag, 16. Juni 2007
Machine Men
Ins Festival stimmten uns die Jungs von Machine Men ein. Sie standen als erste auf der Bühne und heizten den sich bereits eingefundenen Fans mächtig ein. Ein Hit nach dem andern, von der neuen CD „Circus Of Fools“ ( No Talk Without The Giant, Ghost Of The Seasons, The Shadow Gallery) und von alten Scheiben erklangen übers Festivalgelände. Das Wetter wurde mit den Liedern immer besser, und zum Abschluss durften wir Sänger Antony dann auch noch ohne Brille bewundern. Die wenigen hundert Besucher, die schon da waren, starteten mit Machine Men ein geniales Festival-Wochenende. (SM)

Ensiferum
Die Wikinger sprangen kurzfristig ein, da Stam1na wegen des verletzten Drummers absagen mussten. Eine gute Wahl, wie sich durch die Sprechchöre schon vor Beginn des Gigs zeigte, und die Stimmung blieb den gesamten Gig über trotz der frühen Stunden im Hoch. Petri, Markus & Co bliesen den Fans vorwiegend Hits des aktuellen Albums „Victory Songs“ um die Ohren, u. a. One More Magic Potion, Wanderer und Ahti, bei letzterem übernahm das Publikum dankbar den Refrain und forderte anschließend lautstark „Lai Lai Hei“, was die Jungs (und das Mädel) auch prompt spielten. Mit „Iron“ war schließlich Schluss, aber bei Ensiferum gilt: Jedesmal ein Hammer! (KW)

Blake
Die Gruft Rocker von Blake legten gleich mit ihren bekanntesten Liedern Come Down und Two Way los. Hier vereint sich interessante neuartige Musik mit einer Stimme, die nicht alltäglich ist, und Blake machen daraus ein Erlebnis, das für sich spricht. Allerdings ist die Band live nicht wahnsinnig spannend, da wenig Bewegung auf der Bühne herrscht. Da Sänger Aaro auch noch der Leadgitarist der Band ist, blieb auch diesmal nicht viel mehr als vier Statuen, die sich auf der Bühne kaum regen und geile Musik machen. (SM)

Kotipelto
Der Engel im Speedmetal Himmel über Finnland. Dieser Mann, diese Stimme sind kaum noch zu toppen. Keiner singt die Songs mit so viel Hingabe und Gefühl wie Timo Kotipelto, die Stimme von Stratovarius. Mit seiner eigenen Band hat er endlich die Möglichkeit gefunden, seine Gefühle mit seinen Liedern zum Ausdruck zu bringen. Gerade Songs wie „Take me Away“ sind dem nachdenklichen Finnen wie aus der Seele geschrieben. Ein gelungenes Konzert für Herrn Kotipelto, der sich hier als Verstärkung Drummer Mirka Rantanen von Thunderstone und Keyboarder Robert Engstrand.  dazugeholt hatte, die ihn in seiner Kreativität unterstützten. (SM)

Mokoma
Dieser Act war mit Sicherheit der härteste an diesem Tag, wenn nicht beim gesamten Festival. Beschreiben wir es mal als Old School Bay Area Thrash, Marke Metallica vor dem Black Album (und bei diesem Gig bauten Mokoma auch ein Metallica-Zitat in ihren letzten Song ein) plus etwas Pantera und Rammstein, mit finnischen Texten. Sänger Marko Annala wird in seiner Heimat übrigens als einer der besten Lyriker gefeiert… Heftig abgefeiert wurde abschließend auch die gesamte Band, nur war wegen dem strikten Zeitplan keine Zugabe möglich. (KW)

Leverage
Für diese Band gibt es nur einen Ausdruck: „Tides“ wie auch der Name des aktuellen Albums. Denn sie kamen wie eine Tsunami-Welle über Finnland und haben innerhalb von kurzer Zeit durch charmante Art die Herzen der Fans erobert, was man auch hier unschwer erkennen konnte. Bevor nur einer der Herren die Bühne betrat, wurde schon lautstark der Name von Sänger Pekka Heino gerufen, und als sie dann endlich auf der Bühne versammelt waren, folgten Songs wie „Superstition“, „Dreamworld“, „Twilight Sinfonie“ und das herzzerreißende „Stranger“, das Sänger Pekka sichtlich nahe ging. Hoffen wir, dass die Band nicht so schnell wie (Mode)Wellen auch wider verschwindet, sondern zu einem großen Sturm heranreifen kann. (SM)

Maj Karma
Ein weiteres finnisches Phänomen mit Pop/Rockstarstatus, das es nach einem Clockwork Orange Soundtrack Intro überraschend punkig anging. Denn sonst finde ich, dass melancholischer Düsterrock eher die Stärke dieser Band ist. Sänger Herra Ylppö kommt zwar sehr charismatisch rüber, doch seine Stimme passt besser zu balladenhaften Tracks, wie dem Radiohit der Band „Sodankylä“. (KW)

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kotipelto (4)

Poisonblack
Ville Laihiala, Ex-Frontmann von Sentenced, gab uns mit seiner eigenen Band die Ehre. Im leicht angetrunkenen zustand betrat Ville mit seinen Mannen Keyboarder Marco Sneck, Drummer Tarmo Kanerva, Gitarrist Janne Markus, und Bassist Antti Remes die Bühne. Es war bereits halb zehn, aber noch taghell, als die düsteren Töne von „Rush“ und „Nothing Else Remain“ erklangen. Ville schien seinen Spass vor allem mit den weiblichen Fans zu haben, die ihm reihenweise zu Füßen lagen. Ein Lächeln, da ein Grinsen, aber hauptsächlich die Augen geschlossen, denn man sollte sich doch besser aufs Singen konzentrieren, da der Gesang diesmal sehr zu wünschen übrig ließ und Herr Laihiala erst gegen Schluss anfing, die Töne zu treffen. Aber trotzdem immer sehenswert. (SM)

Kotiteollisuus
Das Trio, das mit einer so herrlichen „Leck mich“ Attitüde ans Werk geht, kann auch mich immer wieder begeistern. Wenn ich nur die Texte verstehen würde… diese finnische Version von Motörhead hatte neben ihrem dreckig-rotzigen Metal auch ebensolche Ansagen parat, zeigten sich also wieder einmal nicht nur als Musiker mit schrägem Humor, sondern auch als professionelle Entertainer. Wenn nur nicht alles in Finnisch wäre… (KW)

Sonntag 17. Juni 2007
Der zweite Tag überraschte und enttäuschte hauptsächlich wegen konstantem Regen, der jedoch die wahrlich hingebungsvollen Negative-Fans wenig beeindruckte: Sie trotzten mutig dem Wetter und sicherten sich Plätze in den vordersten Reihen, lange bevor die Glam-Rocker endlich am Abend die Bühne erklommen. Es war nicht nur der Abend, der Aufregung versprach, sondern das gesamte Programm, wo die Bands ein hübsches Line-Up boten: Bleak, Privat Line (echte MTR Veteranen) und Carmen Gray. Und die Auftritte waren nicht die einzige Gelegenheit, die Musiker zu sehen, denn danach kamen sie gerne ins Publikum, um Autogramme zu geben, vor Kameras zu posieren und Spaß zu haben, also kümmerte sich keiner ums Wetter!

Bleak
Wir können nur empfehlen, diese Band im Auge zu behalten, das ist Qualitätsrock mit tollem Gesang und charismatischem Frontmann, der – nicht wirklich überraschend – hauptsächlich weibliche Fans anspricht und immer mehr davon an sich zieht. Auf den ersten Blick würdest du nicht glauben, dass es Finnen sind, da der Sänger etwas an US-Nu-Metal an sich hat, was hierzulande aber nichts Ungewöhnliches ist. Bleak sind frisch und klingen solide und selbstbewußt für einen Newcomer. Diese Band verfügt auch über einen der besten Gitarristen Finnlands, Mr. Crabby, der nicht nur wegen seiner Haarpracht auffällt – eine wirklich hübsche Band. Musikalisch dürfte das emotionale Set wohl jeden beeindrucken, auch wenn er nicht mit dem Material vertraut ist. Im vergangenen Jahr nahmen Bleak den Soundtrack für den Finnischen Film „Der Jadekrieger“ auf, nun auch Live ein Hit – bei „Fate“ sangen alle jedes Wort mit. Der Sänger hält sein Publikum in Bann – er hüpft, kniet nieder, kommt sogar in die Menge, klettert wieder zurück auf die Bühne… dabei verlor er diesmal fast seine Hose, was das weibliche Publikum wohl nicht störte, und hinterließ nicht nur deswegen einen positiven Eindruck, der der Band wohl viele neue Fans einbrachte.

Negatie
Kein Regen kann die Stimmung der Jungs trüben, und jenes ihrer ekstatischen Anhänger! Die Show, so ausgefeilt und delikat, zeigte die beste MTR Lichtshow, sodass du auch als Nicht-Fan dieses Genres gar nicht anders kannst als diese positive Energie und echte Freude zu genießen. Jonne war spielfreudig und aktiv wie nie, jedoch nicht ohne dramatische Gestik und Mimik. Der süßeste der blonden Finnen kletterte rum, wo es nur ging, verteilte Küsschen – fast unmöglich, noch näher am Publikum zu sein als Jonne! Er sieht jetzt sogar noch jünger aus als früher, als ob die Band gerade erst angefangen hätte. Sir Christus war ebenso aufgeblüht, mit verführerischem Lächeln und leuchtenden Augen, was bei den Teens gut ankam. Christus wird von Konzert zu Konzert rosa-roter: zuerst Gitarre, nun das Outfit – dazu Zigaretten in Pink! Was kommt als nächstes? Kein Wunder, dass die Mädels behaupteten „Christus ist göttlich!“, während Jonne die klassischen rosa Rosen in Publikum warf. Rosen im abendlichen Regen, dazu Songs, die tragische Liebesgeschichten behandeln, gefühlvoll umgesetzt, Teens, die atemlos jede Geste mitverfolgen, zu Tränen gerührt – was für ein unschuldiger und süßer Anblick! (MS)

Sandy Mahrer (SM), Klaudia Weber (KW), Marina Sidyakina (MS)

Contributors

Klaudia Weber

Rücksichts- und gnadenlose Diktatorin, kniet vor mir! Anders gesagt: Chefredakteurin, Übersetzerin, Webseiten- und Anzeigenverwaltung, also "Mädchen für alles" - - - Schwerstens abhängig von Büchern (so ziemlich alles zwischen Herr der Ringe und Quantenphysik) und Musik, besonders von Metal finnischer Prägung. Weiters Malen, Zeichnen, Film, Theater... also könnt ihr mit einer vielseitigen Website rechnen. Mag.phil., zwei in 5 Jahren parallel abgeschlossene Vollstudien (English & American studies, Medienkommunikation) und stolz darauf, denn als Mädel aus einer Arbeiterfamilie in einem erzkonservativ-katholischen Land ging das nur dank Stipendium und etwas später im Leben als andere....